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Lesotho will zurück in die Normalität

Nach dem Putschversuch und der Flucht des Premiers vermitteln die Nachbarländer um Südafrika eine politische Lösung

Von Markus Schönherr, Kapstadt *

Im afrikanischen Königreich Lesotho bahnt sich nach einem Putschversuch offenbar eine Lösung an. Das Parlament soll wieder eingesetzt werden und der Premierminister zurückkehren.

Der Fernsehbildschirm blieb schwarz und Handysignale kamen zum Erliegen. Das Leben in Lesotho stand still, nachdem die Armee am Wochenende faktisch die Macht übernommen hatte. In der Hauptstadt Maseru eroberten die Soldaten strategisch wichtige Gebäude, darunter das Polizeihauptquartier, den staatlichen Rundfunksender und den Regierungspalast. Die Offiziere streiten sämtliche Machtansprüche ab, doch Premierminister Thomas Thabane sprach offen von einem »Coup«.

Das bergige Königreich an Afrikas Südspitze zählt rund zwei Millionen Einwohner und ist vollständig von Südafrika umgeben. Thabane sprach am Wochenende aus dem Nachbarland zu der Presse. Obwohl er zunächst beteuerte, »kein Flüchtling« zu sein und in Südafrika sei, um seine Tochter zu besuchen, sagte er später gegenüber »Voice of America«: »Die Armee ist außer Kontrolle, läuft durch die Straßen und bedroht die Leute. Sie hat offen zugegeben, dass sie mir an den Hals will. Weil ich diese Information rechtzeitig erhalten habe, bin ich geflohen. Nur deshalb lebe ich noch.« Laut der südafrikanischen Tagszeitung »Sunday Times« habe Südafrikas Militär in Begleitung mehrerer Diplomaten geholfen, den Premier über die Grenze zu schmuggeln – die Regierung in Pretoria streitet dies ab.

Unterdessen reiste auch Lesothos Vizepremier, Mothetjoa Metsing, nach Südafrika. Dort sollen Gespräche mit Präsident Zuma und Vertretern der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC) stattfinden. Wie Zuma am Sonntag sagte, müsse Lesotho »seine eigene Zukunft bestimmen können«. Die USA, der Commonwealth und die Afrikanische Union (AU) verurteilten die Gewalt durch das Militär.

Bei den Gesprächen ist man offenbar einer politischen Lösung deutlich näher gekommen. Laut BBC einigten sich die rivalisierenden Parteien am Montagabend auf einen Zeitplan, um das Parlament wieder einzusetzen. Auch der Premier Thabane soll in sein Amt zurückkehren. Seine Forderung an die Nachbarländer, Friedenstruppen zu schicken, wurde dagegen abgelehnt. Stattdessen sollen ausländische Beobachter nach Lesotho entsandt werden.

Der Aufstand der Streitkräfte folgte der Suspendierung des Armeechefs, General Tlali Kamoli. König Letsie III. habe seinen Segen gegeben, den langjährigen Befehlshaber abzusetzen. Weil dieser seine Macht jedoch nicht abgeben wolle, habe er einen Putsch begonnen. »Die Situation verdeutlicht die totale Disziplinlosigkeit der Armee, die auf Kamolis Befehl hört. Es ist nichts anderes als ein Militärputsch«, so der Premier.

Bereits im Juni waren Gerüchte eines Putschs laut geworden, nachdem der Premier das Parlament aufgelöst hatte. Seit zwei Jahren regiert in Lesotho eine Koalition aus drei verschiedenen Parteien. Thabanes »All Basotho Convention« (ABC) stellt zwar die Mehrheit im Parlament, ist für die Regierungsgeschäfte jedoch auf seine Koalitionspartner angewiesen. In den letzten Monaten kam es zunehmend zu Unstimmigkeiten. Thabane entließ das Parlament, da er ein Misstrauensvotum fürchtete.

Schon seit Monaten gehe ein Riss durch die Regierung Thabanes, sagt die Sicherheitsexpertin Dimpho Motsamai vom Institut für Sicherheitsstudien in der südafrikanischen Hauptstadt Pretoria. »Monatelang gab es Reibereien. Bei jeder Parlamentssitzung hat die Partei des Vizepremiers ein Misstrauensvotum gegen den Premierminister angeregt. Sie haben versucht, ihn aus dem Amt zu drängen.«

Ob nun Militärputsch oder nicht. Die Ereignisse rund um das Wochenende sind der vorläufige Höhepunkt der Staatskrise in Lesotho und der Lösungsvorschlag aus Südafrika steht vorerst nur auf dem Papier.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch 3. September 2014


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