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Nasrallah auf Konfrontationskurs

Hisbollah-Chef sieht sich als Kriegsgewinner in Libanon und droht Merkel

Von Karin Leukefeld *

Der seit Monaten erste öffentliche Auftritt des Chefs der libanesischen Hisbollah-Miliz, Scheich Hassan Nasrallah, hat ein geteiltes Echo hervorgerufen.

Die Weltgemeinschaft dürfe es nicht zulassen, dass der »von Iran finanzierte Extremist in das Gesicht der organisierten Gemeinschaft der Vereinten Nationen spuckt«. Der israelische Regierungssprecher Mark Regev reagierte mit drastischen Worten auf den Auftritt des libanesischen Hisbollah-Führers, Scheich Hassan Nasrallah, auf einer Massenkundgebung der Organisation am vergangenen Freitag.

In Beirut fand die Feier ein geteiltes Echo. »Was für ein Sieg soll das sein?«, fragte Rania Deeb aus dem Stadtteils Furn al-Schubbak, wo traditionell viele Christen leben. »Mehr als tausend Libanesen wurden getötet, Tausende haben ihre Wohnungen und Häuser verloren, und jeder, den ich kenne, hat finanzielle Probleme.« Salim Hajj aus Hamra, einem religiös gemischten Viertel in Beirut, hatte die Kundgebung im Fernsehen verfolgt. »Das war doch wie ein Wunder, was die Hisbollah geschafft hat, nur ein Idiot kann sagen, sie hätten nicht gewonnen.«

»Wir feiern einen großartigen, göttlichen, historischen und strategischen Sieg«, rief Nasrallah Hunderttausenden Anhängern zu, die aus dem ganzen Land gekommen waren und ihn stürmisch feierten. Der Kundgebungsplatz war in ein Meer von Fahnen getaucht. »Der Widerstand ist heute stärker als je zuvor«, erklärte Nasrallah, seine Organisation habe noch immer mehr als 20 000 Raketen.

Nasrallah warnte Bundeskanzlerin Angela Merkel: »Sie sagt, ihr Ziel sei es, Israel zu schützen. Aber ich sage ihr, selbst wenn sie die See, den Luftraum und das Land überwachen, unsere Bewegung wird dadurch nicht geschwächt.«

Äußerungen deutscher Politiker, Ziel des Marineeinsatzes vor Libanons Küste sei eine »historische Aufgabe zum Schutz Israels«, sind in Libanon auch jenseits der Hisbollah auf breite Kritik gestoßen. Die Waffen seien kein Selbstzweck, so Nasrallah. Man werde die Waffen erst dann niederlegen, wenn Israel keine Bedrohung mehr sei und die Regierung in Beirut stark genug sei, das Land zu verteidigen. Man müsse einen »starken und gerechten Staat errichten, der in der Lage ist, die Nation und ihre Bürger zu schützen.« Unter einer Regierung der »nationalen Einheit« werde man »leicht eine würdige Lösung für den Widerstand und seine Waffen finden.«

Nach UNO-Verständnis und -Auftrag ist die Entwaffnung der Hisbollah nicht Aufgabe der Friedenstruppe UNIFIL II, sondern der libanesischen Regierung und ihrer Armee. Beirut hat bereits in Erwägung gezogen, Einheiten der Hisbollah in die libanesische Armee zu integrieren, wie der libanesische Verteidigungsminister Elias Murr in einem Interview der französischen Zeitung »Le Monde« sagte. Er glaube Nasrallah, dass die Waffen zum Schutz Libanons und nicht für iranische Interessen eingesetzt würden.

* Aus: Neues Deutschland, 25. September 2006


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