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Nasrallah warnt vor Krieg

Hisbollah-Chef fordert vom Westen Einigung mit Iran

Von Karin Leukefeld, Beirut *

Anläßlich des schiitisch-muslimischen Feiertages Aschura hat der Generalsekretär der libanesischen Hisbollah, Hassan Nasrallah, am Donnerstag vor Hunderttausenden Anhängern im Süden der libanesischen Hauptstadt vor dem Scheitern einer Vereinbarung des Westens mit dem Iran über dessen Atomprogramm gewarnt. Israel und einige arabische Staaten versuchten, ein Abkommen zu verhindern, sagte Nasrallah. Es sei »bedauerlich, daß einige arabische Staaten sich auf die Seite Israels« stellten. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu agiere wie »der Sprecher« dieser Staaten, die Nasrallah namentlich nicht benannte. Sollte eine Vereinbarung scheitern, drohe der Region Krieg. Nasrallah bezog sich damit auf die zuletzt hochrangig in Genf geführten Gespräche zwischen den Außenministern der fünf Vetomächte im UN-Sicherheitsrat sowie Deutschlands und dem Iran. Teheran ist offenbar zu weitgehenden Zugeständnissen bereit, fordert allerdings vom Westen die Lockerung der schweren Sanktionen, die in den letzten zehn Jahren zu erheblicher Arbeitslosigkeit und Armut im Iran geführt haben.

Frankreich hatte bei den Verhandlungen in letzter Minute eine Vereinbarung verhindert, was politische Beobachter in der Region als einen Freundschaftsdienst sowohl für Israel als auch gegenüber Saudi-Arabien interpretieren. Diejenigen, die eine politische Lösung im Atomstreit mit dem Iran verweigerten, seien auch »diejenigen, die das Blutvergießen und die Zerstörung in Syrien durch die Lieferungen von Waffen und Kämpfern anheizten. Die Hisbollah stehe eindeutig auf der Seite Syriens und des Iran«, so Nasrallah.

Der Hisbollah-Führer bestätigte erneut die Anwesenheit von Kämpfern der Hisbollah in Syrien. Sie seien dort, »um Syrien zu verteidigen«, sagte er. Ihre Anwesenheit in Syrien sei »gerechtfertigt«.

Nasrallah lehnet es ab, die »Existenz Syriens für eine Handvoll Ministerien« in der libanesischen Regierung aufs Spiel zu setzen. »Wer unseren Rückzug aus Syrien zur Bedingung für die Bildung einer Regierung in Libanon macht, weiß, daß dies für uns unanmehmbar ist«. Nasrallah wiederholte die Forderung nach einer partizipativen Regierung im Libanon, die unter der Formel 9:9:6 schiitische und sunnitische Muslime sowie Christen einbezieht.

Die Anwesenheit der Hisbollah in Syrien wird von der Bewegung 14. März im Libanon scharf kritisiert. Deren Führer, Saad Hariri, erklärte in einer Stellungnahme, seine Bewegung werde »mit der Hisbollah keine Regierung bilden, solange sie sich am Krieg gegen das syrische Volk« beteilige. Hariri lebt seit zwei Jahren außerhalb Libanons in Saudi-Arabien und Frankreich.

Die libanesische Regierung war vor sieben Monaten über das Engagement der Hisbollah im Kampf um die Grenzstadt Qusair zerbrochen, ist aber weiterhin geschäftsführend im Amt. In Qusair hatte die Hisbollah erstmals offiziell die syrischen Streitkräfte gegen die dort agierenden bewaffneten Gruppen unterstützt. Bei der Befreiung der Stadt waren mehr als 100 Hisbollah-Kämpfer getötet worden.

In Syrien mußten sich die Aufständischen unter dem massiven Druck der Streitkräfte am Mittwoch aus Hujaira, einer weiteren Stellung im Süden der syrischen Hauptstadt, zurückziehen. Damit hat sich der Belagerungsring der Armee um das palästinensische Flüchtlingslager Yarmuk/Muhayam weiter verengt, das im Dezember 2012 von bewaffneten Gruppen im eingenommen worden war. Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) hatte Anfang der Woche Unterhändler nach Damaskus entsandt, um den Rückzug der Rebellen aus Yarmuk zu verhandeln. Am Dienstag war verschiedenen Berichten zufolge eine Einigung erreicht worden, erstmals seit Monaten erreichte eine Hilfslieferung des Welternährungsprogramms (WFP) die im Lager eingeschlossenen Menschen. Unbestätigten Berichten zufolge sollen noch am gleichen Tag Kämpfe in dem Lager ausgebrochen sein.

* Aus: junge welt, Freitag, 15. November 2013


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