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Neues solidarisches Gesellschaftsmodell

Zentralamerika: Alternativer Umweltgipfel stellt Forderungen an Staatschefs. Streit um Marktwirtschaft

Von Torge Löding, San Pedro Sula *

Umweltschutz, nachhaltige Landwirtschaftspolitik und ein Ausgleich der Schäden, die durch das Vorgehen der Industrie­nationen in den Ländern des Südens entstehen - das waren die zentralen Themen auf dem ersten zentralamerikanischen Klimagipfel ökologischer und sozialer Organisationen Zentralamerikas. Fast 250 Basisvertreter waren der Einladung der Weltnaturschutzunion IUCN nach San Pedro Sula in Honduras gefolgt, um eine alternative Klimapolitik zu beraten. Es war ein »bunt gemischter Haufen, der sich aber trefflich verstand«, bilanziert Carlos Molina, Vorsitzender des Beratungskomitees der Zivilgesellschaft für die zentralamerikanische Integration (CC-SICA) und Funktionär des Gewerkschaftsverbandes der Arbeiter von Zentralamerika.

Gemeinsam mit einer Delegation übergab Molina am Dienstag (27. Mai) das Abschlußdokument den Präsidenten der Länder Zentralamerikas, die sich parallel zu dem Basistreffen zu klimapolitischen Beratungen getroffen hatten. Die Basisgruppen drängen in dem Papier auf die Schaffung eines Forums regierungsunabhängiger Organisationen, das den Staatsführungen beratend zur Seite stehen soll. Auch das Kyoto-Protokoll stand in der Kritik: Der Schutz des Regenwaldes komme darin zu kurz, bemängelten die Teilnehmer des alternativen Gipfels. Die Staaten sollen zudem verpflichtet werden, einen festen Bestandteil ihres Bruttoinlandsproduktes für die Abschwächung des Klimawandels zu verwenden. Der Alternativgipfel forderte auch Ausgleichszahlungen aus den Industrienationen. So könne die »ökologische Bringschuld« des Nordens kompensiert werden.

»Wir leben in einer für ökologische Gefahren anfälligen Region«, sagte Grethel Aguilar, die Mittelamerika-Direktorin der IUCN. Mehr als die Hälfte der Menschen in Zentralamerika lebten in Armut, die Landenge zwischen Nord- und Südamerika sei durch ihre Lage zwischen zwei Ozeanen zudem großen Risiken ausgesetzt. »Wir müssen verstehen, daß wir eine nachhaltige Entwicklung brauchen. Wir brauchen ein neues solidarisches Gesellschaftsmodell«, so Aguilar.

Umweltthemen sorgen bereits seit längerem für sozialen Sprengstoff in der Region. Während die Gipfelteilnehmer in Honduras diskutierten, lieferten sich mehr als 2000 ihrer Mitstreiter in Costa Rica Auseinandersetzungen mit der Polizei. Im sonst verschlafenen Ort Sardinal in der Pazifikregion Guanacaste begehrten die Anwohner gegen den Bau eines privaten Aquäduktes auf. Damit die Hotelgäste nicht auf dem Trockenen sitzen und um Golfplätze zu wässern, wollen sich Tourismusunternehmer auf diese Weise versorgen. Daß sie den Anwohnern das Wasser nehmen, störte sie bei den Planungen nicht.

Für Jorge Mora vom Netzwerk für Gewässerschutz (FANCA) steht hinter diesem lokalen Konflikt in Costa Rica auch die fehlende Einbeziehung der Bevölkerung in die Planung. »Das Wassergesetz Costa Ricas stammt aus dem Jahr 1942«, sagt er. Heute müsse der Gewässerschutz im Mittelpunkt stehen, die Versorgung der Menschen mit Trinkwasser müsse zur obersten Priorität erklärt werden.

Umstritten blieb auf dem alternativen Klimagipfel in Honduras der Einsatz marktwirtschaftlicher Mechanismen zur Dämpfung des Klimawandels wie der Handel mit Treibhausgas­zertifikakten nach dem Kyotoprotokoll. Während Verantwortliche der IUCN auf eine Verbesserung dieses Systems setzen, waren es vor allem Basisaktivisten, die diesen Ablaßhandel als neoliberal ablehnen.

* Der Autor arbeitet für das unabhängige Kommunikationszentrum Voces Nuestras in San José/ Costa Rica

Aus: junge Welt, 29. Mai 2008



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