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EU produziert Terror

Mali: Mindestens zwölf Tote bei Überfall auf Hotel. Sahelregion auch durch europäische Politik destabilisiert

Von Jörg Tiedjen *

Bei einem Angriff auf ein Hotel in Sévaré sind am Freitag in Mali mindestens zwölf Menschen getötet worden. Die Armee des westafrikanischen Landes beendete den Überfall nach eigenen Angaben am frühen Samstag morgen und konnte mehrere Hotelgäste befreien.

Die bewaffneten Angreifer hatten sich am frühen Freitag morgen zunächst heftige Gefechte mit Soldaten eines Militärstützpunkt geliefert und dann in dem von zahlreichen Ausländern frequentierten Hotel »Byblos« verschanzt. Die UN-Mission Minusma teilte am Samstag abend mit, unter den Toten seien fünf ihrer Mitarbeiter. Es handelte sich nach dem Anschlag auf eine Bar in Bamako im März, für den angeblich eine Splittergruppe von Al-Qaida im islamischen Maghreb (AQMI) verantwortlich zeichnete, um den zweiten Terrorangriff im Süden Malis. Beide waren offensichtlich gezielt gegen Ausländer gerichtet.

Erst Ende Juli war Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen nach Mali gereist, um bei der Übergabe der Leitung einer EU-Trainingsmission für das dortige Militär (EUTM) an die Bundeswehr zugegen zu sein. Zum ersten Mal stehe Deutschland an der Spitze einer EU-Militärexpedition in Afrika, gab das Ministerium stolz auf seiner Internetseite bekannt.

Anderthalb Wochen später verdeutlicht der Überfall in Sévaré, dass in Mali seit der von Frankreich geführten Militärintervention »Serval« im Januar 2013 allen regelmäßig wiederkehrenden Erfolgsmeldungen zum Trotz kein Frieden herrscht. Tatsächlich war es vor allem die ausländische Einmischung in die malische Politik, die die gegenwärtige Situation hervorgebracht hat. 2003 hatte eine wahrscheinlich vom algerischen Geheimdienst unterwanderte Salafistentruppe auf der sogenannten Gräberpiste im Süden Algeriens eine Reihe von Touristen entführt, die auf abenteuerlichem Weg zu Fuß nach Mali gebracht wurden. Am Ende sollen die Geiseln von der deutschen Regierung ausgelöst worden sein. Diese sponserte damit direkt die Vorläufergruppe der AQMI und andere Dschihadisten. Zugleich benutzte Washington die Entführung als Rechtfertigung dafür, Mali in ein Trainingsprogramm des Afrikakommandos der US-Armee, Africom, einzubinden, das die Militarisierung der Region weiter vorantrieb. Der Sturz Ghaddafis in Libyen destabilisierte das Gebiet dann endgültig.

Die Doppelzüngigkeit der europäischen Politik zeigt ein Blick ins Nachbarland Niger, das nicht nur ebenfalls gegen dschihadistische Banden zu kämpfen hat, sondern zudem auf Druck der EU zum Bollwerk gegen Migranten ausgebaut wird, deren Ziel Europa ist. Das jedenfalls berichtet die Internetseite Alternative Niger unter Hinweis auf ein am 11. Mai dieses Jahres in Niger beschlossenes Gesetz gegen den illegalen Menschenhandel, die am 13. Mai vorgestellte EU-Migrationsagenda sowie den einen Tag später erfolgten Besuch des französischen Innenministers Bernard Cazeneuve bei einem westafrikanischen Gipfeltreffen in Niamey. Demnach sollen Flüchtende schon in dem Sahelstaat abgefangen und über Abschiebelager in ihre Herkunftsländer zurückgebracht werden. Die Festung Europa wird also schon Tausende Kilometer weiter südlich verteidigt, die Flüchtlingstragödie verlagert.

Im Norden des bitterarmen Niger, in dem westliches Militär die Bergwerke bewacht, aus denen Frankreich wie eh und je zu Spottpreisen Uran bezieht, wurden schon im vergangenen Jahr zwei Abschiebelager eingerichtet, berichtet die nigrische Website. Sie hätten bereits zur »Repatriierung« von aus Algerien abgeschobenen Migranten gedient. Menschenrechtsgruppen beklagen Alternative Niger zufolge die undemokratische Art und Weise der »Kooperation« mit der EU, die dem Land durch Knebelverträge aufgezwungen werde und Niger in einen Polizeistaat verwandle. Angeprangert wird auch die Doppelzüngigkeit der Eurokraten und der nigrischen Regierung, die davon sprächen, Migranten helfen und lediglich die Kriminalität bekämpfen zu wollen. Tatsächlich werden die flüchtenden Menschen so nur dazu gezwungen, noch gefährlichere Routen nach Europa zu wählen als die durch die Sahara.

* Aus: junge Welt, Montag, 10. August 2015


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