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Die USA auf Kriegspfad in Mazedonien

Von Michel Chossudovsky

Washingtons heimlicher Krieg in Mazedonien soll Amerikas Einflusssphäre in Südosteuropa festigen. Es geht um den strategischen Transport-, Kommunikations- und Ölpipeline-«Korridor» Bulgarien-Mazedonien-Albanien vom Schwarzen Meer zur Adria. Mazedonien liegt am strategischen Knotenpunkt des Ölpipeline-Korridors. Um diese Pipeline-Strecken zu schützen, will Washington einen «Flickenteppich von Protektoraten» auf dem Balkan schaffen. Die Hoffnung auf ein «Großalbanien», von Washington genährt, um den albanischen Nationalismus anzustacheln, ist Teil des militärisch-geheimdienstlichen Kom-plotts. Dieses besteht, wie breit belegt, in der Finanzierung und Ausrüstung der Kosovo Befreiungsarmee (KLA, englisch für UCK) und ihres Ablegers Nationale Befreiungsarmee (NLA), um damit die terroristischen Angriffe in Mazedonien zu führen.

Die Entwicklung der amerikanischen Einflusssphäre in Südosteuropa - in Komplizenschaft mit Großbritannien - dient den Interessen der Ölgiganten, zu denen BP-Amoco-ARCO, Chevron und Texaco gehören. Die Kontrolle der Pipeline-Strecken und ihr «Schutz» ist die Grundbedingung für den Erfolg dieser zig Milliarden Dollar schweren Unternehmungen: ein erfolgreiches internationales Ölregime ist eine Kombination von ökonomischen, politischen und militärischen Arrangements, die die Förderung des Öls und seinen Transport zu den Märkten unterstützen.

Das angloamerikanische Konsortium, das das Projekt der transbalkanischen AMBO-Pipeline kontrolliert, die den bulgarischen Hafen Burgas mit Vlora an der albanischen Adriaküste verbindet, schließt die Teilnahme des konkurrierenden europäischen Ölgiganten Total-Fina-Elf weitgehend aus. Anders gesagt, die strategische Kontrolle der USA über den Pipeline-Korridor soll die Rolle der EU schwächen und konkurrierende europäische Geschäftsinteressen auf Distanz halten.

Das US-gestützte Pipeline-Konsortium AMBO ist direkt verbunden mit der Zentrale der politischen und militärischen Macht in den Vereinigten Staaten und Vizepräsident Dick Cheneys Firma Halliburton Energy. Eine Machbarkeitsstudie für die Ölpipeline von AMBO, die von Brown & Root Ltd. durchgeführt wurde - einer internationalen Firma für Ingenieurwesen, Halliburtons britischer Filiale - hat dafür gesorgt, dass diese Pipeline ein Bestandteil der entscheidenden Ost-West-Korridor-Infrastruktur der Region werden wird, zu der Schnellstraßen, Bahnlinien, Erdgaspipelines und Glas-faserkabel für die Telekommunikation gehören.

Nach Fertigstellung der Studie von Halliburton wurde ein Spitzenmanager dieses Unternehmens zum Vorstandsvorsitzenden von AMBO bestellt. Halliburton erhielt auch einen Vertrag über Wartungsarbeiten für die US-Truppen auf dem Balkan und den Auftrag, «Bondsteel» im Kosovo zu bauen, heute «die größte amerikanische Militärbasis im Ausland, die seit Vietnam errichtet wurde». Zufällig hängt auch White and Case LLT, das New Yorker Anwaltsbüro, zu dem Präsident William J. Clinton wechselte, als er das Weiße Haus verließ, in dem AMBO-Pipeline-Deal mit drin.

Die Militarisierung der Pipeline-Korridore

Das Projekt einer transbalkanischen Pipeline würde den Anschluss herstellen zu den Pipeline-Strecken zwischen dem Schwarzen Meer und dem Becken des Kaspischen Meers, das im Zentrum der größten unerschlossenen Öllagerstätten der Welt liegt. Die Militarisierung dieser Korridore ist integraler Bestandteil der Washingtoner Pläne.

Die Politik der USA, die Pipeline-Strecken aus der Region des Kaspischen Meers (und durch den Balkan) zu «schützen», wurde von Clintons Energieminister Bill Richardson wenige Monate vor der Bombardierung Jugoslawiens 1999 offen ausgesprochen: «Es geht um Amerikas sichere Energieversorgung... Und es geht auch darum zu verhindern, dass jene, die unsere Werte nicht teilen, einen strategischen Durchbruch erzielen. Wir versuchen, diese jetzt unabhängig gewordenen Staaten auf den Westen zu orientieren... Wir möchten, das sie sich westlichen Handels- und politischen Interessen anvertrauen, statt einen anderen Weg zu gehen. Wir haben in der kaspischen Region erheblich politisch investiert, und es ist sehr wichtig für uns, dass die Karte der Pipelines und die Politik gleichermaßen stimmen.»

Die angloamerikanischen Ölgiganten, dazu gehören BP-Amoco-Arco, Texaco und Chevron, konkurrieren, unterstützt von der Militärmacht der USA, mit Europas (mit der italienischen ENI verbundenem) Ölgiganten Total-Fina-Elf, der eine große Rolle auf den reichen Kashagan-Ölfeldern in Kasachstan, im Nordosten des Kaspischen Beckens spielt. Es geht um viel: Kashagan sei «so groß, dass es sogar die Größe der Ölvorkommen in der Nordsee übertrifft». Dem EU-gestützten Konsortium fehlt es aber an Einfluss bei den Hauptpipelinestrecken aus dem kaspischen Becken und weiter nach Westeuropa. Die entscheidenden Pipe-lineprojekte - einschließlich des AMBO-Projekts und des Baku-Cehyan-Projekts durch die Türkei zum Mittelmeer - sind weitgehend in der Hand der angloamerikanischen Rivalen, die sich auf die politische wie militärische Präsenz der USA im Kaspischen Becken und auf dem Balkan stützen können.

Washington will möglichst alle drei AMBO-Länder, nämlich Bulgarien, Mazedonien und Albanien, durch die Schaffung vollständiger US-Protektorate dem deutschen und EU-Einfluss entziehen. Anders gesagt, zielt die militärische und geopolitische Kontrolle der USA über die projektierte Pipelineverbindung zwischen Burgas in Bulgarien und dem albanischen Adriahafen Vlora darauf ab, sowohl den EU-Einfluss zu untergraben als auch die konkurrierenden französisch-belgisch-italienischen Ölinteressen zu schwächen.

Verhandlungen im Zusammenhang mit der AMBO-Pipeline wurden von Vertretern der US-Regierung durch die South Balkan Development Initiative (SBDI) der Trade and Development Agency (TDA) unterstützt, «die Albanien, Bulgarien und der FJR Mazedonien dabei helfen soll, ihre Transportinfrastruktur entlang des sie verbindenden Ost-West-Korridors zu entwickeln und zu integrieren». Die TDA weist darauf hin, dass es für die drei Staaten notwendig sei, «regionale Synergien zu nutzen, um neues öffentliches und privates Kapital [von US-Unternehmen] anzuziehen», und unterstreicht zugleich die Verantwortung der US-Regierung «für die Umsetzung der Initiative». Was die AMBO-Pipeline angeht, sieht es so aus, als sei die EU von der Planung und Verhandlungen weitgehend ausgeschlossen worden. Mit den Regierungen Albaniens, Bulgariens und Mazedoniens wurden bereits «Memoranda of Understanding» (MOU; Abmachungen) unterzeichnet, welche diesen Ländern die nationale Souveränität über die Pipeline- und die Transport-Korridore durch die Einräumung «exklusiver Rechte» an das angloamerikanische Konsortium entziehen: «[Das MOU] stellt fest, dass nur AMBO die geplante Burgas-Vlora-Ölpipeline bauen darf. Genauer, es gibt AMBO das ausschließliche Recht, mit Investoren und Geldgebern für das Projekt zu verhandeln. Es verpflichtet ... [die Regierungen Bulgariens, Mazedoniens und Albaniens] außerdem dazu, bestimmte vertrauliche Informationen über das Pipelineprojekt nicht weiterzugeben.»

«Ost-West-Korridor 8»

Das AMBO-Pipeline-Projekt ist verbunden mit einem anderen strategischen Projekt namens «Corridor 8», das ursprünglich von der Clinton-Administratio-n im Zusammenhang des Balkan-Stabilitätspakt vorgeschlagen wurde. «Corridor 8», von strategischer Bedeutung für die USA wie für die Europäische Union, umfasst die Schnellstraßen-, Bahnlinien-, Elektrizitäts- und Telekommunikationsinfrastruktur. Die vorhandene Infrastruktur dieser Bereiche wird, unter Aufsicht von IWF und Weltbank, zur Deregulierung und Privatisierung (zu Schleuderpreisen) zerschlagen.

Obgleich von den Verkehrsministern der EU als Teil der europäischen ökonomischen Integration abgesegnet, wurden die Machbarkeitsstudien zu «Corridor 8» von unmittelbar von der TDA finanzierten US-Gesellschaften durchgeführt. Anders gesagt, Washington scheint die Übernahme des Verkehrs- und Kommunikationswesen dieser Staaten vorbereitet zu haben. Amerikanische Konzerne wie Bechtel, Enron und General Electric konkurrieren, mit finanzieller Rückendeckung durch die US-Regierung, mit Unternehmen aus der EU.

Washingtons möchte den gesamten Korridor im «wirtschaftlichen Hinterhof» der EU, wo die Macht der D-Mark bisher tendenziell größer als die des US-Dollars ist, für die US-Multis öffnen.

EU-Erweiterung

Anfang 2000 trat die Europäische Kommission in Verhandlungen über eine EU-Assoziierung Maze-doniens, Bulgariens und Albaniens ein. Und im April 2001, auf dem Höhepunkt der Terrorangriffe, wurde Mazedonien das erste Land auf dem Balkan, das ein sog. «Stabilisierungs- und Assoziierungs-Abkommen» (SAA) unterzeichnete, das einen wichtigen Schritt in Richtung einer vollen EU-Mitgliedschaft darstellt. Das Abkommen bildet die Grundlage für «Liberalisierung des Handels, politische Zusammenarbeit, wirtschaftliche und institutionelle Reformen und die Übernahme der EU-Gesetzgebung». Unter dem SAA wäre Mazedonien (faktisch) in das Europäische Währungssystem integriert, mit vollem Zugang zum EU-Markt.

Die Terrorangriffe fielen zeitlich zusammen mit dem Prozess der EU-Erweiterung und begannen wenige Wochen vor der Unterzeichnung des historischen Assoziierungsabkommens mit Mazedonien zu eskalieren. Es ist eindeutig belegt, dass Militärberater der USA mit den Terroristen zusammenarbeiten. War dies bloßer Zufall?

Ebenso wurde Robert Frowick, «ein früherer US-Diplomat», Mitte März als Leiter der OSZE-Mission in Mazedonien bestellt, ebenfalls nur wenige Wochen vor der Unterzeichnung des Asso-ziierungsabkommens. In enger Fühlungnahme mit Washington und der US-Botschaft in Skopje initiierte Frowick einen «Dialog» mit dem NLA-Rebellenführer Ali Ahmeti. Er machte sich auch nützlich bei der Vermittlung eines Abkommens zwischen Ahmeti und den Führern der albanischen Parteien, die Teil der Regierungskoalition sind.

Dieses von Frowick gedeichselte Abkommen hat wesentlich zur Destabilisierung der politischen Institutionen beigetragen und zugleich den Prozess der EU-Erweiterung gefährdet. Mehr, die sich verschlechternde Sicherheitslage in Mazedonien bot einen Vorwand für vermehrte politische, «humanitäre» und militärische Einmischung seitens der USA und hat gleichzeitig die ökonomischen und politischen Bindungen Skopjes zu Deutschland und der EU geschwächt. Eine der «verpflichtenden Bedingungen» des Assoziierungsabkommens ist, dass Mazedonien sich gemäß den «Demokratie-Standards der EU» verhält. Es braucht wohl kaum erwähnt zu werden, dass ohne eine «funktionierende Regierung» in Mazedonien der Assoziierungsprozess mit Brüssel nicht vorankommen kann.

Die in Tirana, Skopje und Sofia installierten Marionettenregierungen fügen sich zwar weitgehend US-Diktaten, werden gegenwärtig aber in Richtung der EU gedrängt. Washingtons Ziel ist, der Ausweitung von Deutschlands «Lebensraum» nach Südosteuropa definitiv Zügel anzulegen. Die USA legen zwar Lippenbekenntnisse ab zur EU-Erweiterung, haben aber stets die NATO-Erweiterung als Mittel zur Verfolgung ihrer strategischen Interessen in Osteuropa und auf dem Balkan vorgezogen, während Deutschland und Frankreich dagegen waren.

Der Ton der internationalen Diplomatie bleibt artig und höflich, doch die US-Außenpolitik unter der Bush-Regierung ist entschieden «antieuropäisch» geworden. Ein Beobachter schreibt: «Innerhalb der engeren Bush-Mannschaft wird Colin Powell als Freund der Europäer [betrachtet], während man die anderen Minister und Berater für arrogant und stur hält und nicht bereit, zuzuhören oder den Europäern einen Platz einzuräumen.»

Deutschland und Amerika

Erwiesenermaßen steckt die CIA hinter den KLA- und NLA-Rebellen, die die terroristischen Angriffe auf die mazedonischen Sicherheitskräfte durchführen. Während das deutsche Gegenstück zur CIA, der Bundesnachrichten Dienst (BND), vor dem Krieg von 1999 mit der CIA bei der Beaufsichtigung und Finanzierung der KLA zusammenarbeitete, deuten die jüngsten Entwicklungen darauf hin, dass der BND in Washingtons militärisch-geheimdienstliches Komplott in Mazedonien nicht involviert ist.

Wenige Wochen vor der Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU, Mitte März 2001, gerieten in der Region Tetovo stationierte deutsche Truppen «zufällig» unter NLA-Beschuss. Während die westlichen Medien im Chor die offiziellen Erklärungen wiederkäuten und behaupteten, dass die deutschen Truppen «in den Feuerwechsel geraten waren», legen Berichte aus Tetovo nahe, dass der NLA-Beschuss bewusst geschah. Auf jeden Fall wäre es nicht zu dem Zwischenfall gekommen, hätte der BND mit der Rebellenarmee zusammengearbeitet.

Und, bittere Ironie, zwei der Kommandeure, die für die Terroristenangriffe in der Tetovo-Region verantwortlich waren, waren von britischen Special Forces ausgebildet worden. Diese Rebellenkommandeure sehen in Deutschland den «Feind», weil in Mazedonien und dem Kosovo stationierte Bundeswehreinheiten - statt den NLA-«Freiheitskämpfern» auf die selbe Weise wie ihre britischen und amerikanischen KFOR-Kollegen «Schutz» zu gewähren - «mutmaßliche Terroristen» häufig an der Grenze festhalten: «Ein Sprecher der Nationalen Befreiungsarmee (NLA) der Albaner warnte die Bundeswehr, ihre Einmischung käme ‹einer Kriegserklärung seitens der Bundesrepublik Deutschland› gleich.»

In Reaktion auf die NLA-Drohungen schickte die Bundeswehr ihre eigenen Special Forces, die Fallschirmjäger. Der deutsche Verteidigungsminister Scharping gab sich entschlossen, mehr Panzer und Soldaten zur Stärkung der Bundeswehrein-heiten zu entsenden. Doch Berlin hat, wie die jüngsten Entwicklungen zeigen, es vorgezogen, die meisten seiner Truppen aus der Tetovo-Region zurück-zuziehen und sich dem militärisch-geheim-dienstlichen Komplott der USA zur Unterstützung der NLA-Rebellen nicht entgegenzustellen. Einige dieser deutschen Einheiten sind jetzt auf der Kosovo-Seite der Grenze stationiert.

Während die NLA eine Ladung brandneuer moderner Rüstungsgüter «made in USA» erhielt, spendete Deutschland Mitte Juni den mazedonischen Sicherheitskräften Geländewagen sowie hochmoderne Infrarotsuchgeräte. Nach einem Bericht aus Skopje geriet das kleine in der Tetovo-Region verbliebene deutsche Kontingent «unter heftigen Beschuss durch die Terroristen, die sie mit Mörsern von den Bergen oberhalb Tetovos angriffen. Das ist wahrscheinlich die Antwort auf die gestrige [14. Juni 2001] Spende der deutschen Regierung an unsere Armee.»

Während Differenzen zwischen «NATO-Verbündeten» nie öffentlich gemacht werden, hat der deutsche Außenminister Joschka Fischer - in einem gegen die «albanischen Extremisten in Mazedonien» gerichteten, scharf formulierten Statement an den Bundestag - eine «langfristige Regelung» verlangt, «die die ganze Region näher an Europa heranführen» (also frei von US-Eingriffen machen) soll. Die deutsche Position steht in deutlichem Gegensatz zu der von den USA vertretenen, die von der Regierung in Skopje verlangt, die Terroristen zu amnestieren, die Verfassung des Landes zu ändern und die NLA-Rebellen in die zivile Politik einzubeziehen.

Die angloamerikanische Achse

Der Zusammenstoß zwischen Deutschland und Amerika auf dem Balkan ist Teil eines weit umfassenderen Prozesses, der den Kern des westlichen militärisch-industriellen Komplexes und des Verteidigungsestablishments betrifft. Seit den frühen 90er Jahren haben die USA und Deutschland auf dem Balkan als NATO-Partner gemeinsam agiert und ihre jeweiligen militärischen, nachrichtendienstlichen und außenpolitischen Initiativen koordiniert. Während sie in ihren öffentlichen Stellungnahmen den Anschein politischer Übereinstimmung aufrecht erhielten, begannen sich ernsthafte Differenzen im Gefolge des Dayton-Abkommens abzuzeichnen, als deutsche Banken sich darum balgten, das Währungssystem der Nachfolgestaaten Jugoslawiens zu übernehmen und die D-Mark durchzusetzen.

Überdies haben die USA nach dem Krieg gegen Jugoslawien ihre strategischen, militärischen und geheimdienstlichen Bande mit Großbritannien enger geknüpft, während dieses viele seiner Verbindungen zu Deutschland und Frankreich (vor allem auf dem Gebiet der Verteidigungs- und Luftfahrtindustrie) kappte.

Anfang 2000 unterzeichneten US-Verteidigungsminister William Cohen und sein britischer Kollege Geoff Hoon eine «Erklärung über Rüstungsgüter und industrielle Zusammenarbeit». Washington wollte damit die Bildung einer «transatlantischen Brücke» anregen, «über die das US-Verteidigungsministerium seine Globalisierungs-strategie nach Europa tragen kann». Die Rüstungsindustrie der USA - zu der jetzt British Aerospace gehört - prallt mit dem französisch-deutschen Rüstungskonsortium EADS zusammen - einem Konglomerat, das sich aus der französischen Aerospatiale Matra, Deutscher Aerospace, die Teil der mächtigen Daimler-Gruppe ist, und Spaniens CASA zusammensetzt. Anders gesagt, hat sich der militärisch-industrielle Komplex des Westens gespalten - mit den USA und Großbritannien auf der einen, Deutschland und Frankreich auf der anderen Seite.

Öl, Kanonen und die westliche Militärallianz hängen eng miteinander zusammen. Washingtons Ziel ist, die Vorherrschaft des militärisch-industriellen Komplexes der USA im Bündnis mit den angloamerikanischen Ölgiganten und den wichtigsten britischen Waffenlieferanten zu sichern. Diese Entwicklungen haben offenkundig auch mit der Kontrolle der strategischen Pipelines, der Verkehrs- und Kommunikationsnetze auf dem Balkan, in Osteuropa und der früheren Sowjetunion zu tun.

Und dieser angloamerikanische Achse entspricht wiederum die zunehmende Zusammenarbeit zwischen der CIA und dem britischen M15 auf dem Gebiet des Nachrichtenwesens und geheimdienstlicher Operationen, wie die Rolle zeigt, welche die britischen Special Forces bei der Ausbildung von KLA-Rebellen spielten.

Krieg, «Dollarisierung» und die neue Weltordnung

«Schutz» der Pipelines, verdeckte Aktionen und das Recycling von Drogengeld zur Unterstützung bewaffneter Erhebungen, Militarisierung der strategischen Verbindungslinien, Rüstungsbeschaffung für «Partnerschaft für den Frieden»-Länder sind insgesamt ein integraler Bestandteil der angloamerikanischen Achse und ihres Bestrebens, die Öl- und Erdgasstrecken und Transportkorridore aus dem Kaspischen Becken und dem Schwarzen Meer durch den Balkan zu beherrschen.

Allgemeiner gesprochen: In der größeren Region, die Osteuropa und den Balkan mit den früheren Sowjetrepubliken verbindet, findet ein unbarmherziger Kampf zwischen konkurrierenden Konglomeraten um die Kontrolle von nationalen Volkswirtschaften statt. Und dahinter steckt das Bemühen des Finanzestablishments der Wall Street - im Bündnis mit den Rüstungs- und Ölgiganten - die D-Mark (und den Euro) zu destabilisieren und im Misskredit zu bringen, um den Dollar als einzige Leitwährung in der Region durchzusetzen.

Die Kontrolle über die «Geldschöpfung» - indem die Herrschaft des US-amerikanischen Federal-Reserve-Systems weltweit durchgesetzt wird - ist ein zentraler Zug des US-Expansionismus geworden. So gesehen, geht es bei dem militärisch-geheimdienstlichen Komplott Washingtons nicht nur darum, die «EU-Erweiterung» zu untergraben, es zielt auch darauf ab, die Vorherrschaft von Deutschlands größten Banken (Deutsche Bank, Commerzbank, Westdeutsche Landesbank) auf dem Balkan zu schwächen und zu beseitigen.

Für die Neue Weltordnung ist der scharfe Kampf zwischen Europa und Amerika um die «koloniale Kontrolle» über nationale Währungen charakteristisch. Und dieser Konflikt zwischen «konkurrierenden kapitalistischen Blöcken» wird noch schärfer werden, wenn mehrere hundert Millionen Menschen von Osteuropa und dem Balkan bis Mittelasien ab 1. Januar 2002 den Euro faktisch als ihre nationale Währung benutzen werden.

Der Artikel wurde am 14. Juni 2001 verfasst und wird in leicht gekürzter Form in Heft 5/2001 der Marxistischen Blätter erscheinen (Auslieferung: Ende September). Übersetzung: Hermann Kopp. Wir haben zur leichteren Lesbarkeit auf den Anmerkungsapparat verzichtet.



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