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Arabische Liga machtlos, "Internationale Gemeinschaft" desinteressiert

Der israelische Überfall auf Libanon schürt Hass und Gewalt

Von Karin Leukefeld

Der Hilferuf des libanesischen Präsidenten Emile Lahoud an die Arabische Liga blieb ungehört. Der Libanon werde von Israel systematisch zerstört, schrieb er in einer Botschaft an das Krisentreffen der Mitgliedsstaaten am vergangenen Samstag in Kairo, er hoffe auf eine „rasche und wirksame arabische Reaktion“. Doch die erhoffte Reaktion blieb aus. In einer Abschlusserklärung wurde lediglich die „brutale Aggression“ Israels gegen Libanon verurteilt, sie verletzte das Völkerrecht. Außerdem trage Israel die „Verantwortung, für alle Verluste und Zerstörungen“ die durch den Überfall Israels auf Libanon verursacht würden. In der gleichen Erklärung wurde auch der Angriff Israels auf den Gazastreifen verurteilt. Israel begehe „Kriegsverbrechen“ und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“

Jordanien und Ägypten, die als einzige arabische Staaten mit Israel offizielle diplomatische Beziehungen haben und seit Jahrzehnten enge Bündnispartner der US-Administration sind – kritisierten zusätzlich zur gemeinsamen Erklärung die Hisbollah. Sie hätten mit der Entführung der zwei israelischen Soldaten den Angriff Israels provoziert und damit arabische Interessen verletzt. Schon vor dem Gipfeltreffen hatte ein saudischer Regierungsvertreter die Aktion der Hisbollah als „illegitim“ bezeichnet. Man müsse klar zwischen „legitimem Widerstand gegen Israel und unkalkulierbarem Abenteurertum unterscheiden“, zitierte die saudische Nachrichtenagentur den ungenannten Regierungsvertreter. Diese „Elemente“ trügen allein die Verantwortung und „die Last, diese Krise zu beenden“.

Amr Musa, Generalsekretär der Arabischen Liga, äußerte sich denn auch pessimistisch. "Fragen Sie mich nicht nach einer Lösung", meinte er zu Journalisten. "Der Friedensprozess im Mittleren Osten ist tot", jetzt sei der UN-Sicherheitsrat gefordert.

Dort aber war zuvor schon eine Initiative des Golfstaates Katar, derzeit einziger arabischer Staat als nicht ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat, kurzerhand abgelehnt worden. Kurz nach dem israelischen Überfall auf Libanon hatte Katar in einer nicht öffentlichen Sitzung des Gremiums, den Entwurf für eine Presseerklärung vorgelegt. Im Zentrum standen die Forderungen nach einem sofortigen Waffenstillstand, Einstellung der Luftangriffe und der Schutz der Zivilbevölkerung. Die Initiative wurde sowohl von den USA als auch von Großbritannien abgelehnt. Nouhad Mahmoud, der libanesische Sonderbotschafter bei der UN, kritisierte die Unfähigkeit des UN-Gremiums, sich noch nicht einmal auf eine Presseerklärung einigen zu können. So eine Haltung sende „völlig falsche Signale nicht nur an die Libanesen, sondern an alle arabischen Völker.“ Es zeige, dass „alle kleinen Nationen der Macht Israels schutzlos ausgeliefert sind. Niemand unternimmt etwas.“

In der syrischen Hauptstadt Damaskus gingen am Montag Hunderttausende auf die Straße, um gegen den israelischen Überfall auf den Nachbarstaat zu protestieren. Hassan Nasrallah, Generalsekretär der Hisbollah, wurde von vielen umjubelt. Er sei „ein Symbol des Widerstandes und der arabische Würde“, sagte eine Teilnehmerin, die 20jährige Studentin Diala Fares. Die syrische Regierung hat derweil ihre Grenze, Flughäfen und Häfen für Flüchtlinge aus Libanon geöffnet, die Einreisebestimmungen für Libanesen wurden erleichtert. Das Gesundheitsministerium hat zusammen mit der Syrischen Roten Halbmond Gesellschaft eine Blutspendekampagne für Libanon gestartet. Gleichwohl gibt es Befürchtungen, dass Israel seine Luftangriffe auch auf Syrien ausdehnen könnte. Die heftigen Luftangriffe auf Libanon werden von nicht weniger massiven israelischen Verbalattacken gegen Damaskus und Teheran begleitet.

In Teheran hat sich indes Vizepräsident Parviz Davoudi dafür ausgesprochen, „das zionistische Regime zu isolieren.“ Iran werde weiterhin den „tapferen Widerstand der Hisbollah im Libanon und der unterdrückten Palästinenser gegen die Greueltaten Israels“ unterstützen. Zuvor hatte bereits der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad Israel davor gewarnt, seine Militäroffensive auf Syrien auszuweiten. Sollte das geschehen, werde das als Angriff auf die islamische Welt verstanden. Die, so Ahmadinedschad, müsse eine Front gegen Israel bilden, „besonders hinsichtlich Libanon und Palästina.“

Turhan Cömez, ein führender Politiker der regierenden AKP-Partei in der Türkei, äußerte sich derweil in einem Sonderbericht für die türkische Regierung besorgt. Die aktuelle Krise in der Region stärke den islamischen Terrorismus und schwäche die Wirtschaft, weil der Ölpreis ständig ansteige.

Wenn auch die arabischen Staaten sich zurückhaltend äußern, in Zeitungskommentaren der arabischen Presse wird deutliche Kritik an der westlichen Welt geübt. Sie sei nicht in der Lage, Israel für sein Vorgehen zu verurteilen. In der libanesischen Tageszeitung Daily Star heißt es im Editorial, der (israelische) „Überfall auf Libanon verhöhne die Genfer Konvention“, die als Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg seit 1949 den Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegszeiten regeln sollte. Viele Kommentatoren und Analysten sind sich einig, dass das Vorgehen Israels nicht nur islamistische Terrorgruppen, sondern auch die Hisbollah stärken werde. Besonders scharf wird US-Präsident George W. Bush in den Medien kritisiert. In der Tageszeitung Al Hayat ist man sich sicher, dass Israel nicht ohne Zustimmung der USA den Angriff auf Libanon gestartet habe. Mit Blick auf Irak und Palästina heißt es weiter: „Es ist nicht das erste Mal, das die US-Administration ungeachtet der Konsequenzen handelt, die die Situation weiter verkomplizieren.“ Monatelang habe Bush scheinbar die Souveränität Libanons (gegen Syrien) verteidigt, jetzt „unterstützt er die blutige Aggression Israels gegen die Unabhängigkeit und Souveränität Libanons.“ Diese bittere Ironie stachele „den Hass der Araber gegen die US-Politik nach zweierlei Maß zu handeln weiter an, nicht nur im Libanon, sondern in der ganzen Region.“

Ebenfalls in Al Hayat wird auch die Arabische Liga für ihre Untätigkeit kritisiert. Sie sei diplomatisch und politisch schwach, militärische Kraft sei ohnehin nicht vorhanden. Den Friedensprozess im Mittleren Osten als „gescheitert“ zu erklären, während die Libanesen mit Raketen und Bomben überschüttet werden, sei ein falsches Zeichen. Mit Blick auf den G 8-Gipfel in St. Petersburg kritisiert der Kommentator, dass „die G 8-Staaten (sich) nicht im Geringsten von der Katastrophe, die das libanesische Volk getroffen hat, berührt zeigten.“ Dieser Krieg Israels werde mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft geführt. Die Zerstörung ziviler Infrastruktur, das Morden der Zivilbevölkerung, Hubschrauberangriffe auf Flüchtlingskonvois – das alles sei nicht Terrorismus, sondern „das Recht Israels, sich selbst zu verteidigen“, wie der amerikanische Präsident sage. Auf diese internationale Gemeinschaft brauche man keine Hoffnungen zu setzen, sie habe „jeden Anschein von Gewissen und Verständnis für Menschlichkeit und Gerechtigkeit verloren.“


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