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Rückkehr zur Barbarei römischer Gladiatoren

Mexiko: Entführte werden als Sex- und Arbeitssklaven oder als Teilnehmer von Schaukämpfen ausgebeutet

Von Diana Cariboni, Mexiko-Stadt (IPS) *

In Mexiko enden Zwangsentführungen für die Opfer nicht immer tödlich. In dem von Gewalt und Kriminalität schwer geprüften Land werden Menschen immer häufiger mit der Absicht verschleppt, sie als Sex- oder Arbeitssklaven auszubeuten. Das Land sei zur »Barbarei der römischen Gladiatoren« zurückgekehrt, meint dazu Juan López, Rechtsberater der Menschenrechtsorganisation FUNDEM. Die Gruppe hatte zunächst in dem nordmexikanischen Bundesstaat Coahuila nach Vermißten gesucht und ihre Aktivitäten dann auf das ganze Land ausgeweitet.

Eine nicht genau bekannte Zahl von Menschen werde in illegalen Unternehmen ausgebeutet, die mit Hilfe dieser Arbeitssklaven hohe Profite erwirtschafteten. Darüber hinaus würden Teenager und junge Erwachsene auch als Auftragskiller, Drogenproduzenten oder Organhändler angeworben. »Es gibt bestätigte Berichte, denen zufolge Bewaffnete Busse anhalten und die jungen männlichen Insassen einfach mitnehmen.«

Studien zufolge hat sich das Opferprofil erheblich verändert. Das Durchschnittsalter der Vermißten, das sich zunächst zwischen 30 und 45 Jahren bewegte, ging erst auf 20 bis 25 und dann auf 17 bis 19 Jahre zurück. Inzwischen werden sogar noch jüngere Teenager gekidnappt. Auch der Anteil vermißter Mädchen und Frauen ist angestiegen – auf 55 Prozent.

Der Menschenhandel ist mittlerweile das illegale Geschäftsfeld, das nach dem Drogen- und Waffenschmuggel weltweit die dritthöchsten Profite abwirft. Der zentralmexikanische Bundesstaat Tlaxcala ist das Epizentrum eines Netzwerks, das sich auf die Entführung von Mädchen und Frauen spezialisiert hat. Die Opfer, die in der Regel aus mehr als 20 Distrikten und auch den Grenzregionen stammen, werden in mexikanische und US-Städte verbracht und dort ausgebeutet.

Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind 80 Prozent der in Mexiko gehandelten Menschen Frauen und Mädchen. Nach Thailand ist Mexiko das zweite Herkunftsland von in die USA eingeschmuggelten Frauen.

Während der sechsjährigen Amtszeit des ehemaligen Staatschefs Felipe Calderón von 2006 bis 2012 verschwanden mehr als 26000 Menschen. Dies geht aus Untersuchungen hervor, die die neue Regierung von Präsident Enrique Peña Nieto Ende Februar veröffentlicht hat.

Die Opferangehörigen kritisierten jedoch, daß die Studie etliche bekannte Entführungsfälle ausgelassen hat. Die Geschichten sind schrecklich und handeln von jungen Männern, die gezwungen wurden, an Schaukämpfen teilzunehmen, bis einer von ihnen tot zu Boden ging, oder Frauen bei lebendigem Leib zu zerstückeln. Bekannt sind ferner Fälle, in denen Frauen durch Morddrohungen gegen ihre Kinder zur Sklavenarbeit gezwungen wurden.

* Aus: junge Welt, Samstag, 18. Mai 2013


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