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Drohkulisse vor Wahlen in Oaxaca

Zunahme der staatlichen Repression vor Urnengang in mexikanischem Bundesstaat

Von Albert Sterr *

Bei den Wahlen am Sonntag im südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca dürfte Gouverneur Ulises Ruiz Ortiz von der Partei der Institutionellen Revolution (PRI) mindestens einen Denkzettel erhalten. Erwartet wird ein Sieg der Linkszentristen.

In einem Klima äußerster Spannung finden am Sonntag im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca Regionalwahlen statt. So wurden die seit zwei Wochen anhaltenden Massenproteste gegen das kommerzialisierte Folklorefest Guelaguetza mit einer Welle staatlicher Repressionen überzogen. Dabei wurden rechtsstaatliche Normen in einem Maße gebrochen, wie man dies sonst nur von Militärregimes kennt. Willkürliche Massenverhaftungen ohne konkrete Tatvorwürfe waren ebenso an der Tagesordnung wie der Einsatz bestellter Provokateure, die Auseinandersetzungen mit der Polizei anzettelten. Demonstranten, wie Emeterio Merino, wurden hinter Polizeiketten ins Koma geprügelt, die von der Polizei Inhaftierten mussten Entwürdigung und Folter erleiden. Die Justizbehörden decken das Vorgehen der Sicherheitskräfte.

Gouverneur unter Kritik

Trotz dieser einschüchternden Drohkulisse, die der unbeliebte Gouverneur Ulises Ruiz Ortiz in den vergangenen Wochen aufbauen ließ, bewies die in der Volksversammlung der Völker Oaxacas (APPO) gebündelte Opposition mit ihren vielfältigen Aktionen erneut, wie tief sie in der Bevölkerung verwurzelt ist. Zu den bevorstehenden Wahlen tritt die APPO, die sich als außerparlamentarische und politisch-soziale Oppositionsbewegung versteht, nicht an. Zwar hatte es heftige interne Debatten um die Frage der Wahlteilnahme gegeben. Doch setzte sich nach monatelangem Ringen eine Strömung durch, die eine direkte Wahlteilnahme als APPO ablehnte, weil dies deren Umwandlung in eine politische Partei bedeutet hätte. Der plurale Bewegungs- und Bündnischarakter hätte auf dem Spiel gestanden, wurde eingeschätzt.

Linkszentristen hoffen

Dennoch können APPO-Aktivisten als Einzelpersonen auf Wahllisten kandidieren, das sieht ein Kompromiss vor. Dies war einerseits jenen APPO-Strömungen wichtig, die auch in Teilen der staatlichen Institutionen, wie dem Regionalparlament, politische Spielräume erstreiten wollen. Andererseits hofft die linkszentristische Partei der Demokratischen Revolution (PRD), die zahlenmäßig größte Oppositionskraft mit bedeutender Parlamentspräsenz, dadurch besser vom regionalen Anti-PRI-Effekt profitieren zu können.

Die regierende nationalkonservative Partei der Nationalen Aktion (PAN), stärkste Partei im Lande, ist in Oaxaca wie auch in den anderen beiden unruhigen Bundesstaaten Chiapas und Guerrero unbedeutend. Aus diesem Grund ist sie auf das Bündnis mit der abgehalfterten langjährigen Staatspartei PRI angewiesen, die in Oaxaca noch an allen wichtigen Schalthebeln sitzt.

Jedoch dürfte das Ränkespiel im Parlament komplizierter werden. Bisher wird es anders als sonst in Mexiko weiterhin von örtlich verankerten Kaziken der PRI und gut organisierten Interessengruppen beherrscht. Es ist damit zu rechnen, dass die PRI wie bei den vorhergehenden Wahlgängen massiv Stimmen verliert und die linkszentristische PRD gewinnt.

Während die PRI auf eine Angstkampagne setzt, um die Wähler noch einmal auf ihre Seite zu zwingen, hofft die PRD auf ein »Strafvotum« für den autoritären PRI-Gouverneur Ulises Ruiz Ortiz.

In den sozialen Bewegungen verspricht man sich davon jedoch keine allzu großen Vorteile. Denn die auf die parlamentarische Arbeit fixierte PRD ist in die Massenmobilisierungen bestenfalls am Rande einbezogen und mauschelt immer wieder mit dem Gouverneur.

Noch komplizierter wird diese Gemengelage durch die jüngsten Guerillaaktivitäten der Revolutionären Volksbefreiungsarmee (EPR). Es begann mit Anschlägen auf Einrichtungen des staatlichen Ölkonzerns PEMEX Anfang Juli, setzte sich mit dem Angriff auf ein im Bau befindliches Gefängnis in Chiapas und einem Bombenanschlag auf die Filiale eines Sears-Kaufhauses in Oaxaca fort. Mit ihrer Kampagne will die Guerillabewegung Druck auf die Zentralregierung von Felipe Calderón ausüben, damit diese die am 25. Mai in Oaxaca verhafteten und seither »verschwundenen« EPR-Angehörigen Edmundo Reyes Amaya und Gabriel Alberto Cruz Sánchez lebend präsentiert.

Bei keiner der Guerilla-Aktionen waren Tote oder Verletzte zu beklagen. »Wir wollen weder die Bevölkerung einschüchtern, noch ihre Teilnahme an den Wahlen behindern. Wir wollen lediglich die Interessen der nationalen und ausländischen Oligarchie attackieren«, schrieb die EPR zu den Aktionen in Oaxaca.

* Aus: Neues Deutschland, 4. August 2007


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