Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Wenig Chancen für General Suleiman

Auch 14. Versuch der Wahl eines libanesischen Präsidenten musste verschoben werden

Von Karin Leukefeld *

Wieder einmal sollte in Libanon ein neuer Präsidenten gewählt werden. Aber der für heute angesetzte 14. Versuch wurde erneut verschoben, diesmal auf den 26. Februar.

Erneut bemüht sich der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa, die verfeindeten politischen Lager zu einer Einigung zu bewegen. Grundlage ist weiterhin der Drei-Punkte-Plan der Arabischen Liga, der vorsieht, Armeechef General Michel Suleiman zum Konsenspräsidenten zu wählen, eine Regierung der Nationalen Einheit zu bilden und ein neues Wahlrecht auszuarbeiten.

Sowohl das westlich ausgerichtete Regierungslager um Ministerpräsident Fuad Siniora als auch die Opposition begrüßen zwar diese Initiative, in Detailfragen gehen die Meinungen aber weit auseinander. Umstritten ist insbesondere die Zusammenstellung einer neuen Regierung. Die Opposition fordert für sich 13 Posten und damit eine Art Sperrminorität, was die Siniora-Gefolgschaft kategorisch ablehnt.

Seit dem Rücktritt von Präsident Emile Lahoud Ende November wurde die Wahl eines neuen Präsidenten nun schon 14 Mal verschoben. Kaum war der Termin für diesen Montag angesetzt, erklärte Ex-Präsident Amin Gemayel von der Phalange-Partei dass er davon ausgehe, dass wieder nichts daraus werde. Die Bedingungen seien »nicht reif«, meinte er.

Derweil bekräftigten die Oppositionsführer, Hassan Nasrallah (Hisbollah) und Michel Aoun (Freie Patriotische Bewegung, FPM), in einem Fernsehinterview ihr vor zwei Jahren geschlossenes Bündnis. Beide betonten, die Allianz der mehrheitlich von Schiiten unterstützten Hisbollah und der dem christlichen Lager zugehörigen FPM habe Libanon vor dem Ausbruch eines Bürgerkrieges gerettet. Man werde die Forderung nach einer Sperrminorität in der neuen Regierung nicht aufgeben, bekräftigte Aoun.

Politische Beobachter halten die Vermittlungsversuche der Arabischen Liga für nutzlos, und Amr Moussa selbst ist recht einsilbig geworden. Er sei wieder in Beirut, um die arabische Initiative zu diskutieren, erklärte er auf Fragen der Presse. »Das ist alles.«

Seit seinem letzten Besuch Anfang Januar hat sich die Lage im Zedernstaat weiter verschärft. Ursache ist der dramatische Ausgang einer Demonstration gegen Strommangel, bei der acht Menschen ums Leben kamen. Während ein Funktionär der oppositionellen Amal-Bewegung hinterrücks von Unbekannten erschossen worden war, starben die anderen sieben Demonstranten durch Kugeln der libanesischen Streitkräfte. Nach ersten Untersuchungen wurden 17 Personen verhaftet, darunter elf Militärs.

Das politische Klima habe sich seitdem erheblich verschlechtert, erklärte der pensionierte General Elias Hanna gegenüber der libanesischen Zeitung »Daily Star«. Jede Fraktion nutze die Ereignisse zu eigenen Zwecken. Dies schwäche nicht nur die Armee, sondern auch General Michel Suleiman. »Seine Kandidatur hat sich vermutlich erledigt«, so Elias Hanna. Angriffe mit Schusswaffen und Handgranaten auf Posten der Streitkräfte seien vor wenigen Monaten noch undenkbar gewesen. Die von unbekannter Seite geschürte Destabilisierung der Armee habe mit der Ermordung von General François Hajj im Dezember begonnen.

Michel Suleiman werde als Konsenskandidat demontiert, lautet die Analyse von Elias Hanna. Viele Parteien wollten ihn nicht, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, so Hanna. An einem Punkt stimmten aber alle überein: Man will keine Präsidentschaftswahlen.

Amal Saad-Ghorayeb, die Autorin eines Standardwerks über die Hisbollah, ist der Ansicht, dass beide Fraktionen von dem Stillstand profitierten. Während das Regierungslager sich der westlichen Unterstützung gewiss sein könne, schlage die Opposition aus ihrer Macht, die Regierung zu blockieren, Gewinn. Diese Pattsituation könne noch bis zu den allgemeinen Wahlen 2009 dauern, vermutet Saad-Ghorayeb. Es sei denn, die eigentlichen Konfliktpartner in der Region, die USA und Iran, würden sich vorher doch noch einigen.

Für die Internationale Krisengruppe (ICG) liegt die Gemengelage in Libanon auf gleicher Ebene wie die Konflikte in Tschad, Kenia und Somalia. Der frühere Ministerpräsident Salim Hoss rief in einer »Erklärung an die Libanesen« zur Wachsamkeit auf. und prangerte Arbeitslosigkeit, Preissteigerungen und Unsicherheit an. Die Lebensbedingungen würden immer schlechter und trieben die Jugend aus dem Land, warnte Hoss.

* Aus: Neues Deutschland, 11. Februar 2008


Zurück zur Libanon-Seite

Zurück zur Homepage