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Kaputtgespartes Mazedonien

Studie gibt Währungsfonds Mitschuld an wirtschaftlicher Schieflage

Von Hannes Hofbauer, Wien*

Vor wenigen Wochen hat die Europäische Kommission dem Rat vorgeschlagen, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien den Kandidatenstatus für eine mögliche EU-Mitgliedschaft einzuräumen. Grund genug für das renommierte Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW), das kleine südslawische Land in einer Studie unter die Lupe zu nehmen.

Kaputtgespart. Mit dieser etwas überspitzten Formulierung könnte man die Kritik des WIIW-Ökonomen Vladimir Gligorov am Zustand von Mazedonien zusammenfassen. »Während die öffentlichen Ausgaben ständig und stark zurückgehen, steht die Budgetdisziplin über allem«, moniert der Wissenschaftler die Situation – nicht ohne eine eindeutige Schuldzuweisung vorzunehmen: »Im Wesentlichen war es der Internationale Währungsfonds, der Währungsstabilität und Budgetdisziplin zu einer Obsession erhoben hat«, die dem Land bei seiner zukünftig EU-orientierten Politik im Wege sein könnte.

Die Lage in Mazedonien stellt sich bei näherer Betrachtung indes als äußerst widersprüchlich dar. Denn politisch verwaltet die Regierung in Skopje nur den Schatten einer Selbstständigkeit. Nicht einmal den selbst gewählten Namen »Mazedonien« darf die Republik tragen, stattdessen steht bei internationalen Konferenzen auf den Tafeln vor den Vertretern des kleinen Landes das Kürzel FYROM für »Former Yugoslav Republic of Makedonia«. Militärisch tummeln sich neben anderen hauptsächlich Soldaten der Bundeswehr im Land und die ökonomisch selbstzerfleischende strikteste Anbindung des Dinar an die D-Mark beziehungsweise den Euro war auch keine eigene Idee, sondern wurde in Berlin und Washington ausgeheckt. Ratschläge für eine Änderung der Politik sind also zu allerletzt an Skopje zu richten.

Was Währungsstabilität und restriktiver Haushalt jedoch bewirkt haben, war die Verhinderung eines Ausverkaufs mazedonischer Betriebe. Denn Auslandsschulden spielen für Skopje nur eine untergeordnete Rolle, weshalb die übliche Drohung mit Kreditsperren im Fall von beispielsweise schleppender Privatisierung bei den politisch Verantwortlichen ins Leere läuft. Bislang zumindest. Denn die Vorschläge von Vladimir Gligorov, die »Auslandsschulden zu erhöhen« und die Budgetdisziplin aufzugeben, werden mit der Aufforderung nach einer beschleunigten Privatisierung gekoppelt. Dass eine solche nicht der Krise Lösung ist, hat sich in anderen osteuropäischen Ländern schon gezeigt. Ausländische Investitionen lösen im besten Fall die Krisen der Mutterkonzerne, die über Gewinntransfers aus dem erweiterten Osten ihre eigenen Bilanzen aufmotzen können.

Allerdings kann es auch so, wie es ist, in Mazedonien nicht weitergehen. Allein die schockierende Arbeitslosenstatistik zeigt, wie desintegrierend der Zerfall Jugoslawiens auf diese südosteuropäische Republik gewirkt hat. Auch ohne Bürgerkrieg weisen die offiziellen Zahlen eine Arbeitslosigkeit von 37,2 Prozent aus. Die Flexiblen haben das Land längst verlassen. Und die Wende-Euphorie ist im Nationalitätenzwist zwischen Slawen und Albanern zerstoben. Jetzt soll mit dem Angebot aus Brüssel auf eine mögliche EU-Mitgliedschaft neue Hoffnung keimen. Wer allerdings die bisherige Erweiterung der Europäischen Union beobachtet hat, wird Hoffnung eher für die Rendite ausländischer Investoren als für eine Mehrheit der Mazedonier sehen. Das allseits gewünschte wirtschaftliche Wachstum hat auch anderswo Arbeitslosenzahlen nicht reduzieren können und somit keine Antwort auf die drängendste aller Fragen gegeben: die soziale Frage.

* Aus: Neues Deutschland, 2. Dezember 2005


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