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Streit um Land

Neues altes Konfliktpotential im ostmalaysischen Sabah *

Seit dem 11. Februar herrscht Mißstimmung zwischen den südostasiatischen Nachbarländern Malaysia und den Philippinen. Die Diplomaten in den Hauptstädten Kuala Lumpur und Manila sind bemüht, die ansonsten reibungslosen nachbarschaftlichen Beziehungen wieder ins Lot zu bringen. Grund für die Mißstimmung: An jenem Tag waren zwischen 100 und 300 – teils bewaffnete – Mitglieder (beide Seiten geben da unterschiedliche Zahlen an) der Königlichen Armee des Sultanats von Sulu mit Motorbooten in Lahad Datu und anderen Orten Sabahs angelandet. Sie seien gekommen, ließ Sultan Jamalul Kiram III. durch seinen Sprecher verkünden, ihre seit langem bestehenden Landbesitzrechte durchzusetzen.

Bislang sind nach unterschiedlichen Berichten zwischen 66 und annähernd 100 Menschen bei den Auseinandersetzungen ums Leben gekommen. Während die malaysischen Behörden diese Ereignisse herunterspielen und bereits von einem Rückzug der Anhänger des Sultans sprechen, bezeichnet das als Propaganda. Gegenüber der auflagenstarken Tageszeitung Philippine Daily Inquirer erklärte Kiram III. kürzlich: »Wir bleiben vor Ort. Warum sollten wir unsere Heimat verlassen? Tatsächlich bezahlen uns die Malaysier dafür bis heute Miete.« Diese beträgt jährlich 5300 malaysische Ringgit (umgerechnet gut 1700 US-Dollar) und wird von der Botschaft Malaysias in Manila per Scheck bezahlt.

Im Jahre 1658 vermachte der Sultan von Brunei dem in Sulu jenes Territorium, das sich heute Sabah nennt – als Dank dafür, daß letzterer half, eine Revolte in Brunei niederzuschlagen. Am 22. Januar 1878 unterzeichnete schließlich der Sultan von Sulu mit Vertretern der British North Borneo Company ein Abkommen, das letzterer Sabah auf unbestimmte Zeit gegen eine jährliche Zahlung von 5000 malaiischen Dollar »überließ«. Der Knackpunkt ist der in der Tausug-Übersetzung verwendete Begriff »padjak«, was wörtlich »überlassen«, »verpachten« oder »mieten« heißt. Im englischen Text indes ist von »grant and cede« die Rede, was hingegen »überlassen« bzw. »abtreten« bedeutet.

1946 trat die British North Borneo Company ihrerseits Sabah an die Regierung in London ab, woraufhin der Sultan von Sulu elf Jahre später das (Pacht-)Abkommen aufkündigte. Während die Bevölkerung in Sabah 1963 mehrheitlich für den Anschluß an die neugeschaffene Föderation Malaysia votierte, übertrug der Sultan von Sulu, seit 1946 Bestandteil der gerade unabhängig gewordenen Republik der Philippinen, der jeweiligen Regierung in Manila das Recht, seinen Anspruch auf Sabah politisch und diplomatisch durchzusetzen. (rw)

* Aus: junge Welt, Montag, 18. März 2013


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