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Anwalt brüskiert

Washington sabotiert Verteidigerteam beim UN-Sondertribunal für den Libanon

Von Jürgen Cain Külbel *

Er werde seine »Tätigkeit vorübergehend aussetzen«, verkündete Anwalt John Jones, einer der Verteidiger beim UN-Sondertribunal für den Libanon (STL) vergangenen Mittwoch im Prozeß gegen die mutmaßlichen Mörder des ehemaligen libanesischen Premierministers Rafik Hariri. Die US-Behörden hatten dem Juristen, der sowohl die US-amerikanische als auch britische Staatsbürgerschaft besitzt, am 20. September 2012 eine »Lizenz« zugestellt, die ihn, den »Lizenznehmer« verpflichtet, »alle relevanten Informationen oder Berichte« über seinen Mandanten Mustafa Amine Badreddine (51) auf Anforderung »des US-Finanzministers oder jedes anderen ordnungsgemäß bevollmächtigten leitenden Angestellten oder einer Agentur zu übermitteln«. Kurzum: Anwalt Jones soll seinen Mandanten nachrichtendienstlich ausspionieren.

Rafik Hariri war am 14. Februar 2005 in Beirut bei einem spektakulären Autobombenanschlag getötet worden. Die Tat, bei der 23 Menschen den Tod fanden und Hunderte verletzt wurden, soll laut Anklage von Johns Mandanten Badreddine, von Salim Jamil Ayyash (48), Hussein Hassan Oneissi (38) und Assad Hassan Sabra (35), allesamt Angehörige der schiitischen Hisbollah und bislang unauffindbar, verübt worden sein. Für Experten ist die Beweislage fiktional, fußt sie doch einzig auf einer bizarr anmutenden Telefonnummernanalyse: Die Attentäter sollen untereinander geheime Telefonnummern benutzt, aber auch immer ihre persönlichen Handys bei sich getragen haben. Aus örtlichen und zeitlichen Übereinstimmungen der Nutzung der Handy- und der geheimen Nummern wollen die UN-Experten die Täter herausgefunden haben und meinen, es sei »angemessen zu schließen, daß der Einsatz der Mobiltelefone mit unschuldiger oder zufälliger Kommunikation unvereinbar« sei.

In der ersten Septemberhälfte 2012 hatte das US-Finanzministerium per »Executive Order 13224« gegen Mustafa Badreddine wegen »Unterstützung der terroristischen Aktivitäten der Hisbollah im Nahen Osten und auf der ganzen Welt« Sanktionen erlassen. Badreddines Verteidiger-Team um Antoine Korkmaz, John Jones, Pauline Baranes, Sarah Codde konterte erbost: »Die Verhängung von Sanktionen scheint ein Versuch, das Tribunal zu beeinflussen, die Meinung der Richterschaft vor dem Verfahren gegen Badreddine zu beeinflussen … Es ist sehr fraglich, ob der nun je ein faires Verfahren bekommen wird, wenn die USA – ein wichtiger Sponsor des Tribunals – ihn öffentlich und ausdrücklich als einen ›führenden Terroristenführer‹ brandmarken.«

Auch Badreddines Anwalt Jones geriet durch die Sanktionen gegen seinen Mandanten in die Schußlinie der Amerikaner, denn jedermann, der dem »Terroristen« eine irgend geartete Unterstützung leistet, muß mit Bestrafung rechnen. Pfeilgeschwind sprach der Präsident des STL, David Baragwanath, »bei den Behörden in den Staaten vor und bat, Jones nicht wegen der Verteidigung Badreddines anzuklagen«. Die Amerikaner reagierten und erteilten Jones die »Ausnahme-Lizenz«, so die libanesische Tageszeitung Al-Akhbar, »Mustafa Badreddine beim STL weiterhin zu verteidigen«. Antoine Korkmaz, Chef der Verteidigung, bestätigte indes, »daß die US-Behörden jedoch Bedingungen für das zukünftige Wirken seines Kollegen Jones gestellt hatten«.

Marten Youssef, Sprecher des STL, schmetterte die Einwände der Verteidigung als »gescheitert« ab und verteidigte die Integrität seines Arbeitgebers: »Die Sanktionen werden keine Auswirkungen auf die Beweise oder die Fairneß des gerichtlichen Verfahrens haben. Und die Bezeichnung Badreddines als ›Terrorist‹ durch die USA wird keine Auswirkungen auf die Verhandlungen vor dem Tribunal haben. Was die USA sagen, hat nichts mit dem Prozeß zu tun. Internationale Richter sind immun gegen solchen Druck.« Nicht jedoch die Verteidigung. Al-Akhbar berichtete zuletzt, daß sich die Vorbereitungen der Verteidigung infolge Jones’ Rückzug wegen seiner Spionage-Verpflichtungen gegenüber Washington erheblich verzögern werden. Anwalt Korkmaz wird einen Antrag an die Richter stellen, den für den 25. März 2013 geplanten Prozeßbeginn nach hinten zu verschieben.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 02. Oktober 2012


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