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Oppositionschef Anwar in Bedrängnis

Malaysia: Interner Streit bei PKR kommt Regierungslager von Premier Najib zugute

Von Thomas Berger *

Malaysias führende Oppositionspartei steckt in der Krise – die Parti Keadilan Rakyat (Gerechtigkeitspartei/PKR) von Anwar Ibrahim wird von heftigen internen Auseinandersetzungen erschüttert. Zaid Ibrahim, ein Führungsmitglied im Zentrum des Streits, ist offenbar dabei, seine eigene Partei aus der Taufe zu heben. Doch auch wenn ihm nach den jüngsten Konflikten viele in der PKR keine Träne nachweinen, sind insgesamt die Negativschlagzeilen mit Blick auf die nächstes Jahr anstehenden Wahlen alles andere als hilfreich für die politische Kraft, die mit ihren Bündnispartnern Premierminister Najib Razak entthronen will.

Zaid Ibrahim hatte sich zunächst bei der laufenden PKR-Urwahl für das Amt des stellvertretenden Parteichefs beworben, mittlerweile aber seine Kandidatur zurückgezogen. Dem amtierenden Vize Azmin Ali, der wohl seinen Posten behalten wird, warf Zaid Manipulation vor und richtete seine Kritik inzwischen auch direkt an Anwar. Der wichtigste Gegenspieler von Premier Najib Razak hat in der PKR zwar kein offizielles Parteiamt inne, ist jedoch faktisch ihr Führer. Seine Frau Wan Azizah hält als Vorsitzende die Stellung, weil ihr Mann sich noch immer juristisch gegen Vorwürfe der Vergewaltigung eines ehemaligen Mitarbeiters zur Wehr setzen muß.

Zaid, ein ehemaliges Mitglied der UMNO (dominierende Partei im regierenden Parteienbündnis Nationale Front), war erst vor anderthalb Jahren zur PKR gestoßen und dort in die Führungsspitze aufgerückt. Sein bevorstehender Austritt kommt etwas überraschend, doch hat er seinen Einfluß offenbar selbst überschätzt. Ein bis zwei Parlamentsabgeordnete der Keadilan könnten ihm in eine neue Partei folgen, doch wesentlich mehr prominente Abgänge wird er wohl er nicht auslösen. Wesentlich unangenehmer ist das Waschen schmutziger Wäsche in der Öffentlichkeit. Zaids Vertraute ließen drei Busse mit Protestierern, vor allem indischstämmige Jugendliche, vor dem PKR-Hauptquartier vorfahren und forderten Anwar und seine Frau zum Rücktritt auf.

Genüßlich verfolgt die UMNO die Verbalattacken prominenter PKR-Vertreter gegeneinander, in denen auch schon mal Bezeichnungen wie »politische Parasiten« fallen. Die Keadilan-Partner in der Oppositionsallianz wiederum zeigen sich besorgt. Sowohl die ebenfalls liberale, vor allem von der chinesischen Minderheit getragene Demokratische Aktionspartei (DAP) als auch die Islamische Partei (PAS) wollen sich zwar nicht in interne PKR-Angelegenheiten einmischen, sehen aber die Negativpublicity mit großer Beunruhigung. 2008 hatte es die Dreier-Opposition erstmals geschafft, die seit 1969 bestehende Zweidrittelmehrheit von UMNO & Co. zu knacken, die nur noch auf die Hälfte der Stimmen kamen. PKR, DAP und PAS konnten insgesamt 82 Sitze erringen und ihr prozentuales Ergebnis vervierfachen.

Anwar, unter dem früheren Premier Mahathir Mohamad Finanzminister und einst dessen Kronprinz, bevor er in Ungnade fiel und eine Zeitlang wegen Korruptions- und Homosexualitätsvorwürfen im Gefängnis landete, ist nach wie vor die einzige Führungspersönlichkeit, welche die vielgestaltige Opposition hinter sich vereinen kann und als Herausforderer von Najib Razak Chancen hat. Gescheitert war er allerdings im Vorjahr mit dem Versuch, durch den Lagerwechsel von Regierungsabgeordneten eine Entmachtung des Premiers herbeizuführen.

* Aus: junge Welt, 20. November 2010


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