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UN-Gericht über allem

Hariri-Tribunal düpiert Verteidigung und weist alle Zweifel an seiner Legitimität zurück

Von Jürgen Cain Külbel *

Das bei Den Haag in den Niederlanden tagende UN-Sondertribunal für den Libanon (STL), das den Mord am Milliardär und libanesischen Ex-Ministerpräsidenten Rafik Hariri aufklären soll, schmetterte am Montag jegliche Zweifel an seiner Legitimität ab. Alle Anträge der Verteidigung, die argumentierte, das Tribunal sei illegal, verletze die Souveränität des Libanon, übe selektive Gerichtsbarkeit und garantiere nicht das Recht der Angeklagten auf ein faires Verfahren, wurden abgewiesen.

Hariri war am 14. Februar 2005 auf Beiruts Seepromenade mittels einer gewaltigen Autobombe, die 22 Menschen tötete, Hunderte verletzte, exekutiert worden. Ein Vierteljahr später wurde der Berliner Oberstaatsanwalt Detlev Mehlis zum Leiter der ­UN-Ermittlungskommission ernannt und präsentierte in Windeseile mittels gefälschter Zeugenaussagen und anderer extrajuristischer Untersuchungsmethoden einen genehmen Täterkreis: prosyrische libanesische Militärs. Vier Jahre lang saßen ab August 2005 vier Generäle unschuldig und ohne Anklage hinter Gittern. Im Juni 2011, sechs Jahre nach dem Verbrechen, zauberte das STL das nächste Täterkonstrukt aus dem Hut: Wiederum ohne harte Beweise bezichtigte es diesmal die Libanesen Salim Ayyash (48), Mustafa Badreddine (50), beide Mitglieder der schiitischen Widerstandsorganisation Hisbollah, sowie Hussein Anaissi (37) und Assad Sabra (35) der »Verübung eines terroristischen Aktes mithilfe von Sprengkörpern« und forderte die Beiruter Behörden auf, erlassene Haftbefehle umzusetzen. Die Hisbollah weist jede Verantwortung für die Tat von sich; ihr Generalsekretär Hassan Nasrallah sieht im STL eine »US-israelische Verschwörung«, das seiner Organisation politisch schaden wolle.

Der Pariser Anwalt Antoine Korkmaz, einer der Verteidiger der Angeklagten, denen ab 25. März 2013 in Abwesenheit der Prozeß gemacht werden soll, betonte Mitte Juni in einer Anhörung, das STL »sei illegal vom UN-Sicherheitsrat (im Mai 2007 per UN-Resolution 1757) installiert worden und mische sich in Libanons innere Angelegenheiten ein«, da es weder von Libanons Präsidenten noch vom Beiruter Parlament bestätigt wurde«. Die Richter entgegneten dem nun am Montag, ihr Tribunal sei durch eben diese Resolution gedeckt. Zudem hätte »der Antrag der Verteidigung nur die Legalität des Prozesses (der Etablierung des STL), nicht aber die Rechtmäßigkeit der Jurisdiktion des STL berührt.« Aus diesen Gründen, so die Strafkammer spitzfindig, »war es nicht notwendig, irgendwelche Anträge der Verteidigung zu untersuchen, denen zufolge gegen libanesische Gesetze verstoßen wurde«. Schließlich habe der Libanon nie behauptet, seine Souveränität sei verletzt worden, und als Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen sei er den Verpflichtungen gemäß der Resolution nachgekommen. Um jeden zukünftigen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Sondertribunals für den Libanon abwürgen zu können, stellten die Richter die Rolle ihres Arbeitgebers als unantastbares Inquisitionswerkzeug des UN-Sicherheitsrates noch einmal deutlich heraus: »Die Strafkammer (des STL) hat keine Macht, die Aktionen des UN-Sicherheitsrates zu überprüfen, und keine andere gerichtliche Instanz verfügt über eine solche Macht zur potenziellen gerichtlichen Überprüfung des Sicherheitsrates.« Weil die Vereinten Nationen oder der Sicherheitsrat Gerichte etablieren können, sei das Sondertribunal für den Libanon rechtmäßig. Es beruhe »auf dem Gesetz«.

Die Verteidigung, so die Richter gnädig, darf selbstverständlich Einspruch gegen die Entscheidung einlegen. An der ihr zugedachten Rolle ändert das aber nichts mehr. Sie soll den Komparsen im eingespielten UN-Schmierenstück um den Hariri-Mord spielen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 1. August 2012


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