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Libanons gestörte Balance

Palästinensischer Machtkampf überträgt sich auf Flüchtlingslager

Von Karin Leukefeld *

Der Bombenanschlag vom Montag in einer palästinensischen Flüchtlingssiedlung in Südlibanon hat den labilen Frieden im Lande wieder in Gefahr gebracht.

Kamal Medhat (51), der stellvertretende PLO-Chef in Libanon, war durch die Explosion einer ferngezündeten Bombe getötet worden, als er das Flüchtlingslager Mieh Mieh, südlich von Sidon, verließ. Mit ihm starben drei weitere Personen. Kurz vor Medhat hatte PLO-Repräsentant Ahmed Zeki das Lager verlassen.

Beide PLO-Vertreter hatten in Mieh Mieh die Angehörigen eines Fatah-Funktionärs besucht, der bei einem Streit verschiedener Familienclans getötet worden war. Der Anschlag auf Medhat solle die Verständigung unter den Palästinensern in den Lagern zerstören, sagte Osama Hamdan, der Hamas-Vertreter in Libanon. PLO-Vertreter Zeki geht davon aus, dass die »Hintermänner der Mörder so oder so für Israel« arbeiten.

Mieh Mieh ist eines von zwölf palästinensischen Flüchtlingslagern in Libanon, in denen rund 400 000 Menschen auf engstem Raum leben. Die »Sicherheit-Zuerst-Politik« der libanesischen Regierung hätte zu massiver Diskriminierung der Flüchtlinge geführt, heißt es in einem kürzlich erschienen Bericht der Internationalen Krisengruppe (ISG). Das fördere die Instabilität der palästinensischen Gemeinschaft, die Lager seien wie »Zeitbomben«.

Der palästinensische Machtkampf verstärkt die Spannungen in den Lagern, die gemäß einer Vereinbarung zwischen der PLO und dem libanesischen Staat ausschließlich von den Palästinensern verwaltet werden. In Lagerkomitees arbeiten die Fraktionen zusammen, dennoch unterhält fast jede Organisation eigene bewaffnete Einheiten. Die Lager seien ein »Sicherheitsrisiko«, so die Analyse der ISG. »Gefüllt mit Hunderttausenden marginalisierter und schwer bewaffneter Palästinenser, denen die grundlegenden politischen Rechte vorenthalten werden«, seien die Lager gefährlich. Die Sicherheitslage und die Waffen innerhalb der Lager müssten von einer libanesisch-palästinensischen Sondereinheit kontrolliert werden.

Ein »Ende der Rechtlosigkeit« fordert auch Sari Hanafi, Professor für Soziologie an der Amerikanischen Universität in Beirut. Arbeitslosigkeit und mangelnde Perspektiven förderten und Aggressionen. Anders als in Syrien oder Jordanien, wo es für palästinensische Flüchtlinge eine Art »Drehtür« in den Lagern gebe, so dass sie frei ein- und ausgehen könnten, seien die Palästinenser im Libanon eingesperrt. Die Forderung nach »Einbürgerung« sei jedoch ein sensibles Thema, gibt Hanafi zu.

* Aus: Neues Deutschland, 25. März 2009


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