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Daimler belieferte Gaddafi noch 2010 mit Rüstungsgütern

Aktuelle Aufnahmen zeigen Einsatz gegen Aufständische


Presseinformation REPORT MAINZ *

Die Daimler AG lieferte bis vor kurzem Rüstungsgüter an das libysche Regime. Das berichtet das ARD Politikmagazin REPORT MAINZ (Montag, 9. Mai, 21:45 Uhr im ERSTEN).

In den Jahren 2009 und 2010 verkaufte Daimler an Machthaber Gaddafi 25 Sattelzugmaschinen des Typs 4850 AK im Wert von 7,5 Millionen Euro, wie das Unternehmen auf Nachfrage dem ARD-Magazin bestätigte. Hergestellt wurden die Militärlaster im Werk Wörth. Aktuelle Videoaufnahmen zeigen die Sattelzugmaschinen beim Transport von Panzern im Einsatz gegen Aufständische. Niels Dubrow, vom Berliner Informationsbüro für Transatlantische Sicherheit (BITS) erklärte in REPORT MAINZ: „Diese Transporter sind für den Einsatz dieser Panzer gerade in Libyen absolut unabdingbar. Gerade große, raumgreifende Operationen sind ohne sie einfach nicht möglich.“

Die Lieferungen an Libyen wurden nach Angaben vom Bundesausfuhramt (BAFA) im August 2009 als Export von „Rüstungsgütern“ genehmigt. Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), die bis 2009 als Bundesentwicklungshilfeministerin elf Jahre lang an den Genehmigungsverfahren für die Exporte von Kriegswaffen- und Rüstungsgütern beteiligt war, verurteilte die Genehmigung: „Diese Lieferungen widersprechen den politischen Grundsätzen der Bundesrepublik Deutschland für den Rüstungs- und Waffenexport. In Länder, die mit diesen Lieferungen Menschenrechtsverletzungen begehen, dürfen solche Rüstungsgüter nicht geliefert werden.“

Daimler räumte REPORT MAINZ gegenüber weitere aktuelle Rüstungslieferungen an Diktaturen ein. Alleine in 2010 lieferte der Konzern 143 genehmigungspflichtige militärische Fahrgestelle an Ägypten. Die Genehmigung dazu erteilte das BAFA im Januar, März und Oktober 2010. An Saudi-Arabien verkaufte Daimler in 2010 drei Militär-LKW, an Algerien 58 Militär-Laster im selben Jahr.

Mathias John von Amnesty International kritisierte: „Die Bundesregierung und auch die Produzenten solcher Technologie bräuchten nur einen Blick in die Menschenrechtsberichte von Amnesty International oder auch von Human Rights Watch zu werfen, um zu sehen, wie katastrophal die Menschenrechtssituation in den Empfängerländern ist. Es kann sich niemand darauf zurückziehen, er hätte das nicht gewusst.“

Auf Nachfrage von REPORT MAINZ bestätigte Daimler zudem die Lieferung von 223 Militärfahrzeugen an die Armee Jemens bis 2009.

In der Vergangenheit hatte Daimler auch nach Nordkorea Rüstungsgüter exportiert.

Als Mitglied im Verteidigungsausschuss erklärte Katja Keul (B’90 / Grüne) das BAFA hätte die Exportanträge „nicht genehmigen sollen“. Weiter kritisierte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag den Vorrang der Betriebsgeheimnisse vor der Transparenz im Genehmigungsverfahren des BAFA: „Das empört mich zutiefst und ich setze mich auch im Rahmen meiner Tätigkeit im Verteidigungsausschuss wirklich dafür ein, dass wir (...) andere Verfahren finden, denn solange diese Genehmigungspraxis im Geheimen stattfindet ohne öffentliche und ohne Parlamentarische Kontrolle wird sich letztlich daran nichts ändern.“

Daimler wollte sich nicht dazu äußern, ob die Lieferungen ein Fehler waren und ob der Konzern auch in Zukunft Diktaturen mit Militärfahrzeugen beliefern werde. Auf seiner Homepage wirbt das Unternehmen: „Daimler setzt sich für die Einhaltung der Menschenrechte ein.“

Der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte Markus Löning (FDP) und Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) wollten REPORT MAINZ gegenüber keine Stellungnahme zu den Genehmigungen der Rüstungsexporte von Daimler abgeben.

* Quelle: Presseinformation REPORT MAINZ, Montag, 09.05.2011; www.swr.de

Dokumentiert: Der Briefwechsel REPORT-Daimler

1. Anfrage an die Daimler AG

Sehr geehrter Herr Howe,

aktuell beschäftige ich mich mit dem Papier "Daimler AG: Militärische Nutzfahrzeuge" der Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD) vom März 2011 (siehe Anhang).

Dazu bitte ich Sie dringend um ein Interview in dieser Woche. Zur Vorbereitung eines Interviews bitte ich Sie, mir folgende Fragen vorab schriftlich zu beantworten:
  1. Enthält das Papier "Daimler AG: Militärische Nutzfahrzeuge" sachliche Fehler? Wenn ja welche?
  2. Wird Daimler auch in Zukunft Militärfahrzeuge an Diktaturen liefern?
  3. Wie vereinbart Daimler solche Exporte mit seiner Geschäftsethik?
  4. Welche Staaten außerhalb von NATO und EU beliefert Daimler 2011 mit militärischen Nutzfahrzeugen? In welchem Umfang?
Ich würde mich freuen, wenn Sie mir Ihre schriftliche Stellungnahme mit den Antworten zu den drei Vorbereitungsfragen möglichst schnell, spätestens aber bis Ende der Woche schicken könnten.
Für alle Rückfragen und eine Terminvereinbarung für ein Interview erreichen Sie mich am besten mobil unter 0172 / XXX.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Reutter
REPORT MAINZ


Antwort von Daimler

Sehr geehrter Herr Reutter,

zu Ihrer Anfrage in Bezug auf die Studie der Kritischen AktionärInnen Daimler (KAD) vom März 2011 können wir wie folgt Stellung nehmen:

Die Zahlen für Daimler Trucks auf der Seite 1 und 2 der Anlage sind aus dem Daimler Geschäftsbericht.

Aus Seite 2 muss es in der Tabellenüberschrift "Absatz" anstelle von „Umsatz“ heißen. Im Jahr 2010 wird in der Tabelle eine falsche Absatzzahl für Japan genannt. Anstelle von 55 muss es 25 heißen. Der Veränderungsprozentsatz ist richtig.

Die ordnungsgemäße und gesetzeskonforme Ausfuhr von Produkten ist für Daimler schon immer ein Grundprinzip verantwortlichen unternehmerischen Handelns. Die Daimler AG hat dazu einen effizienten und extern überprüften Exportkontrollmechanismus aufgebaut.

Die Daimler AG baut auch mitlitärische Nutzfahrzeuge, aber keine bewaffneten. Eine mögliche Schutzausführung dient dem Schutz der Insassen und ist per se nicht aggressiv oder offensiv.

Wir halten uns generell an die strengen gesetzlichen Restriktionen für Militärlieferungen.
Wir stützen uns insbesondere auf die Einschätzung der Bundesregierung zur politischen Situation in den jeweiligen Ländern. Erst wenn hierzu positive Antworten vorliegen, werden Exportgenehmigungen beantragt.

Darüber hinaus haben wir für Regierungs- und Regierungsnahe Geschäfte Prozesse eingeführt, die eine eigene kritische Überprüfung vorsehen. Diese beinhaltet im Einzelfall auch den Verzicht auf Geschäfte, die durchaus rechtskonform abzuwickeln wären.

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass es gänzlich außerhalb unserer Kontrolle und Verantwortung ist, welche Verkäufe insbesondere gebrauchter Fahrzeuge über Dritte getätigt werden oder welche Aufbauten über Dritte auf Mercedes-Benz Lkw Chassis montiert werden.

Zu den in der Studie namentlich genannten Ländern:

Wir bestätigen unsere bisherigen Aussagen zum Iran: Den Geschäftsverkehr mit dem Iran haben wir vollständig ausgesetzt und unser Büro in Teheran Ende März geschlossen. Es gab schon lange keine Belieferung des Militärs mehr sowie seit 2004 auch im Zivilgeschäft keine Verkäufe von Allradfahrzeugen. Seit April 2008 wurden auch keine zivilen LKW mit mehr als 2 Achsen in den Iran geliefert.

Von der Daimler AG wurden keine militärischen Fahrzeuge an Georgien geliefert, weder direkt noch indirekt. Vielmehr haben wir ausdrücklich Lieferanfragen zurückgewiesen, bei denen wir die Vermutung hatten, dass die Fahrzeuge in diesem Krisengebiet eingesetzt werden sollten.

Der Lizenzvertrag über schwere Lkw mit dem chinesischen Staatskonzern NORICON wurde 1988 abgeschlossen und lief 1998 aus. Die Lizenz beschränkte sich auf schwere Lkw ohne militärische Ausstattungen, wie sie im Baustellenbetrieb eingesetzt werden. Wir haben keinerlei Einfluss auf die Geschäftsaktivitäten von NORINCO.

Das lange bestehende EU-und UN-Embargo gegen Libyen wurde in 2004 aufgehoben. In 2009 war Libyen Persona Grata. Selbstverständlich halten wir uns an alle inzwischen geltenden Exportbeschränkungen nach Libyen

Zu Ihren Zusatzfragen:

Wir haben an Libyen in 2009 und 2010 insgesamt 25 Sattelzugmaschinen des Typs 4850 AK geliefert. Die dazu nötige Genehmigung wurde vom Bundesausfuhramt im August 2009 erteilt.

Wir haben in 2010 an Ägypten insgesamt 143 genehmigungspflichtige Fahrgestelle geliefert. Die Genehmigungen dazu wurden im Januar, März und Oktober 2010 vom Bundesausfuhramt erteilt.

Wir haben in 2010 an Algerien insgesamt 58 Militär-Lkw geliefert. Die dazu notwendigen Genehmigungen wurden im Februar, Juni und September 2010 vom Bundesausfuhramt erteilt.

Wir haben in 2010 an Saudi-Arabien insgesamt 3 Militär-Lkw geliefert. Die dazu notwendigen Genehmigungen wurden im Juni und August 2010 vom Bundesausfuhramt erteilt.

Wegen des footage Materials wird Michael Huh auf Sie zukommen. Wie gesagt, können wir Ihnen kein Interview anbieten.

Best regards / Freundliche Gruesse
Ute Wueest von Vellberg
Daimler AG


2. Anfrage an Daimler

Sehr geehrte Frau Wüest von Vellberg,

vielen Dank für Ihre heutige email mit den ersten Antworten! Erlauben Sie mir dazu bitte drei Nachfragen:
  1. Waren die von Ihnen angeführten Lieferungen nach Libyen, Algerien, Saudi Arabien und Ägypten aus heutiger Sicht ein Fehler? Falls ja: Welche Konsequenzen zieht Daimler aus diesem Fehler? – Falls nein: Würde Daimler unter gleichen Bedingungen auch heute wieder solche Geschäfte abschließen?
  2. Sollte Daimler in Zukunft im Sinne von Integrität und Unternehmensethik, insbesondere mit Blick auf den Global Compact auf solche Geschäfte lieber verzichten?
  3. Waren diese Exporte vom BAFA tatsächlich - wie Herr Uebber bei der HV bekanntgab - nicht nur nach dem Außenwirtschaftsgesetz sondern auch nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz genehmigt worden?
Ich würde mich freuen, wenn Sie mir auch diese Antworten noch vor dem Wochenende schicken könnten.

Thomas Reutter
REPORT MAINZ


Antwort von Daimler

Sehr geehrter Herr Reutter,

wie bereits gesagt halten wir uns bei allen Entscheidungen an nationale und internationale Gesetze. Ebenso ist der Global Compact eine wesentliche Leitplanke für unsere operative Tätigkeit. Seine 10 Prinzipien bilden ein Grundgerüst für die genannten internen Entscheidungsprozesse. Jeder Einzelfall wird unter Beachtung der jeweiligen Umstände gesondert geprüft entlang der bereits erwähnten Prozesse und Prinzipien. Sowohl die Gesetzeslage als auch allgemeine Umstände und Erkenntnisse ändern sich mit der Zeit und damit gegebenenfalls auch Entscheidungen. Die in Frage stehenden Exporte waren keine Kriegswaffen, sondern

Rüstungsgüter und haben deshalb keiner Genehmigung nach dem KWKG bedurft.

Mit freundlichen Grüßen / Kind regards
Ute Wüest von Vellberg


3. Anfrage an Daimler

Sehr geehrte Frau Wüest von Vellberg,

vielen Dank für Ihre email! Bitte schicken Sie mir rechtzeitig die noch ausstehenden Antworten. Zusätzlich bitte ich Sie noch um Angaben zu den Daimler-Rüstungsexporten nach:
Syrien, Jemen, Nordkorea und Iran.

Wann fanden die letzten Auslieferungen an diese Staaten statt? In welchem Umfang wurden diese Regierungen beliefert?

Vielen Dank und freundliche Grüße
Thomas Reutter


Antwort von Daimler

Sehr geehrter Herr Reutter,

wie bereits gesagt halten wir uns bei allen Entscheidungen an alle nationale und internationale Gesetze. Jeder Einzelfall wird unter Beachtung der jeweiligen Umstände gesondert geprüft entlang der bereits erwähnten Prozesse und Prinzipien.

Zu den Ländern Nordkorea, Iran, Georgien, China , Algerien, Libyen, Ägypten und Saudi-Arabien hatten wir Ihnen bereits geantwortet. Syrien ist seit Jahren de facto ein Embargoland, welches wir militärischerseits ebensolang nicht mehr beliefert haben.

in den Jemen wurden in 2009 und 2010 keine Fahrzeuge geliefert. In den Jahren davor wurden insgesamt 223 Fahrzeuge an das jemenitische Militär geliefert - mit behördlicher Genehmigung. Mit freundlichen Grüßen / Kind regards
Ute Wüest von Vellberg





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