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Trendwende

In Mexiko könnte die PRD die Präsidentschaftswahl im Juli ­gewinnen. Doch die Partei steckt in der Krise

Von Torge Löding, Mexiko-Stadt *

Kann die gemäßigt linke Partei der Demokratischen Revolution (PRD) die am 1. Juli stattfindenden Präsidentschaftswahlen in Mexiko doch noch gewinnen? Seit Mitte November scheint das nicht mehr ausgeschlossen, nachdem die autoritäre Institutionelle Revolutionäre Partei (PRI), die bis 2000 den mexikanischen Staat mehr als sieben Jahrzehnte lang gelenkt hatte, zuvor wie der sichere Sieger ausgesehen hatte. Denn die Bilanz des regierenden Präsidenten Felipe Caldéron von der erzkonservativen Partei der Nationalen Aktion (PAN) ist verheerend, und das linke Lager schien zerstritten und abgeschlagen. Doch fast über Nacht hat sich das Bild geändert. Die progressiven Kräfte Mexikos haben sich um ihren Kandidaten Andrés Manuel López Obrador (AMLO) geeint, während die PRI sich in Selbstzerfleischung übt und deren Kandidat Enrique Peña Nieto Pleiten, Pech und Pannen erlebt.

Die PRD hatte sich lange im Dauertief befunden. Umfragen sahen sie nach PRI und PAN mit nur knapp 20 Prozent abgeschlagen auf Platz drei in der Wählgunst. López Obrador hatte sich von der PRD abgewandt und mit »Morena« seit Ende 2010 begonnen, eine eigene Bewegung aufzubauen, und es schien sogar denkbar, daß es mit López Obrador und dem amtierenden Bürgermeister von Mexiko-Stadt, Marcelo Ebrard, als offiziellem PRD-Kandidaten zwei konkurrierende linke Präsidentschaftsanwärter geben könnte. Das änderte sich nach einer Umfrage Mitte November 2011 durch ein Meinungsforschungsinstitut, wer für die PRD antreten sollte. Das wirkliche Ergebnis dieser Erhebung ist bis heute unbekannt. Mitgeteilt wurde lediglich, daß López Obrador die Befragung knapp gewonnen habe. So wirkte es dann wie einstudiert, als die beiden Kontrahenten am 15. November strahlend vor die Kameras traten und das Ergebnis anerkannten.

Allerdings sind die tiefen Widersprüche, in die sich die PRD verstrickt hat, nicht überwunden. Es ist eher einer schlauen Marketingstrategie zu verdanken, daß Politiker, die sich eigentlich bis aufs Messer bekämpfen, nun vor laufenden Kameras die Hände reichen. Unter dem Namen »Progressive Koalition Breite Front« hat sich die PRD nicht nur mit der einst maoistischen Partei der Arbeit (PT) und der sozialdemokratischen Staatsbürgerlichen Bewegung (MC) verbündet, sondern auch mit der von »­AMLO« Ende 2010 ins Leben gerufenen »Bewegung der nationalen Erneuerung« (Morena). Die beteiligten Akteure überraschten gar mit der Ankündigung, diese Kräfte nach den Wahlen zu einer neuen Partei vereinigen zu wollen.

»Mit López Obrador als gemeinsamem Kandidaten der Linken gibt es einen Hoffnungsträger für die Präsidentschaftswahl. Es ist die Aufgabe aller progressiven Kräfte Mexikos, diesen zu unterstützen, um dem Neoliberalismus Einhalt zu gebieten«, sagte Francisco Saucedo, PRD-Gründungsmitglied und ehemaliger Abgeordneter. Trotzdem müsse die Linke die Krise der PRD gründlich analysieren, fordert sein Kollege Mario Saucedo Pérez, der früher für die Partei im mexikanischen Senat saß: »Diese Krise hat ihren Grund in interner Korruption und Angepaßtheit.« Nur noch in vier der 32 Bundesstaaten Mexikos stellt die PRD den Gouverneur, und diese haben zuvor in der PRI Karriere gemacht und waren erst 2010 oder 2011 zur PRD gewechselt, was als Beleg für deren Beliebigkeit gewertet werden darf.

Obwohl die PRD in der tiefsten Krise seit ihrer Gründung steckt, könnte es sein, daß ihr Kandidat die kommenden Wahlen gewinnt. »Das wäre gut für Mexiko. Aber die PRD hat ihren Alleinvertretungsanspruch in der Linken verloren. Es haben sich neue Organisationen wie die »Politische Organisation des Volkes und der Arbeiter«, OPT, gegründet, und auch die kommunistische Bewegung formiert sich neu und erlebt erstmals seit Jahrzehnten Zulauf. Die Wahlalternative ist vorhanden, wir sollten den Profipolitikern aber nicht den Aufbau der politischen Organisation überlassen. Das ist die neue Herausforderung für die soziale Linke in Mexiko«, unterstreicht Saucedo.

* Der Autor leitet das Regionalbüro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Mexiko-Stadt.

Aus: junge Welt, 10. Januar 2012



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