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Nasrallah legt Beweise vor

Libanesische Hisbollah sieht Israel in Hariri-Mord verstrickt

Von Karin Leukefeld *

Der Vorsitzende der libanesischen Hisbollah, Hassan Nasrallah, hat am Montag abend (9. Aug.) in Beirut Dokumente veröffentlicht, die eine Verwicklung Israels in das Attentat auf den früheren libanesischen Ministerpräsidenten Rafik Hariri beweisen soll. Bei dem Anschlag im Februar 2005 waren Hariri und 22 weitere Personen getötet worden. Nasrallah forderte die libanesische Regierung auf, eine Untersuchungskommission einzuberufen, um die Dokumente zu prüfen. Dem UN-Sondertribunal, das den Mord seit fünf Jahren untersucht, werde man das Material jedoch nicht übergeben, weil man kein Vertrauen in dessen Arbeit habe. Das Gremium in Den Haag werde politisch manipuliert und sei ein »israelisches Projekt«, weil es eine mögliche Verwicklung Tel Avivs in den Anschlag bisher nie in die Ermittlungen einbezogen habe.

Tel Aviv zeigte sich wenig beeindruckt von Nasrallahs Auftritt. Gegenüber dem arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira sagte ein Regierungssprecher, Israel habe erwartet, von Nasrallah »als Sündenbock vorgeführt« zu werden. Seit das UN-Sondertribunal die Mörder des Ministerpräsidenten in den Reihen der Hisbollah ausgemacht habe, stehe Nasrallah »mit dem Rücken zur Wand«.

Bei dem von Nasrallah vorgelegten Material soll es sich um Aufklärungsergebnisse israelischer Überwachungsdrohnen handeln, die die Hisbollah seit 1997 abfangen könne. Einige der Aufnahmen sollen kurz vor dem Tag des Mordes entstanden sein, darunter eine Fülle von Bildern aus der Umgebung des späteren Tatorts sowie von Privathäusern der Familie Hariri in Beirut und Sidon. Dieses Material könne dazu gedient haben, den besten Platz für ein Attentat herauszufinden, so Nasrallah, der zugleich einräumte, daß dies keine »klaren Beweise« seien. Man müsse sich aber fragen, warum Israel die Familie Hariri so umfassend ausgespäht habe. Das Material eröffne »neue Horizonte für die Untersuchungen«.

Ziel der israelischen Spionagetätigkeit im Libanon sei es seit Jahren, Unruhe zu stiften und einen Keil zwischen die Hisbollah und die libanesische Regierung zu treiben, führte Nasrallah weiter aus. Spione hätten geholfen, Geheimkommandos ins Land und wieder hinaus zu schleusen, Überwachungskameras zu installieren und das libanesische Telefonnetz anzuzapfen. Vermutlich gingen etliche Anschläge und Explosionen im Libanon seit 2005 auf das Konto des israelischen Geheimdienstes.

Erst vor wenigen Tagen war der frühere libanesische General Fayez Karam festgenommen worden. Er soll eine Zusammenarbeit mit Israel eingestanden haben, berichteten libanesische Medien unter Berufung auf anonyme Quellen aus den Ermittlungsbehörden. Karam hatte als Mitglied der mit der Hisbollah in einem Bündnis vereinten Freien Patriotischen Union bei den Parlamentswahlen 2009 kandidiert.

* Aus: junge Welt, 11. August 2010


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