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Einseitige Hilfen

Malaysias Regierung pumpt Milliarden in die kriselnde Wirtschaft des einstigen Tigerstaates. Die Bedürftigsten gehen leer aus

Von Thomas Berger *

Mit 60 Milliarden Ringgit, umgerechnet etwa 16 Milliarden US-Dollar, will Malaysias Regierung der Wirtschaft des Landes unter die Arme greifen. Die schwächelt spürbar, es läuft längst nicht mehr rund im einst boomenden südostasiatischen »Tigerstaat«. Der Politik geht es gegenwärtig nur noch darum, die Auswirkungen der von den USA ausgegangenen globalen Krise auf die heimische Ökonomie abzufedern. Über die nächsten zwei Jahre verteilt soll nun eine riesige Finanzspritze im Umfang von neun Prozent des jährlichen Bruttosozialproduktes das Schlimmste verhindern.

Exporte eingebrochen

Bereits im November 2008 hatte es ein erstes Maßnahmepaket zur Konjunkturstützung im Volumen von sieben Milliarden Ringgit gegeben. Doch die vorliegenden Wirtschaftsdaten vom Anfang dieses Jahres legen nahe, daß dieser Schritt noch nicht viel bewirkt hat und demzufolge größere Anstrengungen gefragt sind. Vor allem die Exportbranche, das Rückgrat der malaysischen Wirtschaft, hat kräftig Federn lassen müssen. Im Vergleich zum Januar des Vorjahres brachen die Ausfuhren um 28 Prozent ein. Experten befürchten, daß dies erst der Anfang einer Abwärtsspirale ist. So sind genau die Rohstoffe, mit denen das Land sonst gut verdienen konnte, derzeit im Vergleich zu den zurückliegenden Jahren preislich im Keller angelangt: Sowohl für Erdöl und Erdgas als auch das umstrittene Palmöl, das aus Ölpalmen auf unzähligen Plantagen an Stelle gerodeten Urwalds gewonnen wird, wird auf dem Weltmarkt weniger gezahlt.

Die innenpolitischen Spannungen haben dazu beigetragen, daß Regierung und Experten die schon länger blinkenden Warnsignale nicht rechtzeitig wahrnahmen. Mahathir Mohamad, der langjährige, autokratisch regierende Premierminister, galt nicht ohne Grund als der Vater des modernen Malaysia. Mit seiner Vision 2020 hatte er enorme Schritte unternommen, das Land aus der Rückständigkeit zu holen und mit Macht im 21. Jahrhundert zu verankern. Megaprojekte wurden aus dem Boden gestampft, und Kuala Lumpur machte eine Zeitlang sogar dem benachbarten Stadtstaat Singapur als modernste Metropole Südostasiens Konkurrenz.

Ein Zeichen, daß es den Malaysiern zum großen Teil relativ gutging, waren die Arbeitsmigranten, die vornehmlich aus den ärmeren Nachbarländern wie Philippinen und Indonesien ins Land strömten. Diese wurden vor allem in jenen Branchen eingesetzt, die Einheimischen als zu unattraktiv, zu schmutzig und gefährlich galten. Der boomende Bausektor zählte dazu, ebenso wie Müllabfuhr und zum Teil die Gastronomie. Seit etwa drei Jahren sind die einst so gefragten Gastarbeiter eher unerwünscht, und die Politik drängt auf Rückführung. Zur Not per Zwangsmaßnahmen. Eine Weile war es um dieses heikle Problem recht ruhig. Inzwischen deutet sich eine neuen Kampagne an. Finanzminister und Vizepremier Najib Razak, der das Konjunkturpaket vorstellte (er soll noch dieses Jahr Regierungschef Abdullah Badawi ablösen), kündigte zugleich an, daß man »die Abhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften« weiter verringern wolle. Im Klartext heißt das erneut rabiates Vorgehen gegen die sogenannten Illegalen, wie schon mehrfach erprobt.

Die weitgehend rechtlosen Migranten scheinen geeignete Zielscheiben, denn die Krise hat längst auf den Arbeitsmarkt durchgeschlagen. Von 3,7 auf 4,5 Prozent könnte die Arbeitslosenquote in diesem Jahr steigen, heißt es in Medienberichten. Offiziell waren im September 2008 etwa 343000 Malaysier erwerbslos. Beschäftigungssicherung hat deshalb für die Regierung hohe Priorität, die allein zwei Milliarden Ringgit reserviert hat, um insgesamt 163000 Stellen im öffentlichen Sektor neu zu schaffen oder bei privaten Firmen durch finanzielle Anreize Entlassungen zu verhindern.

»Frisches« Kapital

Ein relativ kleiner Betrag ist dies allerdings im Vergleich zu den 29 Milliarden, die aus dem Konjunkturpaket in einen Sonderfonds für notleidende Unternehmen fließen sollen. Damit ist fast die Hälfte des Gesamtvolumens nur dafür vorgesehen, frisches Kapital und Liquidität bereitzustellen sowie Kredite abzusichern. Zusätzlich werden 19 Milliarden Ringgit für Infrastrukturprojekte und staatliche Investitionen im industriellen Sektor spendiert. Einige große Vorhaben sollen vor allem der Baubranche und nachgeordneten Bereichen Aufträge verschaffen. An vorderster Stelle stehen dabei der Ausbau des Flughafens auf der Insel Penang und die Installation eines Breitbandnetzes.

Mit den Visionen Mahathirs hat all dies nur noch wenig zu tun. Obwohl das Paket für die beiden Jahren einen kleinen Extrahaushalt darstellt, fehlt ein grundlegendes Konzept. Vor allem aber ist das Paket bei näherer Betrachtung völlig unausgewogen und sozial ungerecht. Das Geld kommt mehrheitlich größeren Firmen zugute, während für Selbständige wie Bauern und Fischer bestenfalls noch Almosen in Form zusätzlicher Mikrokredite abfallen, sowie Wohnungseigentümer bei Krediten steuerlich entlastet werden. Abhängig Beschäftigte gehen völlig leer aus.

* Aus: junge Welt, 14. März 2009


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