Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Wem gehört Sabah?

Bewaffnete wollen Gebietsanspruch des Sultans von Sulu stützen. Malaysia und Philippinen für friedliche Lösung

Von Thomas Berger *

Die Anwesenheit einer Gruppe von 100 bis 200 bewaffneten Filipinos im Nordosten Malaysias belastet seit nunmehr zwei Wochen das Verhältnis zwischen den beiden südostasiatischen Staaten. Bei den Männern handelt es sich um Angehörige der selbsternannten »Royalen Armee Sulus«, die den Gebietsanspruch des Sultans von Sulu auf den malaysischen Teilstaat Sabah auf der Insel Borneo untermauern wollen. Heimlich war die kleine Streitmacht in der abgelegenen Ortschaft Lahad Datu gelandet, wo sie inzwischen von Angehörigen der malaysischen Polizei eingekesselt ist. Eine Erstürmung des Dorfes wäre zwar durchaus möglich, die Regierungen in Kuala Lumpur und Manila wollen aber alles tun, um den Konflikt friedlich beizulegen. Mehrfach mahnten Politiker beider Seiten zur Mäßigung, der philippinische Präsident Benigno Aquino hat die Bewaffneten zum Rückzug aufgefordert. Des Sultans Männer, angeführt von dessen Bruder, gelten aber als schwer berechenbar.

Es ist ein uralter Streit, der da von einer kleinen Gruppe aktuell wieder hochgekocht wird. Lange Zeit herrschte der Sultan von Sulu, einer Inselgruppe am südwestlichen Rand der Philippinen, über ein großes Territorium im Umfeld, das auch das Gebiet von Sabah einschloß. Als später die Spanier die Philippinen ihrem weltumspannenden Kolonialreich einverleibten, war Sulu so etwas wie das widerspenstige gallische Dorf, das den mächtigen Römern Paroli bot. Selbst eine direkte militärische Offensive 1638 schlug fehl, erst 1848 konnte die spanische Streitmacht ihren Sieg feiern. 30 Jahre später kam mit den Spaniern ein Vertrag zustande. Sie durften eine Festung errichten, erkannten dafür formell den Sultan an, dem sie eine Art Pacht zahlten. Ähnlich verhält es sich mit Sabah, das 1658 als Geschenk aus Dankbarkeit für die Hilfe bei der Niederschlagung eines Aufstandes vom Sultan von Brunei an Sulu übereignet worden war. 1963 wurde Sabah Teil des neuen Malaysia. Doch bis heute zahlt die Regierung in Kuala Lumpur alljährlich 5000 Ringgit (etwa 1500 Dollar) an die Sultansfamilie von Sulu, was auf der Gegenseite nun mehr denn je als eine Form von Pacht für das Territorium interpretiert wird, das nach wie vor zu Sulu gehöre. Der autokratische Präsident Ferdinand Marcos auf den Philippinen hatte 1973 versucht, den Gebietskonflikt für seine Zwecke auszunutzen. Er ließ eine geheime Miliz für einen Überfall auf Sabah ausrüsten – der Plan wurde aber vor Umsetzung bekannt, die Gruppe (augenscheinlich von der philippinischen Armee zur Verschleierung des Skandals) liquidiert.

Der heutige Staatschef Aquino jedenfalls hat Sultan Jamalul Kiram III., der übrigens nicht der einzige aus der verzweigten Familie mit Thronansprüchen ist, ausdrücklich vor einer Eskalation der Lage gewarnt. Die volle Macht des Gesetzes werde der Herrscher zu spüren bekommen, sollte die Aktion der Männer unter dem Kommando seines Bruders womöglich philippinische Arbeitsmigranten oder wirtschaftliche Interessen auf Malaysia in Gefahr bringen. Die Regierung in Manila sei verhandlungsbereit, ein Rückzug der Bewaffneten aber Voraussetzung für Gespräche.

* Aus: junge Welt, Freitag, 1. März 2013


Zurück zur Malaysia-Seite

Zur Philippinen-Seite

Zurück zur Homepage