Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Alles bleibt, wie es war

Malaysia: Regierungskoalition büßt Stimmen ein, gewinnt dennoch die Wahlen. Vorwurf von Unregelmäßigkeiten

Von Thomas Berger *

So knapp und zugespitzt wie diesmal war die Entscheidung noch nie. Doch am Ende waren alle Hoffnungen der Oppositionsallianz um ihren Anführer Anwar Ibrahim (65) auf einen Machtwechsel in Malaysia zerstoben. Die Regierungskoalition Nationale Front (BN) von Premier Najib Razak büßte bei der Wahl am Sonntag zwar nach dem bereits erfolgten Verlust der Zweidrittelmehrheit vor fünf Jahren abermals Stimmen und Mandate ein, konnte sich letztlich aber dennoch einen Sieg sichern. Nach aktuellen Informationen kommt sie auf 133 der 222 Sitze, noch einmal sieben weniger als bisher. In gleicher Höhe wächst die Vertretung des oppositionellen Bündnisses aus Anwars eigener Gerechtigkeitspartei (PKR), der Demokratischen Aktionspartei (DAP) und den moderaten Islamisten der PAS auf künftig 89 Abgeordnete. Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 80 Prozent.

So richtig freuen mag sich bei den Regierungsgegnern über diese abermalige Steigerung jedoch niemand. Vielmehr ist der Frust groß, daß die bisher beste Chance verspielt wurde, die seit 56 Jahren regierende Koalition an den Schalthebeln der Macht in dem südostasiatischen Staat abzulösen. Ob es ein eigenes Schwächeln auf der Zielgerade oder Einflüsse von außen waren, die den greifbar nahen Sieg gekostet haben, läßt sich derzeit noch nicht sagen. Anwar selbst und weitere Vertreter der Dreier-Allianz werfen dem gegnerischen Lager Unregelmäßigkeiten vor. Malaysias Opposition will die Wahlniederlage deswegen nicht akzeptieren und hat zu Massenprotesten aufgerufen. Anwar rief die Bürger zu einer ersten Kundgebung am Mittwoch in einem Fußballstadion nahe der Hauptstadt Kuala Lumpur auf. »Das wird der Anfang einer leidenschaftlichen Bewegung, um dieses Land von Mißbrauch und Betrug bei Wahlen zu säubern«, sagte er am Dienstag.

Schon vor dem Wahltag war bemängelt worden, daß sich die angeblich wasserfeste Tinte, in die Wähler nach ihrer Stimmabgabe ihren Finger tauchen, abwaschbar sei. Auch bei der Registrierung von Wahlberechtigten – mit 13,3 Millionen eine Rekordzahl – sei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen.

Größter Gewinner ist die DAP mit einem Zuwachs um zehn auf nun 38 Sitze. Die Steigerung geht vor allem zu Lasten der in der chinesischen Minderheit (knapp 24 Prozent) verankerten BN-Parteien MCA und Gerakan. Letztere verlor einen ihrer zwei Sitze, die MCA büßte gleich neun ihrer bisher 15 Mandate ein. Die ethnischen Chinesen scheinen mehrheitlich das Vertrauen in die Regierung verloren zu haben. PKR mit nun 30 und PAS mit 21 Abgeordneten konnten demgegenüber nicht ganz so stark zulegen wie erhofft. Gerade in etlichen ländlichen Regionen griffen offenbar trotz eines gewissen Grads an Unzufriedenheit traditionelle Loyalitäten der Wähler zu den BN-Parteien.

Premier Najib Razak dürfte einerseits erleichtert sein, den drohenden Machtverlust erfolgreich abgewendet zu haben. Allerdings geht er nicht nur national, sondern vor allem in den eigenen Reihen geschwächt aus diesem Urnengang hervor, in dessen Vorfeld er als Ziel ausgegeben hatte, die 2008 verlorene Zweidrittelmehrheit zurückzuerobern. In der nächsten Zeit dürfte ihn das schlechte Abschneiden intern weiter unter Druck setzen. Am Tag nach der Wahl versuchte es Najib kurz nach Verkündung der Ergebnisse mit einer Versöhnungsbotschaft. Die faktische Spaltung der Nation müsse überwunden werden. Dieses Ziel ist mit der Nichtanerkkennung des Wahlergebnisses durch die Opposition jedoch in weite Ferne gerückt. Lediglich die Wirtschaft begrüßte die Bestätigung der bisherigen Mehrheitsverhältnisse. Der Leitindex an der Börse von Kuala Lumpur sowie die nationale Währung Ringgit zeigten sich am Montag mit historischen Höchstständen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 8. Mai 2013


Zurück zur Malaysia-Seite

Zurück zur Homepage