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"In Mexiko sitzen wir auf einem Pulverfaß"

Gespräch mit Pável Blanco Cabrera. Über den Drogenkrieg, die Aufgaben der Opposition und die Rolle der EU in Lateinamerika


Pável Blanco Cabrera ist Erster Sekretär des ZK der Kommunistischen Partei Mexikos (PCM).

Mexiko taucht derzeit in den internationalen Medien fast ausschließlich im ­Zusammenhang mit dem Drogenkrieg auf. Wie schätzen Sie die Situation ein?

Es ist offensichtlich, daß sich die gewaltsamen Auseinandersetzungen in den vergangenen zwanzig Jahren verschärft haben, in dramatischer Weise vor allem ab der zweiten Hälfte der Amtszeit von Vicente Fox (2000–2006, jW). Noch offener ist die Situation unter Felipe Calderón (Präsident seit 2006, jW) eskaliert, mit sehr hohen Opferzahlen. Pro Tag starben bis zu 70 Menschen. Es ist eine objektive Tatsache, daß das Problem des Drogenhandels in diesem Staat endemisch ist. Das bedeutet, daß es sich bei der Situation, die wir derzeit erleben, im Gegensatz zu manchen Einschätzungen nicht um einen Bürgerkrieg handelt. Es geht vielmehr um eine Neustrukturierung unter den Gruppen des Drogenhandels. Unter den PRI-Regierungen gab es dort eine gewisse Ordnung, aber offensichtlich haben die PAN-geführten Kabinette andere Drogenkartelle bevorzugt. Die Drogenkartelle, die jetzt angegriffen werden, sind diejenigen, die sich nicht in diese vom Staat gelenkte Maschinerie integriert haben. Wir akzeptieren deshalb die Darstellung nicht, daß der mexikanische Staat der Repräsentant des Rechts sei, der gegen Gruppen vorgeht, die außerhalb des Gesetzes stehen. Im Gegenteil, es gibt eine enge Verschmelzung zwischen beiden.

Und welche Rolle spielen die USA?

Gefährlich ist vor allem der Diskurs des State Department in Washington, wonach es in Mexiko eine Form von Drogenaufstand gibt. Sie benutzen das Problem des Drogenhandels – der natürlich existiert und ein Schandfleck der Gesellschaft ist, den ein neuer Staat, ein Staat der Arbeiter, beseitigen muß – heute in der Weise, wie sie früher vor dem Gespenst des Kommunismus und der kontinentalen Revolution gewarnt haben. Das einzige, was dieser Diskurs befördert, sind die reaktionärsten Pläne des Kapitals. Zynischerweise gibt es unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Drogenhandel eine Allianz des mexikanischen und des kolumbianischen Staates. Aber sowohl in Mexiko wie in Kolumbien haben die Regierungen jeweils das eine oder andere Drogenkartell bevorzugt. Wenn sie von einer internationalen Koordination des Kampfes gegen den Drogenhandel sprechen, dann meinen sie eine Koordination gegen die politischen und soziale Kämpfe auf unserem Kontinent. Im vergangenen September hat US-Außenministerin Hillary Clinton zum Beispiel vor der Befreiungsbewegung des Südens, MLS, gewarnt. Das ist eine Massenbewegung, die wir Kommunisten in einer Region unseres Landes organisiert haben. Frau Clinton erklärte jedoch, daß die MLS einen bewaffneten Aufstand vorbereite.

Mit solchen Reden sollen die fortschrittlichen Kräfte eingeschüchtert und Proteste des Volkes verteufelt werden. Zum Beispiel in Ciudad Juárez, einer für Mexiko symbolträchtigen Stadt. Hier fanden die ersten Kämpfe statt, die 1911 zum Sturz des Diktators Porfirio Díaz führten. Hier trat zum ersten Mal der Revolutionsgeneral Francisco »Pancho« Villa auf. In der gesamten mexikanischen Geschichte war Ciudad Juárez eine wichtige Stadt für die Revolution und ein Bezugspunkt des ganzen Landes im Kampf gegen die nord­amerikanische Aggression. Heute ist Ciudad Juárez durch den Drogenhandel zerrüttet. Jede Form von sozialem Protest des Volkes ist sofort das Ziel von Einschüchterungen und Aggressionen. Hier stellt sich der Krieg der Regierung gegen den Drogenhandel als ein Krieg des mexikanischen Staates gegen die eigene Jugend dar. Es reicht hier, jung zu sein und offensichtlich zur Arbeiterklasse zu gehören, um sofort mit dem Drogenhandel in Verbindung gebracht zu werden.

Außerhalb Mexikos wird Ciudad Juárez vor allem mit dem Feminizid, den Morden an Frauen, in Verbindung gebracht ...

Der Feminizid ist ein Teil dieser Gesamtsituation. Die Gewalt gegen die Frauen ist in Ciudad Juárez besonders auffällig, aber sie herrscht im ganzen Land. Die Morde sind Teil der Gewalt gegen die Arbeiterinnen. Durch die Strukturen und die Arbeitsbedingungen sind gerade die Frauen ständiges Objekt von Aggressionen. Die Zapatisten sprechen in diesem Zusammenhang von einem Krieg, der in Mexiko geführt wird. Wir sagen, daß Klassenkampf herrscht. Und die Opfer dieses Klassenkampfes sind die Bergleute, die aufgrund der Arbeitsbedingungen in den Bergwerken zum Beispiel in Pasta de Conchos, in Zacatecas und in anderen Orten sterben. Arbeitende Frauen werden auf dem Weg in die Fabrik in Ciudad Juárez, im Bundesstaat Mexiko und in der Hauptstadt ermordet.

In Mexiko, DF, dem Hauptstadtdistrikt, sind an allen Ecken schwerbewaffnete Soldaten zu sehen, Militär fährt mit Gewehr im Anschlag durch die Straßen. Man kann tatsächlich den Eindruck gewinnen, daß sich Mexiko im Krieg befindet ...

Es war Felipe Calderón, der mit dem Grundsatz gebrochen hat, daß das Militär in den Kasernen sitzt und nur zur Landesverteidigung gegen Gefahren von außen existiert. Calderón holte die Soldaten auf die Straße, um sich selbst zu legitimieren. Er war nicht der erste, der in Folge eines Wahlbetrugs in das Präsidentenamt gekommen ist. Er mobilisierte das Militär gerade 2006, als es einen großen Aufschwung der Volkskämpfe gab. Dazu gehörte die »Andere Kampagne«, mit der große Hoffnungen verbunden waren, und zum anderen eine eher sozialdemokratische Perspektive mit Manuel López Obrador, die aber ebenfalls Massen mobilisierte. Es war das Jahr, in dem in San Salvador Atenco Anhänger der Zapatisten massakriert wurden. Eine solche Gewalt des Staates gegen Bauern ist an jedem anderen Ort der Welt unvorstellbar. Aber es war auch das Jahr großer Volkskämpfe, die die Regierung erschütterten. Es fehlte jedoch eine Vorstellung davon, was danach kommen sollte. Die Rolle der Massen muß eine aktive sein, und das Ziel muß die Errichtung der Volksmacht sein. Als Präventivmaßnahme dagegen holte Calderón das Militär aus den Kasernen – natürlich unter dem Vorwand des Krieges gegen die Drogen.

Calderón selbst verweist auf die USA als Ursache für die Probleme Mexikos, weil dort die Drogen konsumiert werden, die von Mexiko aus geschmuggelt werden ...

Solche Äußerungen sind ambivalent und zu einem guten Teil heuchlerisch. Auf der einen Seite kritisiert er den Drogenkonsum und den Waffenhandel in den USA, auf der anderen Seite gibt es eine ganz enge Zusammenarbeit in allen Bereichen. Solche Erklärungen haben also nichts mit seiner tatsächlichen Politik zu tun, sondern im Gegenteil: Sie dienen dazu, Abkommen mit den USA zu rechtfertigen, die schon lange vorher ausgehandelt worden sind. Denken wir nur an das berühmte South Command der US-Streitkräfte. George W. Bush hat die Anschläge vom 11. September 2001 auch dazu genutzt, die militärische Präsenz der USA in Lateinamerika zu verstärken. Sowohl Calderón als auch vorher Fox haben das Land militarisiert und dies mit dem South Command koordiniert und ihm untergeordnet.

Welcher Raum bleibt in einer solchen Situation der politischen Opposition in Mexiko?

In Mexiko sind wir an die Grenzen der Entwicklung eines Systems gekommen. Das Wichtige der »Anderen Kampagne« 2006 – die auf einen Vorschlag der Zapatisten zurückging, aber von der gesamten mexikanischen Linken aufgegriffen wurde – war, daß sie eine antikapitalistische Perspektive aufzeigte. Die Frage ist nicht mehr, ob die PRI oder die PAN oder irgend­eine andere der registrierten Parteien an die Regierung kommt. Es muß vielmehr um eine Veränderung des Systems gehen, unter breiter Beteiligung der Bevölkerung. Es gibt natürlich Kräfte, die noch immer davon ausgehen, daß die Situation ein Problem der Regierungsführung und der Verwaltung des Landes ist, und die deshalb sagen: Wir haben die PRI ausprobiert, wir haben die PAN ausprobiert, vielleicht klappt es ja jetzt mit der Sozialdemokratie der PRD. Die antikapitalistische und revolutionäre Linke bezweifelt das aber, denn die PRD hatte bereits Gelegenheit, große Teile des Landes zu regieren, zum Beispiel den Hauptstadtdistrikt, in dem rund 27 Millionen Menschen leben. Die Ergebnisse sind greifbar, sind konkret: Im Kern, strukturell, gibt es keinen Unterschied zwischen der PRD, der PRI und der PAN.

In Chiapas sind noch immer fast 60 Compañeros der »Anderen Kampagne« inhaftiert, sie sind Opfer einer von der PRD geführten Regionalregierung inmitten einer umfassenden Militarisierung des gesamten Südwestens unseres Landes. Die Probleme sind so groß, daß eine Alternative durchaus schnell entstehen kann, wenn auch vielleicht spontan oder unorganisiert. In Mexiko sitzen wir auf einem Pulverfaß. Zugleich gibt es, um die Sprache der Klassiker zu benutzen, objektive Bedingungen wie das Elend und die durch die internationale Wirtschaftskrise verschärfte Ausbeutung, die wegen der Krise in den USA sinkenden Überweisungen der im Norden lebenden Mexikaner an ihre Familien zu Hause – die nach dem Erdöl die zweitgrößte Einnahmequelle Mexikos sind –, die chronische Erwerbslosigkeit, die dramatisch steigenden Lebenshaltungskosten, die verschärfte Unterdrückung der Arbeiterbewegung. All das bewirkt große Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Aber das bedeutet nicht automatisch, daß Klarheit darüber herrscht, was jetzt zu tun ist und welche Alternativen es gibt. Aber für einen Teil der Opposition ist klar, daß der Ausweg nur antikapitalistisch sein kann.

Welche Aufgaben hat die Kommunistische Partei Mexikos (PCM) in dieser Situation, obwohl sie noch ziemlich klein ist?

Die KP Mexikos ist aus einem erklärbaren Grund noch klein. Die Kommunistische Partei in diesem Land wurde 1919 gegründet, in der Hitze der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution und dem Aufbruch der Kommunistischen Internationale. Die Partei erlebte einen großen Aufschwung und war die Kraft, die die Arbeiterbewegung in diesem Land organisierte, deren Avantgarde sie in den 30er Jahren war. Doch schon lange vor der großen konterrevolutionären Welle der 90er und noch vor der Perestroika hat sich diese Partei 1981 selbst aufgelöst. Die Zeit zwischen 1981 und 1994 war für unser Land jedoch ganz entscheidend, denn damals bildeten sich die heutigen Strukturen unserer Ökonomie heraus. Doch in diesen 13 Jahren fehlte die marxistisch-leninistische Partei in der Arbeiterklasse. Es gab natürlich andere sozialistische Gruppierungen, aber keine, die diesen Platz ausfüllen konnte. 1994 begann dann ein Prozeß der Neuorganisierung, inmitten der Verwirrung, die in dieser konterrevolutionär geprägten Zeit herrschte, und deshalb in vielen Fragen noch ohne die notwendige Klarheit. Im November vergangenen Jahres haben wir als Partei der Kommunisten auf unserem vierten Parteitag entschieden, den historischen Namen wieder anzunehmen. Deshalb sind wir noch eine kleine, sich entwickelnde Kraft mit Perspektiven. Wir verfolgen die Strategie der Bildung einer breiten antimonopolistischen, antikapitalistischen und antiimperialistischen Front. In diesem Spektrum ist es unserer Ansicht nach möglich, eine große Massenorganisation aufzubauen, die sich vor allem auf die Arbeiterklasse, die Bauern und die indigenen Völker stützt.

Die Schwäche der Kommunistischen Partei ist zugleich die Schwäche der ganzen Bewegung. Hier in Mexiko gibt es Gewerkschaften, die keine sind. Formell gehören ihnen Millionen Arbeiter an, aber es existiert keinerlei gewerkschaftliches Leben, und die Arbeiter erkennen die Organisationen nicht als ihre Vertretung an. Das sind riesige bürokratische Apparate. Hier wird der Beitrag direkt vom Gehalt abgezogen und fließt ohne Umweg in die Kassen der Bürokratie. Deshalb ist es für die Gewerkschaften gar nicht notwendig, in der Welt der Arbeit präsent zu sein. Es gibt eine riesige Kluft zwischen den Spitzenfunktionäre und den Arbeitern.

Wenn die Gewerkschaften keine sind, wer sind dann die Verbündeten der PCM in dieser breiten Front, von der Sie sprechen?

Es gibt klassenbewußte Strömungen, die für eine Demokratisierung der Gewerkschaften kämpfen. Auf diese beziehen wir uns, und wir setzen uns für den Aufbau neuer Klassenorganisationen ein, wie es der Weltgewerkschaftsbund auf seinen letzten Kongressen in Havanna und Athen beschlossen hat. Wir brauchen eine kämpferische Arbeiterbewegung, die objektiv die Interessen ihrer Mitglieder und aller Werktätigen vertritt.

In diesem Zusammenhang haben wir mit einer These gebrochen, die davon ausgeht, daß Mexiko ein halbkoloniales Land ist. Die aus dieser Theorie folgende Konsequenz war, Allianzen mit der nationalen Bourgeoisie im Kampf um nationale Befreiung anzustreben, weil der Hauptfeind der nordamerikanische Imperialismus sei. Wenn wir die Marxsche Lehre auf die konkreten Bedingungen unseres Landes anwenden, dann sehen wir jedoch, daß Mexiko ein vollständig kapitalistisch entwickeltes Land ist und eine eigene Rolle im Konzert der imperialistischen Mächte spielt, mit einer sich »national« nennenden Bourgeoisie, die ein Partner der großen internationalen Konzerne ist.

Einer der Charakterzüge des Imperialismus ist der Kapitalexport. Wie kann man sagen, daß Mexiko ein halbkoloniales Land ist, wenn wichtige Teile seiner Wirtschaftskraft aus dem Kapitalexport stammen? Wir können von Telmex sprechen, das den Telekommunikationsmarkt in Zentralamerika kontrolliert und das zweitgrößte, wenn nicht sogar das größte Mobilfunkunternehmen in Brasilien ist. Und es gibt weitere Beispiele. Deshalb sagen wir, daß die Aufgabe, die in Mexiko ansteht, nicht die nationale Befreiung, sondern der direkte Kampf um den Sozialismus ist: um die Macht der Arbeiter und des Volkes. Natürlich ist der nordamerikanische Imperialismus ein großer Feind der Menschheit, aber lassen wir uns nicht ablenken. Der Einfluß der Europäischen Union und ihre Vernetzung mit der mexikanischen Ökonomie ist bereits groß. Das ist also keine untergeordnete Angelegenheit. Deshalb müssen wir die Beschränktheit eines Antiimperialismus überwinden, der sich nur gegen Nordamerika richtete.

Glauben Sie, daß Sozialismus in Mexiko, vor der Haustür der USA, möglich ist?

Wir gehen von der Leninschen These der ungleichzeitigen Entwicklung aus, wonach das imperialistische System an seinem schwächsten Kettenglied zerbrochen werden kann. Das soll nicht heißen, daß Mexiko das schwächste Kettenglied ist, aber es ist möglich, in Lateinamerika an einem Bruch zu arbeiten. Zum Glück hat die Kubanische Revolution 1959 den Mythos vom geographischen Fatalismus zerbrochen, wonach ein Sozialismus in Amerika wegen der Nähe zu den USA unmöglich sei. Wir sagen, daß es unter den Bedingungen und der ungleichzeitigen Entwicklung möglich ist, die Kette des Imperialismus zu zerbrechen, in Mexiko ebenso wie in anderen Ländern Amerikas und in Europa.

Glauben Sie, daß die Europäische Union eine positive Rolle in Lateinamerika gegen die US-Hegemonie spielen kann?

Diese These wurde in unserem Land in den vergangenen zehn Jahren häufig vertreten, unter anderem durch einige Nichtregierungsorganisationen. Wir sagen jedoch, daß es nur ein imperialistisches System gibt, auch wenn Widersprüche zwischen den Mächten existieren. Der US-Imperialismus ist zwar aggressiver, aber wir warnen davor, die Wachsamkeit gegenüber dem Kapital aus der EU auf unserem Kontinent zu vernachlässigen. Wir dürfen nicht glauben, daß eine Abhängigkeit von der Europäischen Union irgendeine Chance für die Selbstbestimmung der Völker bieten könnte. Notwendig ist im Gegenteil der Kampf gegen die Monopole, woher sie auch kommen. Wir haben auch dem venezolanischen Volk gesagt, daß es unwichtig ist, daß der Zementmonopolist Cemex mexikanisch und nicht nordamerikanisch oder europäisch ist. Er beutet die Arbeiter in Venezuela genauso aus. Deshalb ist es eine Pflicht der Arbeiter in Mexiko und Venezuela, sich zusammenzuschließen, um dieses Monopol zu bekämpfen. Das selbe sagen wir über Volkswagen, Bayer, Repsol oder andere, die in Mexiko und Lateinamerika präsent sind. Die Pflicht der Arbeiter ist es, die Monopole zu bekämpfen und das Realität werden zu lassen, was die beiden in unserem Herzen lebenden großen Deutschen Karl Marx und Friedrich Engels entworfen haben: die Einheit der Arbeiter der Welt gegen die Einheit der Kapitalisten der Welt. Es gibt keinen guten Imperialismus.

Im kommenden Jahr wird in Mexiko gewählt. Welche Bedeutung haben die Wahlen für Sie?

Alle Wahlen in diesem Land sind wichtig. Sie spiegeln das Kräfteverhältnis wider. Auch in Mexiko ist die Beteiligung immer weiter zurückgegangen, und die letzten Wahlen haben gezeigt, daß sich die meisten Menschen der Stimme enthalten. Es gibt ein verbreitetes Mißtrauen gegenüber der politischen Klasse. Das ist bislang aber noch eine weitgehend unbewußte Haltung. Wir gehen jedoch davon aus, und darin stimmen wir mit zahlreichen politischen Kräften und auch mit Soziologen überein, daß die Wahlenthaltung in Mexiko nicht passiv, sondern aktiv ist.

Um überhaupt bei Wahlen kandidieren zu können, um also im Wahlregister verzeichnet zu sein, muß man nicht nur Millionär sein, sondern auch zahlreiche undemokratische Anforderungen erfüllen. Alle kandidierenden Parteien repräsentieren deshalb dieselbe soziale Schicht. Und es wird noch langweiliger, sie vertreten auch noch dasselbe Programm. Das war es, was die »Andere Kampagne« 2006 kritisiert hat. Mit dem Pacto Chapultepec haben damals sogar alle Präsidentschaftskandidaten mit den Monopolen ein Abkommen geschlossen, und egal, wer die Wahlen gewinnen würde, mußte dieses Programm umsetzen. Eine klassenorientierte Alternative fehlt, und sie wird auch 2012 nicht bei den Wahlen vertreten sein.

PRI – Partei der Institutionalisierten Revolution
PAN – Partei der Nationalen Aktion
PRD – Partei der Demokratischen Revolution


Interview: André Scheer

* Aus: junge Welt, 11. Juni 2011


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