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Vier Millionen Euro für Flüchtlinge

Libanesischer Premier Fuad Siniora erhielt in Berlin Hilfszusagen der Bundesregierung

Von Karin Leukefeld *

Der libanesische Ministerpräsident Fuad Siniora traf am Mittwoch in Berlin neben Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Kanzlerin Angela Merkel auch mit Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul zusammen. Der Premier erhielt Hilfszusagen für palästinensische Flüchtlinge und für die Grenzsicherung.

Vier Millionen Euro Hilfe für die palästinensischen Flüchtlinge in Libanon wurden Fuad Siniora von Entwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul zugesagt, die im Juli ein Flüchtlingslager in dem nahöstlichen Land besucht hatte. Nach dem erfolgreichen Ende des Kampfes gegen die islamistische »Fatah al-Islam« im palästinensischen Flüchtlingslager Nahr al-Bared hatte Siniora das Ausland um Hilfe für den Wiederaufbau gebeten.

Palästinenser leben in Libanon seit ihrer Vertreibung vor fast 60 Jahren; 400 000 Palästinenser sind offiziell registriert. Mit deutscher Hilfe soll vor allem die Versorgung mit Wasser und Strom in den Lagern verbessert werden, teilte das Entwicklungshilfeministerium mit.

Rechtzeitig zum Siniora-Besuch in Berlin gab die deutsche Botschaft in Beirut bekannt, dass in Kürze die »Gemeinsame Grenztruppe«, eine deutsch-libanesische Polizei- und Zolleinheit, ihre Arbeit an der Grenze zu Syrien aufnehmen werde. Das Projekt sei ein »großer Schritt in Richtung der libanesisch-syrischen Grenzsicherung und soll die interne Zusammenarbeit libanesischer Sicherheitskräfte stärken«. Die CBF (Common Border Forces) wurde im Juli von der Regierung Siniora eingerichtet und setzt sich aus den Sicherheitskräften des Innenministeriums (ISF), der libanesischen Armee, den Allgemeinen Sicherheitskräften (Geheimdienst) und dem Zoll zusammen. CBF soll »illegale Grenzübertritte« verhindern. Die bilaterale Truppe wird von dem libanesischen General Ashraf Rifi und derzeit noch dem deutschen Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums Detlef Karioth geführt.

Die Vorbereitungen für das Projekt des »integrierten Grenzmanagements« laufen seit Ende 2006. Deutsche Polizei- und Zollbeamte installierten seitdem an vier nordlibanesischen Grenzübergängen, in den Häfen von Tripoli und Beirut sowie am Beiruter Flughafen Dokumentenscanner, einen Container-Scanner sowie Radar-, Sensoren- und Nachtsichtgeräte. Die Bundesregierung plant offenbar, das Vorhaben in die »Europäische Nachbarschaftspolitik« zu integrieren. Die Gesamtkosten für das Projekt, das perspektivisch auf die ganze libanesisch-syrische Grenze ausgedehnt werden soll, liegen derzeit bei vier Millionen Euro.

Israel begrüßte das deutsche Engagement und kritisierte gleichzeitig die UN-Mission UNIFIL, die nicht bereit sei, die libanesisch-syrische Grenze zu überwachen. Gemäß der UN-Resolution 1701 kontrollieren UNIFIL und die libanesischen Streitkräfte ausschließlich die libanesisch-israelische Grenze. Ginge es nach Israel, sollte das Grenzgebiet zu Syrien so aussehen wie die israelischlibanesische Grenze im Süden, die mit Stacheldraht, Minengürtel und dicht aneinander gebauten Überwachungstürmen versehen ist. Mit Verweis auf »illegale Waffenlieferungen an Hisbollah« hat Israel seine Überflüge über libanesisches Territorium seit dem Ende des Krieges von 2006 verdoppelt, ein eindeutiger Verstoß gegen die UN-Resolution 1701.

Die Bundesregierung hat erhebliches Interesse an einer Stärkung der Regierung Siniora, weil dies nach Ansicht des Grünenpolitikers Jürgen Trittin auch »im Sicherheitsinteresse Israels« liegt. Die bilaterale Grenzüberwachung bedient beide Interessen, doch müsse man, so Trittin, auch auf Israel einwirken, in Sachen der illegalen Überflüge oder der israelisch besetzten Scheeba-Höfe Konzessionen zu machen. Israel will die Überflüge nur dann einstellen, wenn die Grenze zu Syrien effektiv überwacht und Waffenlieferungen an die Hisbollah gestoppt werden.

Viele Libanesen im Süden des Landes sehen die Sache aus einem ganz anderen Blickwinkel. Nicht vergessen ist die Aussage der deutschen Kanzlerin im Herbst 2006, die deutsche Marine schütze im Mittelmeer »das Existenzrecht Israels«. Das polizeiliche Engagement der Deutschen an der syrischlibanesischen Grenze betrachten viele mit Skepsis. Warum, so fragen manche, solle Hisbollah nicht von Syrien mit Waffen unterstützt werden, solange Israel weiterhin Waffenhilfe aus dem Westen erhält?

* Aus: Neues Deutschland, 6. September 2007


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