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Marines landeten auf Sizilien

In Italien wächst die Sorge, tiefer in den Libyen-Konflikt hineingezogen zu werden

Von Anna Maldini, Rom *

Die Sizilianer sind beunruhigt. Die Aktivitäten der US-Army auf den Stützpunkten nehmen immer mehr zu. Jetzt sind Hunderte Marines nach Sigonella versetzt worden, um auf Angriffe in Libyen reagieren zu können.

Wie viele US-Soldaten in den letzten Tagen im Stützpunkt in der Nähe von Catania gelandet sind, kann niemand sagen, aber man spricht von etwa 500. Italiens Verteidigungsministerium hat sich darauf beschränkt, zu erklären, dass sie »in Anzahl und Aufgaben« durch die Verträge zwischen Italien und den USA gedeckt« sind.

Die Entscheidung, heißt es, sei im Stützpunkt Kelley Barracks bei Stuttgart gefällt worden, wo das Afrikanische Kommando der Vereinigten Staaten sitzt. Man habe die Marines und ihre Flugzeuge nach Sizilien gebracht, um schnell auf Terroranschläge und andere Bedrohungen für US-Bürger in Libyen reagieren zu können.

Zu der Einheit, die zuvor in Spanien stationiert war, gehören auch Spezialtransporter »Osprey«. Sie starten wie Hubschrauber, fliegen wie Flugzeuge und können bis zu 24 Soldaten mit einer Höchstgeschwindigkeit von über 500 Stundenkilometern befördern. Sie haben Aufsehen erregt und auch in Rom zu Protesten geführt: »Wir wollen, dass uns die Regierung umgehend informiert«, heißt es in einer Anfrage des demokratischen Abgeordneten Michele Anzaldi. Auch die linke Partei SEL will mehr wissen. »Die zuständigen Minister müssen auf mehrere Fragen antworten«, fordern die Parlamentarier Arturo Scotto und Donatella Duranti. »Wird hier ein Angriff vorbereitet? Werden die Italiener noch weiter in die Libyenkrise hineingezogen? Wir wollen wissen, wieso die Truppen in dieser sowieso schon militarisierten Gegend noch weiter verstärkt wurden und ob es sich um einen Ausgangspunkt für mögliche Kriegsszenarien im Mittemeerraum handeln könnte.«

Tatsächlich gibt es weitere Anzeichen dafür, dass Sizilien für die US-amerikanische Militärstrategie immer wichtiger wird. Im Oktober wurde eine Sondereinheit »Combat Rescue« für Aktionen hinter den feindlichen Linien nach Birgi bei Trapani versetzt. Ihre Übungsmanöver in der Nähe von Corleone erschreckten Bauern, auf deren Feldern plötzlich riesige Kampfhubschrauber »Black Hawk« mit schwer bewaffneten Soldaten landeten. Die Bürgermeister der Gegend protestierten, weil sie nicht informiert worden waren. Der Flugplatz Birgi soll für militärische Zwecke erweitert werden. Landwirtschaftsbetriebe wurden enteignet, um Kasernen und Wohnhäuser bauen zu können.

Probleme gibt es auch mit dem neuen Radarsystem Muos, das bei Niscemi eingerichtet wird. Verschiedene Bürgerkomitees befürchten, dass die starken Strahlungen, die von dem Satellitensystem ausgehen, schwere Umweltschäden anrichten und auch für die Gesundheit der Anwohner gefährlich sein können.

Seit Wochen gibt es immer wieder Zusammenstöße zwischen den Ordnungskräften und den »No Muos«-Aktivisten, die Straßensperren errichten. Auch der Ministerpräsident der Insel, Rosario Crocetta, hat gefordert, dass die Arbeiten zumindest so lange gestoppt werden, bis nähere Informationen über das System vorliegen.

Außerdem soll auch noch der Stützpunkt in Sigonella zum wichtigsten Landeplatz für unbemannten Drohnen ausgebaut werden, während man in Messina eine Art riesigen »Friedhof« für ausgediente US-amerikanische Kriegsschiffe schaffen will, was den gesamten Küstenstreifen in Mitleidenschaft ziehen könnte.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 16. Mai 2013


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