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David gegen Goliath

Malediven und Indien liegen im Streit wegen Expräsident Mohamed Nasheed

Von Hilmar König *

Was wird mit dem früheren maledivischen Präsidenten Mohamed Nasheed? Seit dem 13. Februar sitzt er in der indischen diplomatischen Vertretung in der Hautpstadt Male. Er flüchtete vor dem Zugriff der Justiz, die ihm Amtsmißbrauch vorwirft. Im diplomatischen Tauziehen um den »Asylanten« wird der Ton immer rauher. Anfangs hieß es in Male noch, man habe nichts mit Neu-Delhi zu verhandeln. Dem indischen Botschafter im maledivischen Außenministerium wurde eine scharfe Protestnote ausgehändigt. Nasheed würden politische Meetings in der Botschaft ermöglicht und dieser rufe von dort zu Unruhe und Gewalt auf den Straßen auf. Aus der sicheren Zufluchtstätte gab Nasheed tatsächlich eine Erklärung zu den Ereignissen nach seinem Sturz vor einem Jahr ab. Er verwies darin auf massenhafte Festnahmen, Brutalität der Polizei gegen Demonstranten, sowie politisch motivierte Gerichtsprozesse gegen etwa 800 Mitglieder seiner Partei. Das demonstriere, daß man dem jetzigen Präsidenten nicht vertrauen könne, Wahlen nach demokratischen Regeln durchzuführen. Deshalb müsse dieser zurücktreten und eine unparteiische Übergangsregierung gebildet werden, damit alle Präsidentschaftskandidaten ungehindert konkurrieren können.

Neu-Delhi wies alle Vorwürfe zurück: Man erweise dem Gast lediglich die Höflichkeit, die einem ehemaligen Staatsoberhaupt zustehe. Aus dem indischen Außenministerium verlautete, man mische sich nicht ein, sondern wolle nur einen freien, fairen, glaubwürdigen und inklusiven Prozeß zur Präsidentenwahl, die für den 7. September vorgesehen ist. Die UNO, das Commonwealth, die EU und die USA teilen diesen Wunsch.

Wegen angeblichen Machtmißbrauchs während seiner Amtszeit von 2008 bis Anfang 2012 soll Mohamed Nasheed vor Gericht. Eine Vorladung am 10. Februar nahm er nicht wahr, sondern begab sich in die indische Vertretung. Der 45 Jahre alte Politiker und seine Maledivische Demokratische Partei (MDP) sehen in dem Gerichtsverfahren ein Manöver des jetzigen Präsidenten Mohammed Waheed Hassan, mit dem Nasheed von den Wahlen im Herbst ausgeschaltet werden solle. Vor einem Jahr am 6. Februar war er von putschenden Polizisten und Demonstranten zum Rücktritt gezwungen worden. Die MDP unter Nasheeds Führung kämpfte ab 2003 erfolgreich gegen das autoritäre Regime von Präsident Maumoon Abdul Gayoom und leitete ab 2008 behutsam eine Demokratisierung des islamisch geprägten, 1968 von Großbritannien unabhängig gewordenen Landes ein.

Mohamed Nasheed setzte sich während seiner Amtszeit vor der UNO, der Bewegung der Blockfreien und anderen internationalen Gremien vehement für den Schutz der Umwelt ein. Er gründete im November 2009 das Climate Vulnerable Forum. Ihm gehören Staaten an, deren Existenz vom Klimawandel und steigendem Meeresspiegel stark gefährdet ist. Die Malediven liegen nicht einmal zwei Meter über Seeniveau. Innerhalb von zehn Jahren wollte er das Land ausschließlich mit Solar- und Windenergie versorgen.

Daß seit Dezember 2012 die Beziehungen zum »großen Bruder« Indien sowieso gespannt sind, geht auf ein Abkommen aus Nasheeds Amtszeit zurück. Es beinhaltete die Modernisierung des für den Tourismus wichtigen »Ibrahim-Nasir-Airports« auf der Insel Hulhule. An dem 511-Millionen-Dollar-Vertrag war maßgeblich der südindische Bauriese GMR beteiligt. Die Waheed-Regierung annullierte ihn Ende vorigen Jahres. Neu-Delhi reagierte verschnupft.

Nun gab Fuad Thaufik, der Präsident der maledivischen Wahlkommission, eine bemerkenswerte Stellungnahme ab: »Nasheed ist erstens ein ehemaliger Präsident, zweitens der Präsidentschaftskandidat einer politischen Partei und drittens repräsentiert er die größte politische Partei des Landes. Jeder dieser Faktoren hat signifikantes Gewicht.« Wenn er durch Gerichtsurteil von Wahlen ausgeschlossen werden würde, kämen Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Votums auf.

* Aus: junge welt, Donnerstag, 21. Februar 2013


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