Mauritius' Regierung fördert Chancengleichheit
Trotzdem behaupten sich die alten Vorurteile gegen das neue Diskriminierungsverbot
Von Nasseem Ackbarally, Port-Louis *
Kaum ist in Mauritius zu Jahresbeginn ein neues, umfassendes Anti-Diskriminierungsgesetz in Kraft
getreten, da melden sich Skeptiker zu Wort, die befürchten, dass in der Inselrepublik im Indischen
Ozean die alten Strukturen politischer und wirtschaftlicher Macht die gesetzlich verordnete
Gleichberechtigung mit Hilfe geltender Gesetze unterlaufen.
Der Vorsatz war aller Ehren wert: In einer Ansprache an seine Landsleute hatte Regierungschef
Navin Ramgoolam am Neujahrstag erklärt: »Niemand kann alle gleich machen, doch es ist unsere
Pflicht, dafür zu sorgen, dass jeder Bürger gleiche Chancen erhält.« Diese neue Chancengleichheit
sieht der Anwalt Sunil Bheeroo keineswegs gewährleistet. »So etwa nutzt die Einschränkung, dass
Arbeitgeber Jobsuchende wegen ihrer politischen Einstellung oder Aktivitäten abweisen können, vor
allem dem Regierungsapparat selbst«, sagte er. »Damit ist dafür gesorgt, dass Regierung, Parteien
und Parlamentarier bei der Auswahl ihres Personals weiterhin zumeist unqualifizierte und
ungeeignete Gefolgsleute, Freunde und Verwandte einstellen können«, kritisierte der Jurist.
Dagegen zeigte sich Sozialministerin Sheila Bappoo in einer Parlamentsdebatte zuversichtlich, dass
das neue Gesetz für Chancengleichheit beispielsweise der Allmacht der wenigen Großgrundbesitzer
Grenzen setzt, denen der größte Teil der Tropeninsel gehört.
Die Verfassung von Mauritius garantiert jedem der rund 1,3 Millionen Einwohner die allgemeinen
Grundrechte. Unter der Hand jedoch werden Angehörige ethnischer Minderheiten sowie Frauen im
Arbeitsleben und in der Politik systematisch benachteiligt und selbst von den Gewerkschaften bei
der Besetzung von leitenden Posten übergangen. Von den auf öffentlichem Grund und Boden
liegenden Stränden und Hotels luxuriöser Ferienanlagen werden Anwohner praktisch ausgesperrt.
Das Sicherheitspersonal sorgt dafür, dass sich die Einheimischen nicht unter die Touristen mischen.
Jetzt verbietet das im Dezember verabschiedete Anti-Diskriminierungsgesetz jede direkte oder
indirekte Benachteiligung einer Person auf Grund des Alters, der ethnischen Herkunft, der
politischen Einstellung, der sexuellen Ausrichtung oder des Familienstandes.
Die Durchsetzung des Gesetzes steht auf zwei Pfeilern, der praktischen Durchsetzung der
Chancengleichheit durch die Abteilung Gleicher Rechte und einer gerichtlichen Instanz (Kammer für
Gleiche Rechte), die über Klagen gegen einzelne Verstöße zu befinden hat. Weil ethnische
Minderheiten wie die als Kreolen bezeichneten Nachfahren afrikanischer Arbeitssklaven und weißer
Siedler, Tamilen sowie Muslime besonders bei der Jobsuche im öffentlichen Bereich schlechte
Chancen haben, fordern die Sprecher dieser Gruppen seit Langem obligatorische
Einstellungsquoten. »Wir fordern 35 Prozent der Stellen für die Kreolen, denn sie machen 35
Prozent der Bevölkerung aus und besetzen im öffentlichen Sektor bislang lediglich zwei Prozent der
Arbeitsplätze«, erklärte der katholische Priester Jocelyn Grégoire, Vorsitzender der vor einem Jahr
gegründeten Federation of Mauritian Creoles.
Ministerpräsident Ramgoolam hält nichts von dem Vorschlag. »Eine solche positive Diskriminierung
wäre nichts anderes als ein Rückschlag. Ich bin für eine Leistungsgesellschaft«, betonte er. Loga
Virahsawmy, die Vorsitzende der lokalen Nichtregierungsorganisation Media Watch, begrüßte das
Anti-Diskriminierungsgesetz als einen wichtigen Schritt zur sozialen Gerechtigkeit. »Wir wissen aber
auch, wie die Beschäftigungssituation im öffentlichen Bereich und in privaten Unternehmen
aussieht«, sagte sie.
Elf der 70 Abgeordneten im Parlament von Mauritius sind Frauen. Deshalb bezweifelt Virahsawmy,
dass es ohne die Einführung von Quoten möglich sein wird, bis 2015 50 Prozent der
Parlamentsmandate und politischen Entscheidungsgremien mit Frauen zu besetzen. Der
Gewerkschafter Shook Subron befürchtet, das Anti-Diskriminierungsgesetz könnte sich in der Praxis
nicht gegen das ebenfalls 2008 verabschiedete Arbeitsgesetz durchsetzen. Dieses lässt dem
privaten Arbeitgeber praktisch freie Hand, Arbeitskräfte ohne Begründung zu feuern.
IPS
* Aus: Neues Deutschland, 24. Februar 2009
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