Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Mauritius' Regierung fördert Chancengleichheit

Trotzdem behaupten sich die alten Vorurteile gegen das neue Diskriminierungsverbot

Von Nasseem Ackbarally, Port-Louis *

Kaum ist in Mauritius zu Jahresbeginn ein neues, umfassendes Anti-Diskriminierungsgesetz in Kraft getreten, da melden sich Skeptiker zu Wort, die befürchten, dass in der Inselrepublik im Indischen Ozean die alten Strukturen politischer und wirtschaftlicher Macht die gesetzlich verordnete Gleichberechtigung mit Hilfe geltender Gesetze unterlaufen.

Der Vorsatz war aller Ehren wert: In einer Ansprache an seine Landsleute hatte Regierungschef Navin Ramgoolam am Neujahrstag erklärt: »Niemand kann alle gleich machen, doch es ist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass jeder Bürger gleiche Chancen erhält.« Diese neue Chancengleichheit sieht der Anwalt Sunil Bheeroo keineswegs gewährleistet. »So etwa nutzt die Einschränkung, dass Arbeitgeber Jobsuchende wegen ihrer politischen Einstellung oder Aktivitäten abweisen können, vor allem dem Regierungsapparat selbst«, sagte er. »Damit ist dafür gesorgt, dass Regierung, Parteien und Parlamentarier bei der Auswahl ihres Personals weiterhin zumeist unqualifizierte und ungeeignete Gefolgsleute, Freunde und Verwandte einstellen können«, kritisierte der Jurist. Dagegen zeigte sich Sozialministerin Sheila Bappoo in einer Parlamentsdebatte zuversichtlich, dass das neue Gesetz für Chancengleichheit beispielsweise der Allmacht der wenigen Großgrundbesitzer Grenzen setzt, denen der größte Teil der Tropeninsel gehört.

Die Verfassung von Mauritius garantiert jedem der rund 1,3 Millionen Einwohner die allgemeinen Grundrechte. Unter der Hand jedoch werden Angehörige ethnischer Minderheiten sowie Frauen im Arbeitsleben und in der Politik systematisch benachteiligt und selbst von den Gewerkschaften bei der Besetzung von leitenden Posten übergangen. Von den auf öffentlichem Grund und Boden liegenden Stränden und Hotels luxuriöser Ferienanlagen werden Anwohner praktisch ausgesperrt. Das Sicherheitspersonal sorgt dafür, dass sich die Einheimischen nicht unter die Touristen mischen. Jetzt verbietet das im Dezember verabschiedete Anti-Diskriminierungsgesetz jede direkte oder indirekte Benachteiligung einer Person auf Grund des Alters, der ethnischen Herkunft, der politischen Einstellung, der sexuellen Ausrichtung oder des Familienstandes.

Die Durchsetzung des Gesetzes steht auf zwei Pfeilern, der praktischen Durchsetzung der Chancengleichheit durch die Abteilung Gleicher Rechte und einer gerichtlichen Instanz (Kammer für Gleiche Rechte), die über Klagen gegen einzelne Verstöße zu befinden hat. Weil ethnische Minderheiten wie die als Kreolen bezeichneten Nachfahren afrikanischer Arbeitssklaven und weißer Siedler, Tamilen sowie Muslime besonders bei der Jobsuche im öffentlichen Bereich schlechte Chancen haben, fordern die Sprecher dieser Gruppen seit Langem obligatorische Einstellungsquoten. »Wir fordern 35 Prozent der Stellen für die Kreolen, denn sie machen 35 Prozent der Bevölkerung aus und besetzen im öffentlichen Sektor bislang lediglich zwei Prozent der Arbeitsplätze«, erklärte der katholische Priester Jocelyn Grégoire, Vorsitzender der vor einem Jahr gegründeten Federation of Mauritian Creoles.

Ministerpräsident Ramgoolam hält nichts von dem Vorschlag. »Eine solche positive Diskriminierung wäre nichts anderes als ein Rückschlag. Ich bin für eine Leistungsgesellschaft«, betonte er. Loga Virahsawmy, die Vorsitzende der lokalen Nichtregierungsorganisation Media Watch, begrüßte das Anti-Diskriminierungsgesetz als einen wichtigen Schritt zur sozialen Gerechtigkeit. »Wir wissen aber auch, wie die Beschäftigungssituation im öffentlichen Bereich und in privaten Unternehmen aussieht«, sagte sie.

Elf der 70 Abgeordneten im Parlament von Mauritius sind Frauen. Deshalb bezweifelt Virahsawmy, dass es ohne die Einführung von Quoten möglich sein wird, bis 2015 50 Prozent der Parlamentsmandate und politischen Entscheidungsgremien mit Frauen zu besetzen. Der Gewerkschafter Shook Subron befürchtet, das Anti-Diskriminierungsgesetz könnte sich in der Praxis nicht gegen das ebenfalls 2008 verabschiedete Arbeitsgesetz durchsetzen. Dieses lässt dem privaten Arbeitgeber praktisch freie Hand, Arbeitskräfte ohne Begründung zu feuern. IPS

* Aus: Neues Deutschland, 24. Februar 2009


Zurück zur Mauritius-Seite

Zurück zur Homepage