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Jesus Christus ist wieder Allahs Sohn

Streit um Gottes Namen in Malaysia

Von Daniel Kestenholz, Bangkok *

Malaysias Premier Najib Razak nennt es eine »äußerst delikate Angelegenheit«: das jüngste Urteil vom Oberstem Gericht, wonach die Katholische Kirche in der malaiischen Sprache das Wort »Allah« wieder als Begriff für den eigenen Gott, den Allmächtigen, gebrauchen darf. Viele von Malaysias 850 000 Christen bejubelten das Urteil, das ein dreijähriges Verbot kippte. Rund 10 000 Muslime dagegen unterstützen eine Kampagne gegen Oberrichterin Lau Bee Lan. Ein einflussreicher Mufti der Provinz Perak verurteilte das Verdikt als »Beleidigung von Muslimen«. Harsche Kritik kam auch aus der muslimischen Regierungspartei UMNO, während oppositionelle Muslimparteien und moderate Kreise wie Oppositionsführer Anwar Ibrahim das Urteil in Ordnung fanden und jetzt als »Verräter des Islams« hingestellt werden.

Für viele von Malaysias muslimischer Mehrheit der Malaien (60 Prozent der Bevölkerung) bedeutet das Urteil nicht nur Gottesfrevel. Sie sehen in der Allah-Debatte auch einen politischen Vorstoß der christlichen Minderheit, um die seit Staatsgründung durch Verfassungsvorzüge privilegierte muslimische Mehrheit herauszufordern.

Vorderhand darf die Katholische Kirche den Begriff Allah wieder in der malaiischsprachigen Ausgabe ihrer Wochenzeitung »Catholic Herald« verwenden. Schließlich haben Malaysias Christen den Sohn Gottes, Jesus Christus, immer als Sohn Allahs bezeichnet. Auch Christen in Indonesien nennen Gott Allah, nur die Betonung ist anders. Nach Herald-Redakteur Lawrence Andrew gebe es im Malaiischen keinen angemesseneren Begriff für Gott. Malaiischsprachige Bibeln sprechen seit jeher von Allah.

Die meisten Muslime erachten den Namen Allah indes als Vorrecht ihres Glaubens, während Malaysias zumeist chinesisch-stämmige christliche Minderzeit die Empörung über einen »christlichen Allah« als Teil einer breiteren Islamisierungskampagne sieht.

Tatsächlich nahm die Radikalisierung des Islam in Malaysia in den letzten Jahren zu, was schon an der wachsenden Anzahl von Scharia-Gerichtshöfen zu erkennen ist. Eine 32-jährige Mutter von zwei Kindern wurde letztes Jahr für das Trinken von Bier in einer Hotelbar verurteilt. Von ihrer eigenen Religion brüskiert, forderte die Muslimin, dass ihre Prügelstrafe in aller Öffentlichkeit ausgeführt werde. Prompt zögern jetzt die Richter. Für viele gilt Kartika Sari Dewi Shukarno als Heldin.

Nach außen gibt sich Malaysias Regierung als Fürsprecherin von Pluralismus. Premier Najib verspricht die Versöhnung der angespannten Beziehungen zwischen Malaysias drei Hauptethnien, den Malaien, Chinesen und Indern. Doch »Islam und die Regierung haben im Grunde fusioniert«, erklärt der malaysische Politologe Maznah Mohamad von Singapurs Nationaler Universität. Weshalb auch niemand überrascht war, als der Regierungssprecher jetzt Berufung gegen das Urteil ankündigte.

Der als Heißsporn bekannte Altpremier Mahathir Mohamad forderte überdies strikte Regeln für Nicht-Muslime, wie der Name Allah zu brauchen sei. Man stelle sich vor, so Mahathir, Christen würden Allah auf Spruchbänder schreiben oder in einer Form darstellen, die im Islam nur Gotteslästerung bedeuten könne.

Von einer Allah-Krise, wie sie um die dänische Karikatur entbrannte, warnt noch keiner. Doch Muslime werfen der Oberrichterin und gläubigen Christin Lau Bee Lan Befangenheit vor. Das gegnerische Lager sagt, zum Glück habe eine Christin Recht gesprochen. Ein muslimischer Richter hätte nicht zweimal über das Urteil nachgedacht.

* Aus: Neues Deutschland, 7. Januar 2010


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