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120.000 Oppositionelle im Exil

Mauretanien nach dem Putsch: Rückkehr der Flüchtlinge Meßlatte für Regierung

Von Abdou Faye, Dakar*

Drei Putschversuche innerhalb von 15 Monaten hatte Mauretaniens langjähriger Staatspräsident Maaouya Ould Taya abgewehrt. Beim vierten Mal wurde Taya, der sich 1984 selbst an die Macht geputscht hatte, gestürzt. Nachdem er an der Beerdigung des saudischen Königs Fahd teilgenommen hatte, ließen ihn seine Gegner vor nunmehr knapp zwei Wochen nicht mehr ins Land. In Niamey, der Hauptstadt des westafrikanischen Landes Niger, hat man Ould Taya erst einmal Asyl gewährt.

Ould Tayas ehemalige Kampfgenossen, allen voran die Präsidentengarde, hatten Mauretaniens Staatschef am 3. August gestürzt. Ein »Militärrat für Gerechtigkeit und Demokratie« (CMJD) hat die Regierung in dem Wüstenland übernommen. Der Militärrat verständigte sich auf den 55jährigen Hauptmann Ely Ould Mohamed Vall als ersten Mann im Staate. Vall ist seit 1987 Polizeichef und galt als enger Vertrauter Tayas.

Mauretaniens neue Herren haben angekündigt, »mit den totalitären Praktiken des gestürzten Regimes Schluß zu machen und im Land für wirklich demokratische Institutionen zu sorgen«. In spätestens zwei Jahren soll es Neuwahlen geben. Das Parlament wurde aufgelöst, doch die Regierungsmitglieder wurden aufgefordert, die Tagesgeschäfte weiterzuführen, bis der militärische Führungsrat seine Beratungen mit Vertretern der politischen Parteien, der Interessenverbände und der Zivilgesellschaft abgeschlossen hat.

Die Islamische Republik Mauretanien ist mit einer Fläche von über einer Million Quadratkilometern etwa dreimal so groß wie die BRD. Arabisch-berberische Mauren bilden die Mehrheit der rund 2,8 Millionen Einwohner. Die schwarzafrikanischen Völker der Toucouleur, Sarakolé, Wolofs und Peul sind auch im südlichen Nachbarland Senegal ansässig. Vor der Atlantikküste des bitterarmen Wüstenstaats wurden im vergangenen Jahr bedeutende Erdöllagerstätten entdeckt. Mit der Ölförderung soll 2007 begonnen werden.

Jenseits der Südgrenze, auf der anderen Seite des Senegal-Flusses, leben die meisten der rund 120 000 oppositionellen schwarzafrikanischen Mauretanier, die als Folge eines vor allem ethnisch bedingten Konflikts 1989 ins senegalesische Exil gezwungen worden waren. Nach Meinung des Generalsekretärs der senegalesischen Abteilung der Afrikanischen Befreiungsfront Mauretanien (FLAM) in Dakar, Moktar Bâ, sind die Rückkehr der im Exil lebenden Mauretanier und die Freilassung der politischen Gefangenen Grundbedingungen für eine nationale Versöhnung. »Eines der dunkelsten Kapitel der Geschichte Mauretaniens ist abgeschlossen. Für das mauretanische Volk, das 21 Jahre lang unter einem Despoten gelitten hat, kann jetzt ein neues Kapitel beginnen«, erklärte der Exilpolitiker.

Alioune Tine, Generalsekretär der ebenfalls in Dakar ansässigen Menschenrechtsorganisation Rencontre Africaine pour la Défense des Droits de l’Homme (RADDHO), sieht in dem Sturz des mauretanischen Staatschefs eher den »Befreiungsschlags einer Gesellschaft, die ein absolutistisches Willkürregime völlig in Schach gehalten hatte«. Taya habe es lediglich der »internationalen Gemeinschaft« zu verdanken gehabt, daß er sich so lange an der Macht halten konnte.

Ould Tayas entschiedenste Gegner sind vor allem islamisch orientierte Politiker. Sie lehnen die Zusammenarbeit Mauretaniens mit Israel ab. Analysten zufolge gehört Mauretanien zu den afrikanischen Staaten, in denen die islamische Bewegung besonders massiv unterdrückt wird. Ägypten, Jordanien und Mauretanien sind die einzigen Mitglieder der Arabischen Liga, die diplomatische Beziehungen zu Israel unterhalten.

* Aus: junge Welt, 16. August 2005


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