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Konfrontation auf den Malediven

SAARC-Generalsekretärin reicht nach Kritik an Regierung Rücktritt ein

Von Thomas Berger *

Die Regierung der Malediven unter Präsident Mohamed Nasheed von der Maledivischen Demokratischen Partei (MDP) gerät immer mehr in die Kritik. Seit nunmehr anderthalb Wochen halten die Oppositionsproteste in Malé, der Hauptstadt des südasiatischen Inselstaates an. Was sich an der Festnahme eines oppositionellen Politikers und eines Richters entzündete, hat sich inzwischen zu einer handfesten innenpolitischen Krise entwickelt.

Vor allem die Festnahme von Abdul Mohamed hatte den Konflikt zugespitzt. Denn bei dem Mann handelt es sich immerhin um den Chef des Strafgerichtshofes. Daß die Sicherheitskräfte einheimischen Medienberichten zufolge regelrecht sein Haus stürmten, um ihn zu verhaften, war Folge seiner Anordnung, den am 12. Januar erstmals festgenommenen Vizechef der Dhivevi Qaumee Party (DQP), Mohamed Jameel Ahmed, wieder auf freien Fuß zu setzen. Dem Richter wurden seitens der Regierung deshalb Kooperation mit oppositionellen Kräften und sogar Staatsgefährdung unterstellt.

Jameel, der inzwischen wieder freigelassen wurde, und andere DQP-Aktivisten hatten – übrigens keineswegs zum erstenmal – in Haßbotschaften der Regierung vorgeworfen, Marionetten »von Juden und christlichen Priestern« zu sein, den Islam als Staatsreligion und die nationale Unabhängigkeit der Malediven beschädigen zu wollen.

Pikanterweise stehen DQP, die Partei des Expräsidenten, und diverse andere Gruppen unterschiedlichster Ausrichtung aktuell Seite an Seite gegen die Regierung von Nasheed, der vor seiner Wahl zum Staatschef lange Zeit eine Ikone der Demokratiebewegung im Land war. Selbst intern gibt es aber inzwischen Kritik an der wenigstens teilweise selbstverschuldeten Zuspitzung der Lage. So ließ der Vizepräsident am Wochenende durchblicken, daß er die Verhaftung des Richters und den damit ausgelösten Machtkampf mit der Justiz im Gegensatz zu einigen Hardlinern im Kabinett für eine Fehlentwicklung hält und bedauert.

Auf ein positives Echo stieß ebenfalls in den vergangenen Tagen die Bitte um Unterstützung, mit der sich die Regierung an die UNO wandte. Die Konfrontation in Justizkreisen solle mit Hilfe internationaler Experten gelöst werden, wie es hieß. Allerdings werde die Umsetzung einige Zeit in Anspruch nehmen – Zeit, die der vor allem als Urlauberparadies bekannte Inselstaat kaum hat, denn die Stimmung kocht weiter hoch. Nachdem die Polizei in der Vorwoche bei den Protesten teilweise Tränengas eingesetzt hatte, kam es seit Donnerstag zu etlichen weiteren Demonstrationen mit erheblichem Sachschaden und Verletzten, offenbar vor allem aus Kreisen der Sicherheitskräfte. Das Haus des Jugendministers wurde von den Aktivisten regelrecht gestürmt, die Anwesen weiterer Regierungsmitglieder im Außenbereich verwüstet. Vor mehreren öffentlichen Gebäuden gingen Einheiten der Armee zum Schutz in Stellung.

Ein prominentes Opfer hat die Krise nun scheinbar auf regionaler Ebene gefordert: Dhiyana Saeed, die Generalsekretärin des südasiatischen Staatenbundes SAARC, hat übereinstimmenden Medienberichten aus mehreren Ländern zufolge ihren Rücktritt eingereicht, der jedoch noch nicht bestätigt ist. Als erste Frau war die frühere Generalstaatsanwältin der Malediven erst im März 2011 auf diesen Posten gelangt. Aber daß sie in einer Pressekonferenz am Freitag (20. Jan.) öffentlich Kritik an der Regierung in Malé geübt habe, widerspreche den SAARC-Regularien. Denn dessen Spitzenvertreter dürften sich nicht in die Innenpolitik der Mitgliedsländer einmischen.

* Aus: junge Welt, 24. Januar 2012


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