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Hisbollah-Kommandeur hingerichtet

"Professionelle Mordoperation" in Beirut. Bekenntnis zweier sunnitischer Brigaden. Israel dementiert Beteiligung

Von Jürgen Cain Külbel *

Hassan Hawlo Al-Lakiss, ein hochrangiger Militärkommandant der libanesischen Hisbollah, ist Mittwoch nacht in Beirut von unbekannten Tätern hingerichtet worden. Die Schiiten-Miliz vermutet Israel als Drahtzieher hinter dem Anschlag auf den Mittvierziger.

»Gegen 12 Uhr nachts wurde Al-Lakiss in der Nähe seines Hauses in Sainte Thérèse im Stadtteil Hadath ermordet, als er von der Arbeit heimkehrte«, erklärte das Pressebüro der Hisbollah am Mittwoch. Der Radiosender Voice of Lebanon berichtete, das Opfer habe auf dem Parkplatz vor seinem Wohnhaus in seinem grünen Cherokee-Jeep gesessen, als ihm seine Mörder auflauerten und aus nächster Nähe mit einer schallgedämpften Pistole neunmal in Kopf und Nacken schossen. Lakiss, nach der Bluttat in kritischem Zustand aufgefunden und ins nahegelegene Rasoul-Aazam-Krankenhaus gebracht, erlag gegen 3 Uhr morgens seinen schweren Verletzungen.

Libanesische Sicherheitskreise gehen von einer »professionellen Mordoperation« aus; schlammige Fußabdrücke am Tatort deuten auf mehr als einen Angreifer hin. Die Hisbollah vermutet eine Kommandoaktion der Israelis: »Der israelische Feind hat mehrfach und an verschiedenen Orten versucht, unseren Bruder Märtyrer zu erwischen, aber diese Versuche scheiterten bis zu diesem widerlichen Attentat. Israel trägt die volle Verantwortung und alle Konsequenzen für dieses abscheuliche Verbrechen.« Jigal Palmor, Sprecher des israelischen Außenministerium, dementierte prompt im Tel Aviver Nachrichtensender i24news: »Israel hat mit diesem Zwischenfall nichts zu tun. Dies sind reflexhafte und automatische Anschuldigungen seitens der Hisbollah. Sie brauchen dafür keine Beweise und lasten die Tat einfach Israel an.«

Allerdings folgten den gezielten Exekutionen von Kommandeuren des palästinensischen und schiitischen Widerstandes, im Zedernstaat zwischen 2001 und 2006 vom Auslandsgeheimdienst Tel Avivs in Kollaboration mit libanesischen Agenten in Szene gesetzt, ähnlich harsche Dementis; ab 2006 räucherten die Beiruter Sicherheitsorgane Dutzende dieser Agenten-Nester aus, brachten die im Auftrag Israels agierenden Mörder hinter Gitter.

Nach dem verbalen Schlagabtausch zwischen Hisbollah und Israel bekannte sich die unbekannte sunnitische Brigade »Ahrar Al-Sunna Baalbek« über den Kurznachrichtendienst Twitter zu dem Verbrechen an Al-Lakiss. Libanesische Sunniten mit Kontakten zu Terroristen in Syrien hatten in den vergangenen Monaten immer wieder die Verantwortung für Anschläge auf die Hisbollah übernommen, da die Miliz die Truppen von Präsident Baschar Al-Assad im Syrien-Krieg unterstützt. Al-Lakiss soll an den Kämpfen in Syrien teilgenommen haben.

Wenige Stunden nach dem Bekenner-Tweet der Brigade »Ahrar Al-Sunna Baalbek« übernahm auch die »Ansar Al-Umma Al-Islamiya Brigade« die Verantwortung für Hassan Al-Lakiss’ Ermordung; als Revanche für den Verlust der Stadt Kussair, eine der schwersten Niederlagen seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs.

Doch auch die Dienste der Vereinigten Staaten hatten Al-Lakiss im Visier: Christopher E. Swecker, 2004 bis 2006 stellvertretender Direktor der Kriminalabteilung des FBI, später stellvertretender amtierender Direktor, betitelte Al-Lakiss im Sommer 2012 während einer Anhörung vor dem »Committee on Homeland Security« im Repräsentantenhaus als »den zur Zeit ranghöchsten Beschaffungsbeamten der Hisbollah«.

Für Nabih Berri, Parlamentspräsident des Libanon, steht der Täter fest: »Die Art, wie er getötet wurde, ist der Stil, der von Israel eingesetzt wird. Wir alle sollten wachsam sein in dieser Phase.« Walid Jumblatt, Parteiführer der Sozialistischen Fortschritts-Partei Libanons und einer der politischen Gegenspieler der Hisbollah, verurteilte den Mord grundsätzlich: »Ich verurteile alle politischen Morde und terroristischen Bombenanschläge«.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 5. Dezember 2013


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