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Noch eine Intervention

UN-Sicherheitsrat ruft zum militärischen Eingreifen in Mali auf

Von Knut Mellenthin *

Der UN-Sicherheitsrat hat am 20. Dezember einstimmig die Aufstellung einer Interventionstruppe autorisiert, die das Militär des nordafrikanischen Staates Mali im Kampf gegen islamistische Rebellen unterstützen soll. Das Unternehmen wird unter dem Kürzel AFISMA laufen; die Buchstaben stehen im Englischen für den Namen »Afrikanisch geführte internationale Unterstützungsmission in Mali«. Grünes Licht für eine Intervention bedeutet der Beschluß jedoch noch nicht, auch wenn das in vielen Meldungen behauptet wurde. Der Resolution 2085 zufolge darf die Truppe erst tätig werden, »nachdem der Generalsekretär zuvor die Zustimmung des Rates zu der geplanten militärischen Offensivoperation bestätigt hat«. Experten der Vereinten Nationen gehen davon aus, daß die Truppe nicht vor September oder Oktober 2013 einsatzbereit sein wird. In der Resolution selbst wird kein Zeitplan erwähnt.

Verschiedene bewaffnete Gruppen, darunter neben drei islamistischen Gruppierungen auch eine Organisation, die für die Rechte der Tuareg kämpft, halten seit März im Norden Malis rund zwei Drittel des Landes, unter Kontrolle. Die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS hat im November formal die Aufstellung einer 3300 Mann starken Interventionstruppe beschlossen, die die schwache Armee Malis bei der Rückeroberung des Nordens unterstützen soll. Bisher war davon ausgegangen worden, daß Nigeria, der bei weitem größte und stärkste Staat der Region, rund ein Drittel dieser Truppe stellen würde. Die nigerianischen Streitkräfte sind für ihre Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land bekannt.

Bei der Lektüre der Resolution 2085 fällt auf, daß der Sicherheitsrat den ECOWAS-Beschluß lediglich »zur Kenntnis genommen« hat, aber sein Mandat für die AFISMA nicht auf diesen stützt. Statt dessen werden die Mitgliedstaaten der UNO aufgerufen, sich mit eigenen Truppen an der »afrikanisch geführten« Mission zu beteiligen. Die Resolution gibt außerdem, was sehr ungewöhnlich ist, für AFISMA keine Personalstärke vor. Damit steht die Tür offen für Frankreich und andere westliche Staaten, die die von der ECOWAS beabsichtigte Soldatenzahl für viel zu gering halten und außerdem eine direkte Beteiligung an der Intervention anstreben. Daß alle Staaten vom Sicherheitsrat aufgerufen sind, AFISMA nicht nur mit Zahlungen, sondern auch mit Waffen und Logistik zu unterstützen, ist ohnehin klar.

Die Resolution 2085 autorisiert auch die EU, den Rückeroberungsplan durch die Entsendung von Armeeausbildern zu unterstützen. Endgültig formalisiert ist dieser Plan, für den sich besonders die deutsche Bundesregierung von Anfang an ins Zeug gelegt hat, aber noch nicht. Auch ein Zeitpunkt für die Entsendung der voraussichtlich 200 bis 250 Ausbildungsoffiziere steht noch nicht fest.

Amnesty International und zahlreiche andere internationale Hilfsorganisationen haben als Reaktion auf den Beschluß des UN-Sicherheitsrats vor einer Intervention gewarnt, da diese das ohnehin hohe Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen in Mali weiter steigern werde. Gegner eines internationalen militärischen Eingreifens sind vor allem Algerien und Tunesien. Sie fürchten, daß islamistische Kämpfer in die Nachbarländer ausweichen und die Region noch mehr destabilisiert wird.

* Aus: junge Welt, Freitag, 28. Dezember 2012

Hier geht es zur Resolution 2085 (2012) des UN-Sicherheitsrats:




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