Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Keine Ruhe für Libanon

Israel provoziert Beirut mit täglichen Luftraumverletzungen des Nachbarlandes. Zunehmende Spannungen zwischen Bevölkerung und UN-Schutztruppe

Von Karin Leukefeld *

Vier Jahre nach dem Beginn des Libanon-Krieges 2006 ist das Klima zwischen der UN-Schutztruppe für den Libanon (UNIFIL) und der Bevölkerung im Südlibanon von Spannungen gezeichnet. Als die UNIFIL-Truppen kürzlich mit voller Stärke und Ausrüstung ein Manöver in ihrem Operationsgebiet südlich des Litani-Flusses durchführten, war es zu Steinwürfen und Handgreiflichkeiten gegen die Soldaten gekommen. Ähnliche Szenen wiederholten sich am vergangenen Wochenende, als Dorfbewohner einen UNIFIL-Soldaten entwaffneten. Nach Eintreffen der Libanesischen Armee (LAF) beruhigte sich die Lage jeweils wieder schnell, dennoch haben die Vorfälle für erhebliche Diskussionen in Libanon und darüber hinaus geführt.

Der UNIFIL-Auftrag ist in der UN-Resolution 1701 definiert, die den 34-Tage-Krieg zwischen Israel und Libanon im Sommer 2006 beendete. Aufgabe der Mission ist einerseits, Waffenlieferungen an die Hisbollah zu verhindern, die von Israel und seinen westlichen Verbündeten als »terroristische Organisation« bezeichnet wird. Andererseits soll UNIFIL den Schutz der libanesischen Bevölkerung vor israelischen Angriffen sicherstellen. Dafür koordiniert sich das UNIFIL-Kommando mit libanesischen und israelischen Militärs. Die Zusammenarbeit mit der libanesischen Armee soll den Libanon perspektivisch in die Lage versetzen, selber Kontrolle und Schutz an seiner südlichen Grenze zu gewährleisten. Der gesamte Südlibanon bis zum Litani-Fluß soll frei von Waffen (der Hisbollah) sein.

Das Mißtrauen der Südlibanesen richtet sich vor allem gegen das französische Kontingent der UNIFIL-Truppen, das im strategisch wichtigen Zentralgebiet direkt am Litani stationiert ist. Anders als die anderen Einheiten hatten französische UNIFIL-Soldaten offenbar innerhalb von Ortschaften ihre militärischen Übungen veranstaltet, was viele Einwohner als Provokation empfanden. Vertreter der Hisbollah warfen den französischen UNIFIL-Truppen vor, ihr Mandat überschritten zu haben, woraufhin zwischen den politischen Parteien im Libanon und mit Frankreich heftige Debatten entbrannten. Während die Regierungsspitze in Beirut mehrfach betonte, man sei mit der UNIFIL-Mission einverstanden, deren Aufgabe es sei, den Libanon zu schützen, nahm der französische Außenminister Bernard Kouchner die Vorfälle zum Anlaß, ein robusteres, von der Libanesischen Armee unabhängigeres Mandat für UNIFIL zu fordern. Frankreich will einen entsprechenden Antrag beim UN-Sicherheitsrat einbringen; die ebenfalls von Frankreich beantragte Sondersitzung ist für den 14. Juli geplant.

Der israelische Armeechef Gabi Ashkenazi nahm die Spannungen im Nachbarland zum Anlaß, eine Eskalation des Konflikts zwischen Hisbollah und UNIFIL für September vorauszusagen. Um die Aufrüstung von Hisbollah zu beweisen und damit den Bruch der UN-Resolution 1701, legte die Armee zudem am Mittwoch neues Geheimdienstmaterial vor, daß angebliche Waffenlager der Hisbollah in mehr als 100 Dörfern im Südlibanon zeigen soll. Israel, das die UN-Resolution 1701 täglich durch illegale Überflüge des Libanon mißachtet, will damit die Uneffektivität der bisherigen UNIFIL-Mission nachweisen. Im Libanon rechnet man jederzeit mit der Möglichkeit eines neuen Krieges. Ashkenazi drohte zudem offen damit, libanesische Hilfsschiffe für den Gazastreifen anzugreifen und sagte, die Armee werde »offen oder verdeckt« verhindern, daß die Schiffe auslaufen könnten.

* Aus: junge Welt, 10. Juli 2010


Zurück zur Libanon-Seite

Zur Israel-Seite

Zurück zur Homepage