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Gegen alle Parteien

Mexiko: Lehrerprotest um Bildungsreform eskaliert

Von Haydée Gutiérrez *

In Chipalcingo, der Hauptstadt des mexikanischen Bundesstaates Guerrero, ist es bei einer Lehrerdemonstration am Mittwoch (Ortszeit) nach einer anfänglich friedlichen Demonstrationen zum Hauptplatz der Stadt zu schweren Ausschreitungen und zur Blockade von Einkaufszentren gekommen. Der Protest richtete sich gegen eine am 25. Februar von der Regierung beschlossene Bildungsreform.

Zunächst waren einige Demonstranten in die Büros mehrerer Parteien eingedrungen, darunter der gemäßigt linken PRD und der rechtsnationalen PAN, hatten mit Stöcken um sich geschlagen und das Mobiliar verwüstet. Später wurde auch die Regionalzentrale der Mexiko regierenden PRI angegriffen und in Brand gesteckt. Über Verletzte wurde zunächst nichts bekannt. Die Regierung des mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto hatte die Reform im Parlament gemeinsam mit den Oppositionsparteien durchgesetzt.

Schon vor einigen Tagen waren die Proteste der Lehrkräfte, die nicht nur aus Guerrero, sondern auch aus anderen Bundesstaaten wie Oaxaca, Michoacán, Morelos, Puebla, Zacatecas und Chiapas angereist waren, eskaliert. Während eines Protestmarsches blockierten die Pädagogen die Autobahn von Mexiko-Stadt nach Acapulco.

Eigentliches Ziel des durch die »Koordination der Bildungsbeschäftigten von Guerrero« (CETEG) initiierten Marsches am Mittwoch war das Kongreßgebäude von Guerrero, in dem die Abgeordneten am Vorabend die regionale Umsetzung der Bildungsreform mit 42 gegen vier Stimmen beschlossen hatten. Wie die Tageszeitung La Jornada berichtet, wurden die protestierenden Lehrer durch Mitglieder der oppositionellen Volksbewegung von Guerrero, der Elektrikergewerkschaft, Aktivisten der Studierendenbewegung »Yosoy132« und Beschäftigte der örtlichen Universität begleitet.

Trotz einer zeitweiligen Besetzung des Kongreßgebäudes blieben Gespräche zwischen Guerreros Gouverneur Ángel Aguirre Rivero und einer Delegation der Protestierenden ergebnislos. Die CETEG kommentierte dies mit den Worten, daß die Regierung offensichtlich nicht an Verhandlungen interessiert sei.

Die Reform sieht unter anderem vor, ein nationales Evaluierungssystem im Bildungsbereich zu schaffen. Kritisiert wird von den Gegnern jedoch, daß diese Evaluierung vom Staat abhängt, da das dazu eingerichtete Institut von der Regierung kontrolliert werde. Der Pressesprecher der CETEG, Meinardo López Pachuca, kritisierte zudem die Neuregelungen als versteckte wirtschaftliche Einsparung und Privatisierung, in deren Folge die Zahl der Lehrer reduziert und Pädagogen entlassen werden sollen.

Zu Protesten kam es auch in Mexiko-Stadt. An der Nationalen Autonomen Universität UNAM halten Studenten seit dem vergangenen Wochenende einen Verwaltungstrakt besetzt, um gegen die Exmatrikulation von Kommilitonen zu protestieren, die wegen der Teilnahme an Aktionen der Studentenbewegung von der Universitätsleitung ausgeschlossen worden waren. Am Mittwoch griff dieser Protest auch auf eine zweite Hochschule über.

* Aus: junge Welt, Freitag, 26. April 2013


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