Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Grüne Lungen gegen den Smog in Mexiko-Stadt

Umweltschützer wollen Hauptstadt auch mit Dach- und "vertikalen" Gärten regenerieren

Von Emilio Godoy (IPS), Mexiko-Stadt *

Mexiko-Stadt ist nicht nur eine der größten, sondern auch eine der schmutzigsten Metropolen der Welt. Architekten und Städteplaner treiben daher »grüne« Projekte voran, um eine regenerative und nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Sie lassen Dachterrassen begrünen, legen »vertikale Gärten« an Häuserwänden an und planen den zunehmenden Einsatz erneuerbarer Energien.

»Eine Regenerierung unserer Stadt ist möglich. Es gibt hier viele Viertel, in denen beispielsweise die Qualität der Böden verbessert werden kann. Die Umwelt muss nur stärker mit den Aktivitäten der Menschen in Einklang gebracht werden«, meint Elías Cattan, der Chef des Architektenbüros »Taller 13«. Um die Lebensbedingungen in großen Städten zu verbessern, ziehen Experten nicht nur Umweltaspekte, sondern auch soziale und ökonomische Faktoren in Betracht. Neben dem 2001 gegründeten Unternehmen »Taller 13« bieten auch die Architektur-Fakultät der privaten Iberoamerikanischen Universität (UIA) und die USA-Firma »Regenesis Group« seit einigen Jahren Workshops zum Thema »Erneuerbare Stadt« an. »Taller 13« hat in Mexiko-Stadt mehrere Gebäude saniert und neue Häuser nach umweltfreundlichen Kriterien errichten lassen. Die »Regenesis Group« ist im Lande bereits an einem Ökotourismus-Projekt im nordwestlichen Bundesstaat Baja California beteiligt.

»Es ist kein einfaches Vorhaben, aber ich denke, dass es realisierbar ist«, sagt José Antonio Flores, der Gründer der Nichtregierungsorganisation »Efecto Verde«. Die Maßnahmen gingen über den reinen Umweltschutz hinaus, erklärte er. Es gehe darum, die gesamte urbane Umgebung zu verbessern. Seit 2007 arbeitet Efecto Verde unter anderem an Verfahren zum Auffangen von Regenwasser und an der Begrünung der Terrassen von Wohnhäusern. Mit Unterstützung der Nichtregierungsorganisationen sind Dachgärten auf einer Fläche von insgesamt 500 Quadratmetern entstanden. Die Pflanzen verbessern nicht nur das Klima. Nach Schätzungen der Organisation reicht ein neun Quadratmeter großer Nutzgarten bereits aus, um genug Gemüse für eine vierköpfige Familie zu produzieren.

Die privaten »grünen« Initiativen vertrauen vor allem auf ihre Kreativität und wollen hohe Kosten vermeiden. »Wir wollen die Ressourcen stärken und nicht Raubbau an ihnen betreiben«, erklärt Cattan. »Efecto Verde« hat außerdem eigene Technologien entwickelt, etwa zur Umwandlung von städtischen Abfällen in Dünger.

In der mexikanischen Hauptstadt leben rund acht Millionen Menschen, in den angrenzenden Vororten weitere zwölf Millionen. Die größten Umweltprobleme sind der dichte Autoverkehr, die Luftverschmutzung, die übermäßige Ausbeutung des Grundwassers und die Müllberge. Im Stadtgebiet sind täglich schätzungsweise vier Millionen Fahrzeuge unterwegs. Seit 2007 setzt die Stadtregierung einen »Grünen Plan« um, der den öffentlichen Nahverkehr stärken und die Bürger zum aktiven Einsatz für den Umweltschutz gewinnen will.

»In anderen Städten gibt es ähnliche Probleme wie bei uns«, sagt Gerardo Moncada, ein Experte für nachhaltige Verkehrsentwicklung. Man könne allerdings nur dann etwas erreichen, wenn die Behörden mutige Maßnahmen umsetzten, die die Stagnation überwinden könnten. Unter anderem sind solche Projekte in den kolumbianischen Städten Bogotá und Medellín sowie im brasilianischen Curitiba mit Erfolg umgesetzt worden.

In Mexiko-Stadt soll der geplante teure Bau der mautpflichtigen Schnellstraße »Supervia Poniente« die wichtigsten Verkehrsadern im Südwesten entlasten. Bürger- und Umweltorganisationen protestieren jedoch gegen das Projekt, unter anderem weil Privateigentümer dazu von ihren Grundstücken vertrieben werden sollen. Frühere Stadtregierungen hatten bereits neue Straßen angelegt, etwa eine 25 Kilometer lange Ringautobahn (Anillo Periférico), die ab Oktober erweitert werden soll.

Auch wenn seit Anfang dieses Jahres im Rahmen des Plans »Ecobici« das Fahrradfahren von den Behörden aktiv gefördert wird, Umweltaktivisten bleiben skeptisch. Sollte der »Grüne Plan« tatsächlich umgesetzt werden, dürfte es in der Stadt in der Tat interessante Veränderungen geben, meint Moncada. Wenn Zielsetzungen und Maßnahmen jedoch nicht in Einklang gebracht werden könnten, werde die Stadt nicht so rasch lebenswerter werden.

* Aus: Neues Deutschland, 24. August 2010


Zurück zur Mexiko-Seite

Zur Umwelt-Seite

Zurück zur Homepage