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Geruch des Todes

Alltag im Libanon: Immer neue Leichenfunde. Zerstörtes Wasserleitungssystem

Von Karin Leukefeld *

Was kein Film, kein Foto, kein Bericht über die Lage im Südlibanon nach Beginn der Waffenruhe darstellen konnte, war der Geruch des Todes, der über den zerstörten Dörfern lag. Wenig erfuhr man über die Toten, die Angehörige, Freunde oder Nachbarn unter den Trümmern der Häuser fanden.

Die Luft zwischen dem Dorf Ainata und Bint Jbeil war so sehr von Leichengeruch erfüllt, daß libanesische Rotkreuzmitarbeiter und humanitäre Helfer aus Katar mehrere Atemschutzmasken übereinander trugen, um ihre grauenhafte Arbeit zu verrichten. In Ainata fanden sie am ersten Tag acht Leichen, am zweiten Tag zehn, vier davon waren Kinder im Alter zwischen zwei und zehn Jahren. Die Leichen seien kaum noch zu identifizieren gewesen, so Daniel Jerjes vom libanesischen Roten Kreuz.

In den Trümmern

Auch die Steinwüste von Bint Jbeil, nur zehn Kilometer von der libanesisch-israelischen Grenze entfernt, hat viele der früheren Einwohner erst Wochen nach ihrem gewaltsamen Tod freigegeben. 35 Tote wurden allein durch das libanesische Rote Kreuz geborgen. Nabil Chrara stammt aus Bint Jbeil. Er war nicht im Ort, als der Krieg begann. Nach seiner Rückkehr mußte er zusehen, wie die Leichen von vier seiner Familienangehörigen gefunden wurden; bei Aufräumarbeiten dort, wo einst sein Haus gewesen war. »25 Tage sind sie jetzt tot«, sagt Nabil Chrara. »Sie wollten das Haus nicht verlassen.«

Wie Chrara lebt auch Yusef Abdalla Harb aus dem Dorf Maroun Al-Ras in einem Zelt in Bint Jbeil. Maroun Al-Ras liegt auf einem Hügel gegenüber von Bint Jbeil und war der erste libanesische Ort, den die israelischen Truppen eingenommen hatten. Trotz Waffenruhe sind Tel Avivs Soldaten noch immer dort, Yusef Abdalla kann sogar ihre Panzer von seinem Zelt aus sehen. Zwanzig Jahre hat er im Ausland gearbeitet, um für sich und seine Familie das Haus in Maroun Al-Ras zu bauen, erzählt er. Nun liegt sein Lebenswerk in Trümmern.

Ungewisse Zukunft

Auch Umm Ali hat ihr Haus in Bint Jbeil verloren. Mitarbeitern des UN-Informationsnetzwerks (IRIN) berichtet sie, daß ihr nur das geblieben ist, was sie in zwei schwarzen Plastiktaschen bei sich trägt. Umm Ali hatte sieben Kühe und einen Esel. Die Milch der Kühe konnte sie verkaufen, der Esel half ihr beim Transport. Nun sind die Tiere tot, verhungert, verdurstet, verbrannt. »Alle meine Getreidevorräte, mein Weizen und Mehl, sind mit dem Haus verbrannt«, sagt die Frau. Wovon sie in Zukunft leben soll, weiß sie nicht.

Seit mehr als einem Monat sind alle Orte südlich und östlich der alten Hafenstadt Tyrus ohne Wasser, Strom und Nahrungsmittel. Auch die Telefonleitungen sind zerstört. In Aitaroun, einem Dorf nahe Maroun Al-Ras und nur zwei Kilometer von der Grenze zu Israel entfernt, berichtet der 70jährige Abu Hamid, daß er während des Krieges Wasser aus dem Teich in der Dorfmitte geschöpft habe – zum Trinken. »Obwohl es unsauber war, hat es uns geholfen, zu überleben«, sagt der alte Mann. Nie habe es früher ein Wasserproblem im Dorf gegeben, doch dieser Krieg habe alles zerstört.

Einem Bericht des UN-Kinderhilfswerks UNICEF (siehe Kasten) zufolge ist die Vernichtung des Wasserversorgungssystems im Südlibanon eines der großen Hindernisse für die Menschen, in ihre Dörfer zurückzukehren. Nie habe er solche Zerstörungen gesehen, meint Branislav Jekic, ein Experte des UNICEF-Programms für Wasser und Hygiene. »Egal wohin wir gehen, wenn wir die Leute fragen, was sie am meisten brauchen, ist die Antwort immer die gleiche: Wasser.«

Zwölf kriegszerstörte Dörfer haben UNICEF-Experten bisher genauer auf Schäden hin untersucht, in zehn Dörfern waren Wasserleitungen und die dazugehörige Infrastruktur zerstört oder schwer beschädigt. In der Provinz Tyrus sind 42 von 70 Dörfern ohne Wasserversorgung. In Nabatija und dazugehörigen Dörfern hat UNICEF 40 Wassertanks aufgestellt, von denen jeder 5000 Liter faßt. Hilfsorganisationen sorgen dafür, daß die Tanks regelmäßig aufgefüllt werden.

Schweigende Nachbarn

Gelder für den Wiederaufbau Libanons fließen nur langsam. Kuwait, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate haben Millionen von Dollar versprochen. Katar hat erklärt, den Wiederaufbau des zerstörten Bint Jbeil zu finanzieren. Doch viele Libanesen beobachten das Engagement skeptisch. Fuad Juni, ein alter Mann aus Bint Jbeil, sitzt auf einem Trümmerhaufen, der einst sein Haus war. Nicht den Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah hasse er, sagt der Mann, im Gegenteil: »Gott segne ihn.« Es seien die arabischen Staaten, die internationale Gemeinschaft, die er hasse. »Ihr Schweigen war lauter als die Bomben, das werde ich ihnen nie vergeben. Nie.«

* Aus: junge Welt, 28. August 2006

Libanon: UNICEF bringt sauberes Trinkwasser

Wasserleitungen und Pumpen im Krieg zerstört

22.8.2006. Nach den massiven Zerstörungen des Krieges leiden die Menschen im Süden des Libanon unter Trinkwassermangel. UNICEF-Mitarbeiter berichten, dass in 10 von 12 Gemeinden, die sie in den vergangenen Tagen besuchten, die Wassersysteme durch die Kämpfe stark beschädigt oder völlig zerstört sind.

„Überall wo wir hinkommen, fragen wir die Menschen, was sie am dringendsten brauchen und die Antwort ist immer gleich: Wasser“, sagte UNICEF-Wasserexperte Branislav Jekic. Die Wasserknappheit verhindert auch den Wiederaufbau. „Die Menschen wollen in ihre Dörfer und Städte zurück. Aber ob sie dort auch bleiben können, hängt von der Trinkwasserversorgung ab.“

Andere Helfer kommen zu ähnlichen Ergebnissen. In der Region um die Stadt Tyros zum Beispiel sind in 42 von 72 Dörfern die Wassersysteme defekt. Als Sofortmaßnahme verstärkte UNICEF die Verteilung von Trinkwasser. Seit Beginn der Krise am 12. Juli wurde eine Viertelmillion Flaschen mit Trinkwasser in die am schlimmsten betroffenen Gebiete geliefert, darunter Bint Jubail, Ait el Shaab und Tibnin.

UNICEF bringt jetzt jede Woche 50.000 Liter Trinkwasser mit LKWs in den Südlibanon, ab dem kommenden Wochenende wird diese Menge verdoppelt. Zusätzlich will UNICEF diese Woche weitere 40 große Wassertanks mit 5.000 Liter Fassungsvermögen nach Nabatiyah sowie in die Dörfer entlang der israelischen Grenze bringen.

Seit Beginn der Krise hat UNICEF 51 Wassertanks mit jeweils 5.000 Liter Kapazität bereitgestellt sowie 284.800 Trinkwasserflaschen. UNICEF lieferte Medikamente für 70.000 Menschen, 16.500 Kinder wurden gegen Masern geimpft, 9.000 gegen Kinderlähmung. 101.000 Flüchtlinge erhielten Seife, Windeln für 91.000 Kinder wurden verteilt. Weiter erhielten 21.000 Kinder in Notunterkünften Spielsachen. Mit Flugblättern und Plakaten warnt UNICEF die zurückkehrenden Flüchtlinge vor der gefahr durch Minen und Blindgänger.

UNICEF ruft zu Spenden auf:
Online-Spenden:
Spendenkonto 300.000
Bank für Sozialwirtschaft: 370 205 00
Stichwort: Libanon

Quelle: Pressemitteilung von UNICEF, 22. August 2006; www.unicef.de




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