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Milliardenkredit für Mexiko

Zum ersten Mal setzte der IWF sein neues Kreditinstrument ein

Von Andreas Knobloch *

Ende vergangener Woche vergab der Internationale Währungsfonds (IWF) einen Kredit über 47 Milliarden Dollar (36 Milliarden Euro) an Mexiko. Es ist das größte Kreditprogramm in der Geschichte des IWF. Zudem ist Mexiko das erste Land, das Zugang zur sogenannten Flexiblen Kreditlinie (Flexible Credit Line, FCL) erhält.

Die FCL war vom IWF erst Ende März eingeführt worden, um von der Finanzkrise angeschlagene Ländern zu stabilisieren. Zwar ist der nun vergebene Kredit nicht an Bedingungen geknüpft; Mexiko verpflichtete sich aber vor dem IWF, seine solide Wirtschafts- und Fiskalpolitik beizubehalten.

Die mexikanische Regierung hat allerdings bereits mehrfach angekündigt, die von ihr Anfang April beantragte Kreditlinie nicht nutzen zu wollen. Sie sei als reine Vorsichtsmaßnahme gedacht. Laut Finanzminister Agustín Carstens hat Mexiko durch die FCL in Kombination mit dem von der US-Notenbank angebotenen Währungstausch im Wert von 30 Milliarden US-Dollar und ausländischen Devisenreserven eine 160 Milliarden US-Dollar schwere »Kriegskasse« und sieht sein Land gerüstet für unerwartete Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten.

Mexiko ist eines der Länder, das von der weltweiten Wirtschaftskrise besonders betroffen ist. Die zweitgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas steckt in einer Rezession und dürfte sich so schnell nicht erholen. Im vergangenen Quartal schrumpfte die Wirtschaftsleistung um 1,6 Prozent. Grund ist vor allem die wirtschaftliche Abhängigkeit von den USA. Achtzig Prozent der Exporte gehen in das Nachbarland.

Durch die Wirtschaftskrise hat die Nachfrage aus den USA nachgelassen; spürbar gingen die Auslandsüberweisungen von Exil-Mexikanern zurück. Der IWF erwartet einen Rückgang des Bruttoinlands-produkts (BIP) von 3,7 Prozent für 2009. Ein weiteres Problem ist die anhaltende Peso-Schwäche, auch wenn sich die Währung in den letzten Wochen gegenüber dem Dollar etwas erholt hat. Hinzu kommen strukturelle Probleme. Das nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA hat trotz einer Zunahme des interregionalen Handels Mexikos wirtschaftliche Abhängigkeit von den USA noch erhöht; in erster Linie aber Mexikos Position als Billiglohnproduzent für den US-amerikanischen Markt zementiert und darüber hinaus die mexikanische Landwirtschaft auf kleiner und mittlerer Ebene ruiniert. In der Krise macht sich das nun verstärkt bemerkbar.

Neben Mexiko hat bisher nur Polen eine FCL von 20,5 Milliarden US-Dollar beantragt. Mit der Flexiblen Kreditlinie sollen Länder unterstützt werden, die drohen, in den Sog der Wirtschaftskrise zu geraten. Sie kann jederzeit gezogen werden. Die FCL ersetzt das Instrument der Kurzfristigen Liquiditäts-Fazilität (SLF), das seit seiner Einführung im Oktober 2008 nie genutzt wurde. Grund war, dass der Kredit schnell -- innerhalb von neun Monaten -- zurückgezahlt werden musste. Die FCL gilt dagegen für ein halbes oder ganzes Jahr, dann erfolgt nach sechs Monaten eine Überprüfung. Die Rückzahlungsfrist liegt zwischen 39 Monaten und fünf Jahren.

Vielen Staaten geht die Reform des IWF allerdings nicht weit genug, da nur die Instrumente der Kreditvergabe angesichts der weltweiten Krise neu justiert wurden. So kritisierte der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva auf dem Weltwirtschaftsforum für Lateinamerika in Rio de Janeiro die undemokratische Struktur des IWF. Auch müssten die Bekämpfung von Armut und soziale Gerechtigkeit zukünftig im Zentrum des Handelns der Finanzinstitution stehen.

Der IWF war wegen seiner Rolle in der Weltwirtschaftskrise heftig in die Kritik geraten: Während jahrelang die Kürzung staatlicher Ausgaben, vor allem bei Sozialleistungen, und Privatisierungen zum Forderungskatalog des IWF gehörten, ergreifen nun die Regierungen der sogenannten Industriestaaten genau die entgegengesetzten Maßnahmen: mehr staatliche Regulierung, Verstaatlichung von Banken und Infrastrukturprogramme.

* Aus: Neues Deutschland, 22. April 2009


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