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Keine Ergebnisse in Madagaskar

Präsident und Expräsident beenden Gespräche über politische Zukunft des Inselstaates

Von Johannes Stein *

Am vergangenen Mittwoch trafen sich die beiden Hauptakteure der politischen Krise Madagaskars, der derzeitige Präsident der Übergangsregierung Andry Rajoe­lina und der seit 2009 ins südafrikanische Exil verbannte Expräsident Marc Ravalomanana zu Gesprächen auf den Seychellen.

Zusammen mit dem Staatsoberhaupt Südafrikas, Jacob Zuma, der als Mediator fungierte, und unter Aufsicht der Southern African Development Community (SADC) verhandelten die beiden auf Desroches, etwa 230 Kilometer entfernt von Meha, der Hauptinsel des Archipels, mehrere Stunden über die Durchführung der wiederholt verschobenen Neuwahlen und die Zukunft des immer tiefer in die Krise sinkenden Inselstaates. Seit dem vom Militär unterstützten Putsch 2009, bei dem der damals erst 34jährige Andry Rajoelina, damals Bürgermeister der Hauptstadt Antananarivo, an die Macht gelangte, kommt das Land nicht zur Ruhe.

Nach der Ermordung von mehr als 30 Menschen bei Demonstrationen im Februar 2009 durch die Nationalgarde wurde der gestürzte Präsident Ravalomanana verbannt und 2010 in Abwesenheit zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt.

Seit dem Regierungswechsel kam es in den letzten Jahren bereits mehrfach zu weiteren Putschversuchen. Am vergangenen Sonntag stürmten meuternde Soldaten eine Militärbasis bei Ivato, dem größten Flughafen des Landes in der Nähe der Hauptstadt. Dabei wurden neben dem Anführer der Aufständischen, Koto Mainty, einstiger Leibwächter des früheren Verteidigungsministers Noël Rakotonandrasana, der ebenfalls 2010 aufgrund eines Putschversuches verhaftet wurde, drei weitere Kämpfer von Regierungstruppen getötet und vier verletzt. Der Rest der Truppe ergab sich freiwillig und wurde anschließend verhaftet.

Die instabile Lage im Land zieht auch in den Provinzen eine zunehmende Kriminalität nach sich. Immer häufiger werden die sogenannten »Buschtaxis« bei Überlandfahrten überfallen. In der südlich gelegenen Stadt Bekolintsa wurden Anfang Juni 18 Soldaten und Polizisten getötet und mindestens vier verletzt, als sie versuchten, eine Hochburg von Viehdieben einzunehmen.

Am Donnerstag verließen die beiden Politiker nach Angaben des Außenministeriums der Seychellen das Land. Flughafenmitarbeiter dagegen berichteten, daß Rajoelina aus der Inselrepublik schon am Mittwoch, kurz nach Beginn der Gespräche, bereits wieder abgereist sei. »Es wird ein weiteres Treffen in einigen Tagen geben«, verkündete Rajoelina gegenüber Journalisten. Zwei mehrstündige Gespräche hätten demnach stattgefunden, Ergebnisse wurden dabei aber keine erzielt.

»Die Rückkehr zur Stabilität in Madagaskar ist sehr wichtig für alle Länder des südlichen und westlichen Afrikas und für die Seychellen«, sagte James Michel, Präsident der Seychellen, der ebenfalls an dem Treffen teilnahm. Er warnte zudem davor, daß die extreme Armut auf der Insel zu einer »sozialen Katastrophe führen« kann. Laut UNO leben bereits jetzt 76,5 Prozent der Madegassen unter der Armutsgrenze.

Die 15 Mitglieder der SADC setzten den beiden Kontrahenten eine Frist bis zum 31. Juli, um ihren Konflikt beizulegen. Danach soll ein Zeitplan für die Neuwahlen vorgelegt werden. Die entscheidende Frage wird dabei sein, ob Rajoelina und Ravalomanana erneut kandidieren werden oder den Platz für neue Bewerber frei machen. Dies würde in jedem Fall einen politischen Umschwung für die knapp 22 Millionen Bewohner der Insel bedeuten.

* Aus: junge Welt, Samstag, 28. Juli 2012


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