Der ECU in Lateinamerika
Sieben linksregierte Staaten planen gemeinsame Währung
Von Gerhard Dilger, Porto Alegre *
Das Handelsbündnis ALBA möchte sich von der Bevormundung durch multilaterale Finanzorganisationen befreien. Erster Schritt dabei soll eine gemeinsame Währung werden: der Sucre.
Als Antwort auf die Finanzkrise haben sieben Regierungen aus Lateinamerika und der Karibik die Gründung einer regionalen Währung beschlossen. Um beim gegenseitigen Handel auf den Dollar als Zahlungsmittel verzichten zu können und sich vor Kursschwankungen besser zu schützen, wollen sie den Sucre möglichst bald als virtuelle Währung einsetzen. So lautet das Ergebnis des dritten ALBA-Gipfeltreffens vom Mittwoch in Caracas.
Dem linken Handelsbündnis »Bolivarianische Alternative für die Amerikas« (ALBA) gehören Venezuela, Kuba, Bolivien, Nicaragua, Honduras und die englischsprachige Karibikinsel Dominica an. Ecuadors Präsident Rafael Correa, der die Idee einer Regionalwährung vor einem Monat auf dem Iberoamerikagipfel in El Salvador lanciert hatte, war von Gastgeber Hugo Chávez als »Sondergast« hinzugeladen worden. »Wir werden nicht mit verschränkten Armen darauf warten, dass der Internationale Währungsfonds oder die Weltbank die Probleme lösen«, sagte Chávez. Außerdem kritisierte er die Interamerikanische Entwicklungsbank, die ihre Darlehen an »politische« Vorgaben knüpfe.
Die virtuelle Gemeinschaftswährung, die im Dezember auf einem weiteren Gipfel lanciert werden soll, setzt sich aus einem »Korb« der Währungen der Mitgliedstaaten zusammen. Der Euro-Vorläufer ECU ist Vorbild des Sucre. Das Kürzel steht für »Vereinheitlichtes Ausgleichssystem« und ist voller Symbolik: Nach dem Freiheitshelden Antonio José de Sucre war die ecuadorianische Währung bis zur Dollarisierung im Jahr 2000 benannt. Fünf Jahre später legte sich Rafael Correa als Wirtschaftsminister mit dem IWF an. Seit seinem Wahlsieg Anfang 2007 arbeitet der Ökonom daran, die wirtschaftlichen Spielräume Ecuadors wieder auszuweiten. Dabei fordert er immer wieder regionale Lösungen.
Auf ökonomischem Gebiet erweist sich die von Brasilien favorisierte »Union der südamerikanischen Nationen« (UNASUR) bislang als handlungsunfähig, da Kolumbien, Peru und Chile weiterhin neoliberale Rezepte bevorzugen. Brasilien und Argentinien wollen zwar ebenfalls im bilateralen Handel auf den Dollar verzichten, doch wegen der massiven Abwertung des Real im Zuge der Finanzkrise wurde dies noch nicht umgesetzt. Auch die vor Jahresfrist gegründete »Bank des Südens« kommt kaum voran – vor allem Brasilien sperrt sich gegen eine neue Entwicklungslogik, wie sie die sozialen Bewegungen immer wieder einfordern.
Deswegen plant die ALBA auch einen regionalen Währungsfonds zur Hilfe einzelner Staaten bei akuten Finanzierungsproblemen. Venezuela sagte bereits 500 Millionen Dollar zu. Entscheidungsinstanzen zur Neuordnung der Weltwirtschaft sollen nach dem Willen der Latino-Linken im Rahmen der UNO geschaffen werden, etwa ein »Weltfinanzrat«. »Natürlich hören wir die Meinungen der G20 an«, meinte Chávez, »aber wir haben auch etwas zu sagen. Den Süden gibt es noch.«
Der Sucre sei ein »erster Schritt«, erklärt der kubanische Ökonom Pablo Ramos. Danach müssten sich die Länder auf eine ähnliche Fiskalpolitik und eine gemeinsame Zentralbank einigen. »Wenn es nicht zu einer politischen Integration mit gemeinsamen strategischen Zielen kommt, kann eine Gemeinschaftswährung wenig ausrichten.«
* Aus: Neues Deutschland, 29. November 2008
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