Süden schließt die Reihen
Von Harald Neuber *
Zwölf Regierungen Südamerikas werden heute (23. Mai) in der brasilianischen Hauptstadt Brasilia die Gründungsurkunde einer neuen Staatengemeinschaft unterzeichnen. Die Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) soll nach der Europäischen Union und der Nordamerikanischen Freihandelszone das drittgrößte politisch und wirtschaftlich relevante Regionalbündnis der Welt werden. Zugleich orientiert die Mehrheit der Mitgliedsstaaten auf eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Nach Angaben des brasilianischen Außenministers Celso Amorim könnte als Teil der UNASUR bis Ende des Jahres zudem ein gemeinsamer Verteidigungsrat Südamerikas entstehen. Der UNASUR gehören Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Ecuador, Guayana, Paraguay, Peru, Surinam, Uruguay und Venezuela an.
Vor der Unterzeichnung der Gründungscharta in Brasilia sind sich die Mitglieder zwar über die Ziele weitgehend einig. Probleme gibt es aber bei der geplanten gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Kolumbiens rechtsgerichteter Präsident Alvaro Uribe sperrt sich vehement gegen die Einrichtung eines Verteidigungsrates. Für ein solches Gremium hatten in den Wochen vor dem heutigen Gründungstreffen vor allem Caracas und Brasilia geworben. Brasiliens Verteidigungsminister Nelson Jobim war mit den Regierungen aller Mitgliedsstaaten zusammengekommen. Kurz vor dem Treffen urteilte er nun: »Einige sind enthusiastischer, andere weniger enthusiastisch, im Grunde aber gibt es Zustimmung zur Gründung des Rates«.
Aus Kolumbien hört man andere Töne. Als eine der letzten US-nahen Staatsführungen in der Region stellt sich die Uribe-Regierung offen gegen eine eigene südamerikanische Außen- und Sichheitspolitik. Was nicht erstaunt, denn Bogotá erhielt allein im vergangenen Jahr etwa 727 Millionen US-Dollar Militärhilfe aus Washington. Die Folge war eine aggressive Militärpolitik, die Anfang März beinahe zu einem bewaffneten Konflikt mit Nachbarstaaten geführt hätte: Die kolumbianische Armee fiel damals in Ecuador ein, um ein Lager der Guerillaorganisation Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (FARC) anzugreifen. Die Intervention war in ganz Lateinamerika und der Karibik auf Widerstand gestoßen, nur die USA unterstützten Kolumbien. Vor wenigen Tagen erklärte die Bush-Regierung zudem, die seit 1950 inaktive 4. Flotte der US-Kriegsmarine wieder zu mobilisieren. Sie soll in Gewässer vor Südamerika verlegt werden.
Kurz vor dem Gründungstreffen der UNASUR lehnte der US-Verbündete Uribe nun auch den ihm angebotenen alternierenden Vorsitz der neuen Regionalorganisation ab. Die Differenzen mit Ecuador und Venezuela seien zu groß, so seine Begründung. Venezuelas Präsident Hugo Chávez reagierte umgehend: »Südamerika wird die Einheit seiner Völker, seiner Nationen und seiner Wirtschaft verstärken«. Eines Tages dann werde sicher auch Kolumbien zu dem verteidigungspolitischen Bündnis stoßen.
Parallel zu dem Treffen der UNASUR-Staaten sind in der uruguayischen Hauptstadt Montevideo linke Parteien und Organisationen zum 14. Forum von São Paulo zusammengekommen. Die Teilnehmer dieser Veranstaltung schlagen die Gründung einer neuen lateinamerikanischen Organisation vor, »ohne die USA, aber mit Kuba«. Aus der existierenden Organisation Amerikanischer Staaten war der sozialistische Karibikstaat 1962 auf Drängen Washingtons ausgeschlossen worden.
* Aus: junge Welt, 23. Mai 2008
Neueste Meldung
Union der Südamerikanischen Nationen in Brasilia gegründet. Vergleich mit Europäischer Union
Von Harald Neuber **
Mit der Unterzeichnung der Gründungscharta wurde am Freitag nachmittag (23. Mai) in Brasilien eine neue Regionalorganisation ins Leben gerufen. Der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) gehören zwölf Staaten an, die nun ihre wirtschaftlichen und politischen Beziehungen intensivieren wollen. Ihren Sitz wird die UNASUR in der bolivianischen Stadt Cochabamba haben. Mit der Unterzeichnung habe »die wahre Einheit und Integration der Nationen Südamerikas begonnen«, urteilte Venezuelas Außenminister Nicolás Maduro im Anschluß an den Festakt im Kongreßzentrum »Ulysses Guimaraes« von Brasilia. Venezuelas Präsident Hugo Chávez hatte die UNASUR zuvor als Gegengewicht zum Einfluß der USA in der Region bezeichnet. In den zwölf Mitgliedsstaaten leben über 380 Millionen Menschen.
Entstanden war die Idee eines neuen Bündnisses südamerikanischer Länder bereits im Dezember 2004 bei einem regionalen Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs im peruanischen Cuzco. Damals hieß der Zusammenschluß noch Gemeinschaft südamerikanischer Nationen. Unter diesem Namen fanden zwei Zusammenkünfte statt, eines in Brasilien 2005, das andere in Bolivien ein Jahr später.
Nach Berichten lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen wurden bereits beim Gründungstreffen der UNASUR am Freitag zahlreiche Arbeitsthemen festgelegt. Neben einer gemeinsamen Energiepolitik werden demnach die Agrarpolitik, neue Entwicklungsstrategien und die Armutsbekämpfung im Zentrum künftiger Konsultationen stehen. Auch wegen dieser Bandbreite der Themen wurde die UNASUR im Vorfeld strukturell mit der Europäischen Union verglichen. Bei einem Folgetreffen Ende Juni wollen die Staatschefs von Brasilien, Bolivien, Ecuador und Venezuela gemeinsame Strategien besprechen. Dazu könnte auch die Einrichtung eines Verteidigungsrates gehören, mit dem die UNASUR-Staaten ihre Außen- und Sicherheitspolitik koordinieren wollen.
** Aus: junge Welt, 26. Mai 2008
South America nations found union
Some members hope Unasur could become a regional version of the EU **
The leaders of 12 South American nations have formed a
regional body aimed at boosting economic and political
integration in the region.
At a summit in Brazil, they signed a treaty which
created the Union of South American Nations (Unasur).
Brazil's President Luiz Inacio Lula da Silva said the
move showed that South America was becoming a "global
player". But tensions between several members will make it
difficult for the group to achieve its goals, observers
say. Mr Lula said at the summit in Brasilia that the
differences between some Unasur governments were a sign
of vitality in the region. "The instability some want to see in our continent is a sign of life, especially political life," Mr Lula said. "There's no democracy without people [protesting] in the streets," he added.
The treaty envisages that Unasur will have a revolving
presidency and bi-annual meetings of foreign ministers.
Prior to the Brasilia summit, Venezuelan President Hugo
Chavez described the "empire" of the United States as
Unasur's "number one enemy". Mr Chavez is embroiled in a bitter diplomatic row with his Colombian counterpart Alvaro Uribe - a staunch US
ally - over Colombian claims that Venezuela has been
helping to finance the activities of the Colombian Farc
rebels.
The Unasur members are Argentina, Bolivia, Brazil,
Chile, Colombia, Ecuador, Guyana, Paraguay, Peru,
Suriname, Uruguay and Venezuela.
** BBC, May 23, 2008
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