"Wir haben keine Angst, uns zu isolieren"
Mit ihrer Ablehnung eines Libyen-Einsatzes findet Die Linke nur außerparlamentarisch Unterstützung. Gespräch mit Jan van Aken
Jan van Aken ist stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion im Deutschen Bundestag.
Die Bundesregierung will jetzt doch Soldaten nach Libyen schicken –wie erklären Sie sich die plötzliche Kehrtwendung?
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) eiert herum, er hat offensichtlich Druck bekommen aus seiner eigenen Partei und aus CDU/CSU. Er versucht, den militärischen Einsatz als humanitäre Hilfe zu verkaufen – was natürlich völliger Quatsch ist.
Westerwelle soll für eine Ablehnung, Kanzlerin Angela Merkel dagegen für ein deutsches »Ja« bei der Abstimmung im UN-Sicherheitsrat gewesen sein. Ist es nicht ein weiterer Sargnagel für Westerwelle, wenn die Regierung jetzt vom Kompromiß der Stimmenthaltung abrückt?
Westerwelle hat diese Darstellung ja massiv bestritten, letztlich ist es auch gleich, wie es abgelaufen ist. Eine Demontage ist es aber auf jeden Fall, nachdem er schon den Vorsitz der FDP aufgeben mußte.
Die Enthaltung im Sicherheitsrat geschah kurz vor den entscheidenden Landtagswahlen im Südwesten – war das etwa auch ein Wahlkampfmanöver wie die Abschaltung der Atomkraftwerke?
Das glaube ich nicht, die Enthaltung war ja – wenn man Umfragen glauben darf – nicht sehr populär in der Öffentlichkeit. Ich glaube vielmehr, daß dahinter die Erkenntnis steckte, daß es auf Dauer keine sinnvolle Politik sein kann, ständig irgendwo militärisch zu intervenieren. Nicht, daß die Regierung kriegsscheu wäre oder plötzlich eingesehen hätte, daß Militär nicht für wirtschaftliche Interessen in Marsch gesetzt werden darf. Ich glaube, daß auch US-Präsident Barack Obama ähnlich denkt. Die US-Regierung verhält sich in Libyen zögerlich, sie fürchtet wohl die Gefahr, bei noch mehr Kriegen irgendwann auszubluten.
Die Medien berichten ständig von Massakern und Mordaktionen der Soldaten von Staatschef Muammar Al-Ghaddafi – hat die Linke nicht Angst, sich in der Öffentlichkeit zu isolieren, wenn sie sich gegen eine Intervention sträubt?
Diese Angst haben wir keineswegs. Demokratie läßt sich nun mal nicht mit Hilfe von Bomben durchsetzen – was in Deutschland auch viele Menschen verstehen. Wenn dieser Konflikt nicht bald gestoppt wird, bekommen wir in Libyen einen langwierigen Bürgerkrieg, der das ganze Land zerreißt.
Im parlamentarischen Spektrum steht Ihre Partei mit ihrer Kriegsablehnung allerdings einsam auf weiter Flur ...
Das stört uns nicht weiter, beim Thema Afghanistan geht uns das ebenso.
Ihre Partei findet also nur Unterstützung im außerparlamentarischen Bereich?
Nur dort. Noch mal zum Stichwort Afghanistan: Auch wenn wir mit unseren Argumenten im Bundestag keine Anhänger finden – die große Mehrheit der Deutschen ist wie wir gegen diesen Krieg, wie mehrere Umfragen bewiesen haben. Und ich bin sicher, daß es nicht lange dauern wird, bis die Öffentlichkeit ihre Meinung zum Libyen-Einsatz ebenfalls ändert.
Sind im außerparlamentarischen Bereich Initiativen der Linkspartei geplant?
Zu Libyen speziell im Moment noch nicht. Aber vor uns stehen ja die Ostermärsche in vielen deutschen Städten, da wird der Libyen-Krieg mit Sicherheit Thema sein.
Welche Kräfte stecken nach Ihren Erkenntnissen hinter den sogenannten Rebellen im Osten Libyens?
Das geht nicht nur mir so: Niemand hat richtig Ahnung davon. Deswegen werde ich über diese Rebellen weder Positives noch Negatives sagen.
Hat es nach Ihrer Kenntnis jemals einen Kriegseinsatz gegeben, der wirklich humanitären Zielen diente?
Ich weiß von keinem Fall. Militäreinsätze sind ja sehr kostspielig, die werden nur aus machtpolitischen, geostrategischen oder aus wirtschaftlichen Interessen angeordnet. Es gibt in vielen anderen Ländern ebenfalls humanitäre Katastrophen, bei denen hierzulande aber niemand daran denkt, militärisch einzugreifen.
Was sollte jetzt nach Ansicht Ihrer Fraktion an Stelle einer Intervention geschehen?
Wir brauchen eine sofortige Feuerpause. Unser Vorschlag: Die NATO verkündet einseitig eine 24stündige Waffenruhe. Ghaddafi wird sich mit Sicherheit anschließen, in seiner Verzweiflung hat er ja schon alle möglichen Initiativen gestartet. Natürlich müssen auch die Rebellen zustimmen. Parallel dazu müssen sofort Verhandlungen eingeleitet werden – unter Vermittlung der UNO oder, noch besser, der Arabischen Liga oder der Afrikanischen Union.
Interview: Peter Wolter
* Aus: junge Welt, 9. April 2011
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