Spaniens König erzürnt Marokko
Monarch besucht Exklaven Ceuta und Melilla
Von Alfred Hackensberger, Tanger *
Die Straßen und Balkone in Ceuta und Melilla sind seit Sonntag ein rot-gelbes Fahnenmeer. Die
Behörden der beiden spanischen Städte verteilten mehr als 10 000 Nationalflaggen.
Zum ersten Mal in seiner 32-jährigen Regentschaft besucht der spanische König Juan Carlos,
begleitet von seiner Ehefrau Sofia, die beiden spanischen Exklaven auf marokkanischem
Territorium. Die zweitägige Tour beginnt in Ceuta, das nur etwa 45 Autominuten von der
marokkanischen Hafenstadt Tanger entfernt ist. Danach geht es 600 Kilometer weiter in das im
Nordosten am Mittelmeer gelegene Melilla. Spaniens Premier José Louis Rodriguez Zapatero sagte,
»der Monarch möchte seine Verbundenheit mit den Einwohnern von Ceuta und Melilla bekunden«.
Aus Protest gegen den Besuch des Königpaares hatte Marokko bereits am Freitag seinen
Botschafter aus Madrid auf unbestimmte Zeit zurückbeordert. Am Montag fanden Demonstrationen
vor der spanischen Botschaft in der Hauptstadt Rabat statt. Der Maghrebstaat betrachtet Ceuta und
Melilla als von Spanien besetztes Territorium und verlangt deren Rückgabe. Die beiden Städte seien
seit über 400 Jahren spanisches Gebiet, lange vor der Existenz des Staates Marokko, so die
Argumentation Spaniens. In beiden Exklaven leben jeweils etwa 70 000 Menschen, von denen rund
30 Prozent marokkanischen Ursprungs sind. Die Marokkaner mit spanischem Pass können den
Protesten ihres ehemaligen Heimatlandes wenig abgewinnen. Sie sind froh über ihren festen
Arbeitsplatz, ihren europäischen Lebensstil und wollen unter keinen Umständen zurück ins
Königreich Marokko.
Ceuta und Melilla sind nicht die einzigen Reste des spanischen Kolonialimperiums. Eine ganze
Reihe von kleinen Inseln entlang der marokkanischen Mittelmeerküste von Tanger bis El Hoceima
gelten bis heute als spanisches Staatsgebiet – oft nur ein paar Meter vom Strand entfernt. Darunter
auch die wenige Quadratmeter große Petersilien-Insel, unweit von Tanger, die 2002 von einigen
marokkanischen Soldaten besetzt und kurz darauf vom spanischen Militär zurückerobert wurde. Der
Zwischenfall brachte die Beziehungen mit Marokko unter dem damaligen Premier José Maria Aznar
der konservativen Partido Popular auf den Nullpunkt.
Mit dem Amtsantritt des sozialistischen Premiers Zapatero 2004 verbesserte sich das Verhältnis
beider Länder schlagartig. Spanische Fischereiboote durften wieder vor der marokkanischen Küste
fischen, spanische Firmen sind am Ausbau des Tourismussektors beteiligt sowie am geplanten
Eisenbahntunnel unter der Meerenge von Gibraltar, der Afrika und Europa verbinden soll. Im
Gegenzug unterband Marokko den illegalen Bootsverkehr von Migranten aus Schwarzafrika auf die
iberische Halbinsel und die Kanaren.
Zapatero sagte, er werde keinen Kommentar zum Abzug des Botschafters geben, aber die
»Beziehungen zu Marokko sind sehr gut und werden sehr gut bleiben«.
* Aus: Neues Deutschland, 6. November 2007
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