Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Das vertuschte Massaker von Batang Kali

Malaysia: Angehörige von ermordeten Plantagenarbeitern setzen ehemalige britische Kolonialmacht unter Druck

Von Alois Leinweber, Petaling Jaya/Malaysia *

Bis heute wirkt in Malaysia die britische Kolonialherrschaft nach, die offiziell 1957 endete. Unter anderem weigert sich London immer noch hartnäckig, die Akten zu einem der grausamsten Kapitel dieser Geschichte offenzulegen – ein Massaker an 24 Plantagenarbeitern in Malaya durch eine Einheit der britischen Scots Guards. 60 Jahre danach erklärten nun Angehörige der Opfer, sie wollten Klage in der britischen Hauptstadt einreichen, um eine Veröffentlichung der Dokumente zu erreichen.

Zudem verlangten sie am Mittwoch eine offizielle Entschuldigung seitens der britischen Regierung und eine angemessene Entschädigung. Außerdem soll die ehemalige Kolonialmacht ein Mahnmal zum Andenken an die Ermordeten finanzieren. Derweil spielen die zuständigen britischen Stellen ebenso weiter auf Zeit wie die malaysische Regierung. Entgegen kommt ihnen dabei, daß über den Kolonialkrieg im damaligen Malaya in Europa kaum etwas bekannt ist.

Am 12. Dezember 1948 erschossen Soldaten der britischen Scots Guards 24 Plantagenarbeiter in Ulu Yam in der Batang-Kali-Region etwa 60 Kilometer nördlich von Kuala Lumpur. Das geschah ein halbes Jahr nachdem die britische Kolonialregierung den Notstand für die malayische Halbinsel ausgerufen und damit einen zwölf Jahre dauernden Kolonialkrieg (1948–1960) begonnen hatte, auf dessen anderer Seite vor allem die Malayische Kommunistische Partei mit ihrem militärischen Arm, der Malayan Races Liberation Army, stand. In ihrem Kampf um die Kolonie Malaya entfachte die Kolonialregierung innerhalb weniger Monate eine antikommunistische Hysterie, der dann auch die 24 Plantagenarbeiter zum Opfer fielen.

Ein »Action Committee Condemning the Batang Kali Massacre«, unterstützt von vielen, vor allem chinesischen Nichtregierungsorganisationen, Rechtsanwälten und den Nachkommen der Opfer, startete am Mittwoch in Anwesenheit des malaysischen Transportministers Datuk Ong Tee Kiat eine Unterschriftenkampagne unter eine Petition an die britische Königin Elisabeth II. An Beweisen, so Rechtsanwalt Leon Lu, sei kein Mangel.

Unter dem Druck der weltweiten Wut über das US-Massaker im vietnamesischen My Lai im März 1968 hatte der britische Verteidigungsminister Denis Healey damals neue Untersuchungen zu Batang Kali angeordnet. Unter anderem lagen bereits einige eidesstattliche Erklärungen von ehemaligen Scots Guards-Soldaten vor: »Ich feuerte auf die Leute (...) Sie waren unbewaffnet.« Doch als die Untersuchungen endlich offiziell beginnen sollten, wurden sie von der neuen konservativen Regierung in London unter Edward Heath gestoppt. 1992 dokumentierte die BBC in dem Dokumentarfilm »In cold blood« die Aussagen einiger Augenzeugen, darunter auch die britischer Soldaten.

Vertreter des Komitees suchten vor einigen Wochen im britischen Nationalarchiv in London vergeblich die Akte DFE 70/101, die Zeugenaussagen und Untersuchungsergebnisse zu dem Massaker enthält. Das britische Verteidigungsministerium hatte sie offensichtlich entfernt. Komiteemitglieder verwiesen auf die Brisanz ihrer Nachforschungen: Es gebe noch viele andere Orte in Malaysia, an denen Menschen während des Kolonialkrieges von britischen Soldaten gefoltert und ermordet wurden. Deshalb sei es so wichtig, den Fall Batang Kali an die Öffentlichkeit zu bringen. Das Bild eines britischen Soldaten, der in jeder Hand den Kopf eines Getöteten hält, zeige keine einmalige Entgleisung.

* Aus: junge Welt, 23. August 2008


Zurück zur Malaysia-Seite

Zurück zur Homepage