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Unruhe im Urlauberparadies

Politische Krise auf den Malediven schadet der Tourismusbranche

Von Hilmar König *

Wenn das britische Auswärtige Amt eine Reisewarnung herausgibt, dann bestehen dafür gewöhnlich handfeste Gründe. Diesmal trifft das aufs »Urlauberparadies« der Malediven zu. Dort fand zwar auf Bandos, einem der 1200 Eilande des Archipels im Indischen Ozean, am vorigen Wochenende ein internationales Klimameeting statt. Doch auf der Hauptinsel Male, wo sich Regierungs- und Präsidentensitz sowie das Parlament befinden brodelt es seit Anfang des Monats. Präsident Mohamed Nasheed und die Oppositionsallianz sind aneinandergeraten, was zu einer politischen Krise führte. Diese scheint so ernst zu sein, daß London die britischen Touristen gerade warnte, es seien soziale Unruhen in dem südasiatischen Inselstaat möglich, und es bestehe ein Risiko, daß es auf Demonstrationen in Male zu Gewalttätigkeiten kommen könnte.

Die Regierung in Male sah sich in der ersten Juliwoche veranlaßt, geschlossen zurückzutreten. Sie reagierte damit auf die »Blockadestrategie« der Opposition, die im Majlis (Parlament) über eine Mehrheit verfügt. Sie hatte die Verabschiedung mehrerer Gesetze verhindert. 43 der 77 Abgeordneten gelten als Gegner des Präsidenten. Der war nach 30 Jahren Amtszeit des autoritär herrschenden Mohammed Abdul Gayoom im Oktober 2008 erstmals gewählt worden und ist zugleich Führungsmitglied der regierenden Maledivischen Demokratischen Partei.

Just in dieser Zeit, da die maledivische Regierung das Handtuch warf, traf Sri Lankas Präsident Mahinda Rajapakse zu einem Staatsbesuch ein. Angeblich auf Veranlassung Washingtons präsentierte er sich als Vermittler im innermaledivischen Konflikt. Er regte die Bildung eines paritätisch besetzten parlamentarischen Untersuchungsausschusses an, der einen Dialog zwischen dem Präsidenten und dem Parlament initiieren sollte. Das glättete vorübergehend die Wogen. Die Minister kehrten in ihre Ämter zurück. Doch den Ausschuß gibt es bis heute nicht. Unter der Oberfläche kriselte es weiter. Und vorige Woche brachen die Widersprüche erneut auf. Die Maledivische Nationale Verteidigungskraft MNDF ließ neun Oppositionelle festnehmen, darunter den lautstarken Abgeordneten Abdulla Jamin, den jüngeren Bruder von Expräsident Gayoom. Er habe zu Gewalt angestachelt, hieß es in Male als Begründung. Man habe ihn »zur eigenen Sicherheit« in Gewahrsam nehmen müssen. Anhänger der aus vier Parteien bestehenden Oppositionsallianz gingen daraufhin auf die Straße. Bei den Demonstrationen kam zu Zusammenstößen mit Sympathisanten des Regierungslagers und der Polizei. 15 Personen wurden verletzt.

Präsident Nasheed rechtfertigte bei seiner wöchentlichen Freitagsansprache indirekt das jüngste Vorgehen der Behörden, rief jedoch gleichzeitig zu Ruhe und Ordnung auf. Denn Spannungen und Unsicherheit schaden dem Tourismus, der staatlichen Haupteinnahmequelle. Londons Warnung nimmt man in Male ernst. Zudem appellierten der UNO-Generalsekretär, die EU und die USA an die Malediven, eine internationale Vermittlung zuzulassen. Der maledivische Außenminister Ahmed Shaheed nahm das konstruktiv auf und erklärte dazu: »Als noch in den Kinderschuhen steckende Demokratie bleiben wir offen für internationale Vermittlungsbemühungen.«

* Aus: junge Welt, 21. Juli 2010


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