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Hoffen auf ein Comeback

Malediven vor der Wahl: 2012 gestürzter Expräsident Nasheed hat starke konservativ-islamistische Konkurrenz

Von Thomas Berger *

Vor den am Sonnabend anstehenden Präsidentenwahlen auf den Malediven nehmen die Warnungen vor Manipulationen zu. Zwar trafen am Sonntag in der Hauptstadt Malé mehrere indische Wahlbeobachter unter Führung von JM Lyngdoh, einst Chef der nationalen Wahlkommission des großen Nachbarn, ein. Die kleine Gruppe kann aber nicht flächendeckend präsent sein. Zugleich machten Meldungen die Runde, es könnte zu einem heimlichen Austausch der Schreibgeräte in den Wahlkabinen kommen. Angeblich sind massenweise Stifte ins Land geschmuggelt worden, deren Tinte nach einer halben bis dreiviertel Stunde verschwindet. Dies könnte zu einer extremen Zahl leerer und somit ungültiger Stimmzettel führen. Die Wahlkommission nimmt die Warnungen sehr ernst und hat angekündigt, die Stifte halbstündlich kontrollieren zu wollen.

Nach der 30jährigen autoritären Herrschaft von Maumoon Abdul Gayoom (1978–2008) ist es die zweite freie Wahl eines Staatsoberhauptes. Der einstige starke Mann, durch eine breite Volkserhebung gestürzt, zieht hinter den Kulissen noch immer viele Fäden. Er schickt seinen Halbbruder Abdullah Yameen ins Rennen, der für die neue Fortschrittliche Partei der Malediven (PPM) antritt. Zu Zeiten seiner eigenen Herrschaft duldete er zwar keine fundamentalistischen Tendenzen in dem mehrheitlich muslimischen Inselstaat. Aber seine konservative PPM ist auf einen religiösen Kurs eingeschwenkt, dessen Protagonisten sich als »Verteidiger des Islam« aufspielen. Yameens Unterstützer Mohamed Jameel Ahmed fiel diesbezüglich besonders negativ auf, als er voriges Jahr in einem Hetzbrief dem Expräsidenten Mohamed Nasheed unterstellte, »von Juden und christlichen Priestern« ferngesteuert zu sein.

Nasheed, seit 2008 erstes demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt der vom globalen Klimawandel und damit dem steigenden Meeresspiegel besonders bedrohten Inselrepublik, hatte sich in seiner Amtszeit für eine weltoffene tolerante Gesellschaft eingesetzt. Er wollte soziale Reformen einschließlich der stärkeren Besteuerung der Reichen realisieren, was von der Oppositionsmehrheit im Parlament aber zumeist blockiert wurde. Nach einer Polizeirevolte im Februar 2012 gezwungenermaßen zurückgetreten, hofft Nasheed bei der Wahl jetzt auf ein triumphales Comeback und präsentiert sich nach wie vor als weltgewandter Liberaler. Sein damaliger Vize Mohammed Waheed Hassan, der ihn als Interimspräsident im Amt beerbte, kandidiert ebenfalls. Aber er entstammt einer nicht einmal parlamentarisch vertretenen Kleinpartei und blieb auch als Staatsoberhaupt farblos. Daneben gibt es noch einen weiteren Kandidaten, der es mindestens bis in eine Stichwahl schaffen könnte.

Gasim Ibrahim tritt für die Jumhoree Party (JP) an, die ganz offen mit der Adhaalath Party, der größten islamistischen Bewegung des Landes, paktiert. Der Präsidentschaftsanwärter selbst ist frommer Muslim mit der maximal möglichen Anzahl von vier Ehefrauen, mit denen er zwölf Kinder hat. Seinen Aufstieg zu einem schwerreichen Wirtschaftsmagnaten mit geschätztem Vermögen von 500 Millionen Dollar erzählt er gern als Tellerwäscher-zum-Millionär-Story. Seine Mutter starb kurz nach seiner Geburt, unter einfachsten Verhältnissen wuchs er bei seiner Großmutter auf und kam als Jugendlicher zu einer Bedienstetenstelle in der inoffiziellen Residenz des damaligen Präsidenten Gayoom. Dessen Schwager förderte ihn und gehört auch heute noch zu Ibrahims Wahlkampfteam. Der Kandidat, dem eine Kette von Luxusresorts, Außenhandelsfirmen, Fischerei- und Baubetriebe gehören, war von 2005 bis 2008 Finanzminister – und hat in dieser Zeit unrühmliche Schlagzeilen geschrieben. Über die von ihm kontrollierte Staatsbank gewährte er seinem Tourismuskonzern umfangreiche Kredite.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 4. September 2013


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