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Große Erwartungen in "Anni"

Präsident der Malediven vereidigt / Sparen für den Fall des Untergangs

Von Hilmar König, Delhi *

Der 41 Jahre alte Mohamed Nasheed, Führer der Maledivischen Demokratischen Partei, leistete am Dienstag (11. Nov.) in der Inselhauptstadt Malé seinen Amtseid als Präsident der Malediven. Er gewann Ende Oktober die Wahlen gegen das langjährige Staatsoberhaupt Maumun Abdul Gayum.

Der Dienstag war ein Feiertag für die Mehrheit der 370 000 Bewohner der nahezu 1200 Koralleninseln im Indischen Ozean. Am 28. Oktober hatten 54 Prozent der Wahlberechtigten Mohamed »Anni« Nasheed im zweiten Wahlgang zum neuen Präsidenten gekürt. Gayum, wegen seines autoritären Regierungsstils auch als »Sultan« betitelt, von der Dhivehi Rayyithunge Party kam auf 46 Prozent der Stimmen.

Die Erwartungen unter den Insulanern, dass der Neue alles besser macht, sind hoch. Nasheed hat viel versprochen. Als Priorität nannte er, den Lebensstandard zu verbessern, vor allem für die rund 40 Prozent der Bevölkerung, die mit weniger als einem Dollar Tagesverdienst auskommen müssen, obwohl der Staat mit dem Tourismus für betuchte Ausländer bislang Millionen Dollar scheffelte.

Nasheed macht dem Volk auch Hoffnungen, dass er für dessen Existenz Sorge tragen wird. Gegenüber einer britischen Zeitung äußerte er, er wolle nicht, dass die Malediver angesichts der globalen Erwärmung und des damit verbundenen Ansteigens des Meeresspiegels eines Tages als »Umweltflüchtlinge« enden. Stiege der Ozeanspiegel nur um einen Meter, würde das den Untergang des Inselstaates bedeuten. Deshalb will Nasheed einen Teil der Tourismus-erlöse in einem Fonds sammeln, aus dem im Bedarfsfall sicheres Land in einem anderen Staat gekauft werden könnte.

In Frage kämen Indien und Sri Lanka wegen ähnlicher klimatischer und kultureller Bedingungen, aber auch Australien, deutete er an. Einige Staaten hätten für seine Absichten durchaus Verständnis bekundet. Der steigende Meeresspiegel ist indes nur eines der Probleme des engagierten Politikers. Er will das Gesundheitswesen und die Kommunikation zwischen den rund 200 bewohnten Eilanden verbessern. Er will die noch von Gayum eingeleiteten demokratischen Reformen, darunter Pressefreiheit, konsequent fortführen. Er will staatliche Unternehmen, an denen sich der Gayum-Klan bereicherte, privatisieren und den Präsidentenpalast in die erste Universität des Landes umwandeln.

Für die Übervölkerung Malés – 90 000 Einwohner auf 2,5 Quadratkilometern – hat er noch kein Konzept. Auch den Auswirkungen der globalen Finanzkrise zu begegnen, wird ihm nicht leichtfallen. Obendrein existiert ein Drogenproblem, von dem jeder dritte Jugendliche betroffen ist.

»Anni«, wie ihn seine Anhänger nennen, gründete im Jahr 2003 mit seinem Gefährten Mohamed Lathif die Maledivische Demokratische Partei (MDP), die 2005 anerkannt wurde, als Gayum politische Parteien zuließ.

Als Journalist, Aktivist der demokratischen Bewegung und unbeugsamer Opponent Gayums, der 30 Jahre lang an der Macht war, wurde Mohamed Nasheed wiederholt eingesperrt, misshandelt, gefoltert, kam unter Hausarrest und in Einzelhaft. 2004 erhielt er politisches Asyl in Großbritannien. Die nächste Bewährungsprobe haben er und die MDP bei den für Februar angesetzten Parlamentswahlen zu bestehen.

* Aus: Neues Deutschland, 12. November 2008


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