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"Solar-Valley" am Ende

Solarzellenhersteller Q-Cells lagert Produktion nach Malaysia aus. Standort bei Bitterfeld-Wolfen war mit 40 Millionen Euro subventioniert worden

Von Susan Bonath *

Der Markt bestimmt die Regeln, Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) spielt mit. Noch im September versprach ihm die Führungsspitze des Konzerns Hanwha bei seinem Besuch in Südkorea eine »goldene Zukunft« für Q-Cells in Bitterfeld-Wolfen. Hanwha hatte den Solarzellenhersteller 2012 unter großem Jubel von Politikern aus der Insolvenz aufgekauft. Nun hat der Konzern gezeigt, was er selbst unter einer »goldenen Zukunft« versteht: 550 von gut 800 Beschäftigten müssen gehen, die Produktion wird ab März nach Malaysia verlagert (siehe jW vom Freitag). Solarzellen aus Thalheim bei Bitterfeld-Wolfen sind Geschichte, Hanwhas Zusagen, Arbeitsplätze zu sichern, hinfällig.

Im Land der Niedriglöhne und der Massenarbeitslosigkeit droht den Gekündigten nun der soziale Abstieg. Die Kritik aus den Reihen der Linksfraktion im Magdeburger Landtag, fast 40 Millionen Euro Fördermittel für Q-Cells letztlich in den Sand gesetzt bzw. die Ausbeutung in der »dritten Welt« unterstützt zu haben, prallt an Haseloff ab. Immerhin, erklärte er am Donnerstag in einem Interview mit dem MDR, habe der Konzern ein neues Versprechen abgegeben: Die Forschungsabteilung soll bleiben, dafür gebe es mündliche und schriftliche Zusagen des Unternehmens. Er wolle sich für ihren Ausbau einsetzen.

Haseloff wusste im Gespräch mit dem Sender auch Schuldige für die Auslagerung der Massenproduktion zu nennen. Verantwortlich seien, so der CDU-Mann, Überkapazitäten auf dem Weltmarkt. Dieser sei mit Billigware aus China überschwemmt. Gerade im Fall Q-Cells seien aber die deshalb eingeführten Strafzölle für den Import von Billigware hinderlich, sagte der Ministerpräsident. Denn Firmeneigentümer Hanwha betreibt selbst ein Werk in China, führt einzelne Komponenten für die Produktion nach Deutschland ein und ist so auch von den Zöllen betroffen. Die dritte Ursache sieht Haseloff im Wertverlust des Euro. »Wir produzieren auf Euro-Basis, gekauft wird aber mit Dollar«, erklärte er. Das mindere die Gewinne enorm.

Hätte man die Probleme voraussehen können? Ja, meinte Reint Gropp, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) gegenüber dem MDR. Das Land habe riesige Subventionen in Produkte gesteckt, die bekannterweise in China in Massen und weit billiger produziert wurden, so Gropp.

Schon die alten Eigentümer von Q-Cells hatten sich offenbar gezielt auf das Auslagern der Produktion vorbereitet. Das 1999 von drei Ingenieuren in Bitterfeld gegründete Unternehmen legte zunächst einen rasanten Aufstieg hin. Von 2000 bis 2008 kletterte die Zahl der Beschäftigten von 19 auf mehr als 2.300. Im Jahr 2005 ging das Vorzeigeunternehmen aus dem Bitterfelder »Solar Valley« an die Börse, und der Umsatz wuchs von 17,3 Millionen Euro bis 2008 auf 1,25 Milliarden – eine staatlich geförderte Erfolgsgeschichte, von der auch ein Insider privat profitierte: Johannes Dinnies von der Osten. Der Exchef der Investions- und Beteiligungsgesellschaft (IBG) des Landes Sachsen-Anhalt bewilligte die Fördermittel und kassierte zugleich gemeinsam mit dem früheren Q-Cells-Chef Thomas von Aubel und dessen Frau über verdeckte Aktiengeschäfte ab. Dabei soll es sich um eine Summe von mehr als 100 Millionen Euro gehandelt haben. Ein parlamentarischer Ausschuss untersucht derzeit den Skandal.

Nach Malaysia zog es die Firma schon Im Juni 2008. In Kuala Lumpur wurde der Grundstein für ein neues Werk gelegt, in dessen Bau die Firma eine Milliarde Euro investierte. Als die Fabrik 2009 die Fertigung aufnahm, begann in Deutschland mit der Finanzkrise der Abstieg: Die Einnahmen brachen ein, 500 Mitarbeiter mussten gehen. 2011 verbuchte Q-Cells nach eigenen Angaben einen Verlust von fast einer Milliarde Euro. Kurz darauf meldete der Konzern Insolvenz an, eine weitere Massenentlassung stand an.

Hanwha sollte den Solarzellenproduzenten 2012 retten, nun will der Konzern nur noch in Malaysia produzieren, wo die Löhne der Beschäftigten weit unter denen in Sachsen-Anhalt liegen. Die Produktionskosten für Solarzellen seien in Deutschland mehr als doppelt so hoch wie in dem südostasiatischen Land, erklärte Konzernsprecher Jochen Endle. Insgesamt schreibe Hanwha Q-Cells zwar schwarze Zahlen, in Deutschland seien aber zuletzt Verluste entstanden.

* Aus: junge Welt, Samstag, 24. Januar 2015


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