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Rauchzeichen aus Malawi

Tabakgewerkschaft kämpft für bessere Arbeitsbedingungen auf den Plantagen

Von Jürgen Weber *

Mit steigendem Konsum in den Industrieländern setzte die erste Regierung des unabhängigen Malawi (1964) ganz auf Tabak als Exportware. Heute werden 70 Prozent der Devisenerlöse mit Tabak erzielt. Malawi ist damit faktisch vom Wohl und Wehe der Tabakindustrie abhängig.

Malawi lebt vom Tabak. Dabei gehört das kleine Land zwischen Sambia und Mosambik zu jenen Ländern, in denen am wenigsten geraucht wird. Erst mit der britischen Kolonialherrschaft kam der Tabakanbau in das Land. Exportiert wird der Tabak hauptsächlich in die EU (44 Prozent) und die USA (13 Prozent). »Philip Morris« und »B.A.T.« sind die größten Abnehmer von Tabak aus Malawi.

Auch der Großhandel ist fast ausschließlich in ausländischer Hand. Die US-amerikanischen Rohtabakaufkäufer »Universal Corporation« und »Alliance One International« kontrollieren durch ihre Tochterunternehmen in Malawi praktisch die Wirtschaft des Landes: Beide Unternehmen kaufen rund 91 Prozent des Rohtabaks auf, drei lokale Händler teilen sich die restlichen neun Prozent. Sowohl in einem Bericht der Weltbank als auch durch das malawische Antikorruptionsbüro werden den beiden US-Unternehmen kartellartige Preisabsprachen vorgeworfen.

Malawi zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Nach UN-Berichten verfügten 2006 rund 76 Prozent der Bevölkerung über weniger als 1,50 Euro pro Tag. Von rund fünf Millionen aktiven Arbeitskräften sind zwischen 600 000 und zwei Millionen im Tabaksektor beschäftigt. »Die kleinen landlosen Pächter und ArbeiterInnen werden wirklich ausgebeutet«, hebt der Generalsekretär der Gewerkschaft der TabakarbeiterInnen (TOTAWUM), Raphael Sandramu, hervor: »Sie arbeiten ohne schriftliche Verträge, und sie haben nicht genug zu essen.« Der Anteil von Kinderarbeit sei zuletzt zwar rückläufig gewesen, dennoch arbeiten zeitweilig fast 80 000 Kinder bei der Tabakernte. Durch den hohen Pestizideinsatz leiden sie – wie auch die Erwachsenen – an Vergiftungserscheinungen. Da der Tabakanbau sehr arbeitsintensiv ist, bleibt den Familien nur wenig Zeit für Subsistenzwirtschaft.

Von einem Netto-Exporteur von Nahrungsmitteln ist Malawi inzwischen zu einem Importeur geworden. Auflagen aus Strukturanpassungsprogrammen, die der Internationale Währungsfonds im Gegenzug für Kredite zwingend vorschrieb, verhinderten in der Vergangenheit notwendige Investitionen für den Ausbau des Nahrungsmittelsektors. Die Dumping-agrarexporte aus den USA und der EU taten ein Übriges, den einheimischen Nahrungsgüteranbau weiter zurückzudrängen.

Mit Unterstützung der Industrieländer wurde die Landwirtschaft schon unter Präsident Banda (1964-1993) fast vollständig auf Tabakanbau umgestellt. Jedoch verspricht der globale Tabakmarkt längst nicht mehr die Exporterlöse früherer Jahre. Die weltweite Überproduktion von Tabak hat zu einem Preisverfall geführt.

Als die Tabakpreise 1992 drastisch fielen, wandte sich der damalige Präsident Muzuli sogar an die Tabakkonsumenten der Industrieländer: »Je mehr Sie rauchen, desto mehr Tabak können wir anbauen.« Dennoch erwarten Weltbank und Welternährungsorganisation FAO, dass Tabak kurz- und mittelfristig der wesentliche Pfeiler von Malawis Wirtschaft bleibt.

Mit einer Verbesserung der Lebensbedingungen für die Tabakarbeiter, rechnet Sandramu kurzerhand nicht. Von »Marlboro-Freiheit« kann auf den Tabakplantagen keine Rede sein. In den Hungerjahren 2001/2002 und 2005 starben Tausende Tabakbauern. Die chronische Armut im Land und nur wenig alternative Einkommensmöglichkeiten sind die wesentlichen Gründe dafür, dass landlose Arbeiter auch weiterhin Jahr für Jahr im Tabaksektor Arbeit suchen. Beim jeweiligen Plantagenbesitzer müssen sämtliche Produktionsmittel wie Saatgut, Pestizide, Dünger und Arbeitsgeräte gekauft werden. Die Pächter und ihre Familien werden während der Produktionszeit zwar mit Nahrungsmitteln auf Darlehensbasis versorgt, jedoch ist das jährliche Einkommen der Produzenten zur Zeit so gering (etwa 250 Euro), dass häufig weder die Produktionsmittel ab-, noch die Darlehen zurückbezahlt werden können. So werden Pächter und Arbeiter verpflichtet, auch in der nächsten Saison wieder auf den Plantagen zu arbeiten.

Die TOTAWUM vertritt als einzige Organisation die Tabakarbeiter gegenüber den Landbesitzern und der Regierung. Mittlerweile zählt die Gewerkschaft 23 000 Mitglieder, davon sind fast 9500 Frauen. »Aber viele Tabakarbeiter sind der Meinung«, so Generalsekretär Sandramu, »es bringe ihnen nur Nachteile, wenn sie sich gewerkschaftlich organisieren, zum Beispiel gegenüber Plantagenbesitzern, die gegen die Gewerkschaft arbeiten.«

Mit einer Petition an das Justizministerium will die Gewerkschaft erreichen, dass das Parlament einen seit über zehn Jahren auf Eis liegenden Gesetzentwurf zum Schutz der Tabakarbeiter im September berät und verabschiedet. »Viele Parlamentarier sind selbst Plantagenbesitzer, deshalb wurde die Vorlage nie im Parlament behandelt«, vermutet Sandramu. In dem Gesetzesentwurf geht es vor allem um die Einführung schriftlicher Arbeitsverträge, den Zugang zu zinslosen Darlehen, sauberem Trinkwasser und um angemessene Unterkünfte auf den Plantagen.

Unterstützt wird die Gewerkschaft von der entwicklungspolitischen Kampagne »Rauchzeichen!« aus Deutschland. Auch Parlamentarier des Deutschen Bundestages haben Raphael Sandramu Anfang Juni zugesagt, dass sie in Kontakt mit ihren Kollegen in Malawi treten werden und die Regierung in Lilongwe dabei unterstützen wollen, wenn diese von Tabak auf andere landwirtschaftliche Produkte umsteigen will. Ob das mehr ist als heiße Luft, bleibt offen.

www.unfairtobacco.org

* Aus: Neues Deutschland, 17. Juni 2008


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