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Genmais hilft nur Monsanto

In Mexiko wächst der Widerstand gegen die gentechnische Veränderung der Kulturpflanze

Von Gerold Schmidt, Mexiko-Stadt *

Gentechnisch veränderter Mais kontaminiert nach Ansicht seiner Kritiker weit mehr als nur die einheimischen Sorten. In Mexiko, quasi dem Mutterland des Mais, wächst der Widerstand gegen seinen Anbau.

»Wir wollen unseren Mais hegen, wie wir es gewohnt sind. Wir sehen ihn nicht als Produkt, sondern als Geschenk der Erde, das uns über unsere Vorfahren in Fleisch und Blut übergegangen ist. Wir dürfen uns nicht selbst attackieren.« Guillermo Palma, von der Ethnie der Rarámuri aus dem nördlichen Bundesstaat Chihuahua, steht mit seiner Meinung beileibe nicht allein. Das zeigte sich unlängst bei der nationalen Voranhörung des Ständigen Völkertribunals über die genetische Verunreinigung des mexikanischen Mais. Die Veranstaltung in Oaxaca-Stadt im Süden des Landes ist nur ein Beispiel für den sich häufenden Widerstand gegen den Anbau von Genmais in Mexiko. Dabei ziehen kleinbäuerliche und indigene Gemeinden, kritische Wissenschaftler, studentische Initiativen und Umweltorganisationen zunehmend an einem Strang.

Kaum eine Woche vergeht ohne Aktion: teilweise überfüllte Veranstaltungen mit nationalen und internationalen Experten an den Universitäten, Demonstrationen und Hungerstreiks von Kleinbauern, Foren mit mehreren Hundert Teilnehmern wie in Oaxaca oder der »Maiskarneval« in der Hauptstadt im Rahmen des weltweiten Aktionstages gegen den Konzern Monsanto am 25. Mai.

Nirgendwo auf der Welt ist die genetische Vielfalt des Mais so groß wie in Mexiko. Seit mindestens 6000 Jahren entwickeln die Menschen den Mais in seinem Ursprungszentrum weiter. Gezüchtet aus dem Wildgras Teosinte gibt es in Mexiko mindestens 59 Landrassen mit Hunderten an die lokalen Umweltbedingungen angepassten Varietäten. Millionen von Kleinbauern bringen ihr traditionelles Mais-Saatgut Jahr für Jahr aus.

Doch seit längerem versuchen die internationalen Biotechkonzerne, allen voran Monsanto, ihren Genmais in Mexiko durchzusetzen. Dabei kamen sie Schritt für Schritt voran. Bereits 2005 verabschiedete die Regierung unter dem Präsidenten Vicente Fox das Gesetz über Biosicherheit und Gentechnische Veränderte Organismen. Im Volksmund heißt das Regelwerk aufgrund der Formulierungshilfe aus seiner Rechtsabteilung bis heute Monsanto-Gesetz. 2009 hob die Regierung unter Präsident Felipe Calderón trotz weitreichender Proteste das seit 1998 geltende Moratorium für Genmaispflanzungen in Mexiko auf. Damit schaffte sie die Voraussetzung für die folgenden systematischen Genehmigungen für den kleinflächigen Versuchsanbau.

Im September 2012 beantragten die Konzerne Monsanto, DuPont-Pioneer und Dow Chemical erstmals die Genehmigung für die kommerzielle Aussaat auf über einer Million Hektar Land in den nördlichen Bundesstaaten Sinaloa und Tamaulipas. Dabei handelte es sich um die gesamte Fläche für den Bewässerungsfeldbau in dieser Region. Monsanto legte im März 2013 noch einmal kräftig nach: In den Bundesstaaten Chihuahua, Coahuila und Durango möchte der Multi gleich auf 12 Millionen Hektar Genmais pflanzen.

Die Gegner des Genmais halten eine Verunreinigung der einheimischen Maissorten für unvermeidlich, ist der kommerzielle Anbau einmal auf den Weg gebracht. Sie haben 2013 zum Jahr des Widerstandes gegen den Genmais erklärt. Nach zahlreichen Interventionen von Experten und Zeugnissen von Gemeinden bei der Voranhörung des Völkertribunals in Oaxaca kam die Jury zu dem Schluss: »Genmais bietet keinerlei Vorteile für die Kleinbauern und das Land. Gensaaten werden verwendet, um die Landwirtschaft zu kontrollieren.«

Der indigene Intellektuelle Joel Aquino, Zapoteke aus Oaxaca, stellt den Genmais in einen größeren Zusammenhang: »Zuerst wurde das gemeinschaftliche Denken kontaminiert. Die Regierung säte die Idee aus, dass es besser ist, Nahrungsmittel zu kaufen als sie selbst anzupflanzen. Die Agrarpolitik ist darauf ausgerichtet, die traditionelle Landwirtschaft zu zerstören. Das heißt, die Leute zu entwurzeln und sie in die Migration zu treiben.«

Der Berkeley-Professor und mexikanische Mikrobiologe Ignacio Chapela wies 2001 die Verunreinigung mit Genmais in Bergregionen Oaxacas trotz des geltenden Moratoriums nach. Er sah sich damals einer Verleumdungskampagne der multinationalen Gentechnikindustrie ausgesetzt, die fast das Ende seiner beruflichen Laufbahn bedeutete. Er warnt vor einer »Kontaminierung der Wissenschaft selbst und wissenschaftlicher Korruption. Von der Kontaminierung durch Genmais zu sprechen, bedeutet schon Sünde und Verbrechen.«

Nun ist die seit dem 1. Dezember 2012 amtierende Regierung von Präsident Peña Nieto am Zug. Ihre Position wird eher gentechnikfreundlich eingeschätzt. Doch sie misst offenbar noch die politischen Kosten. Landwirtschaftsminister Enríque Martínez y Martínez: Es sollten erst noch alle wissenschaftlichen Stimmen gehört werden. Doch die wissenschaftlichen Argumente zum Thema liegen seit Langem vor. Verunreinigung und damit ein Angriff auf die biologische Vielfalt des Mais in seinem Ursprungszentrum, weiter zunehmende Abhängigkeit der Bauern von internationalen Saatgut- und Biotechkonzernen im Zuge von Lizenzgebühren, Zerstörung der kleinbäuerlichen und indigenen Kultur, verstärkter Einsatz von Agrogiften aufgrund zunehmender Resistenzen der Insekten- und Pflanzenschädlinge gegen die existierenden Genmaissorten und potenzielle Gesundheitsrisiken auf der einen Seite. Hochgehaltene Heilsversprechen bezüglich steigender Ernteerträge und dürreresistenter Genpflanzen auf der anderen. Ich glaube, wir gewinnen den Kampf um die öffentliche Meinung«, sagt Ana de Ita vom Zentrum für den Wandel im mexikanischen Landbau (Ceccam). »Aber eine Garantie für ein Umdenken in der Regierung ist das noch nicht.«

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 6. August, 2013


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