Drei Kandidaten, kein Konzept
Präsidentenanwärter in Mexiko stehen Drogenkrieg hilflos gegenüber
Von Andreas Knobloch *
Der Drogenhandel macht Mittelamerika
den Vereinten Nationen zufolge
zur gefährlichsten Region der Erde.
Nirgendwo auf der Welt würden so
viele Morde stattfinden wie zwischen
Kolumbien und Mexiko, sagte jüngst
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon.
Mexikos Präsidentschaftskandidaten
äußern sich im Wahlkampf zum Thema
nur vage und hilflos.
Zur Gewalt des Drogenkrieges hört
man von der mexikanische Regierung
unter Felipe Calderón seit fast
sechs Jahren vor allem Durchhalteparolen.
Man sei auf dem richtigen
Weg. Angesichts der jüngsten
Gewaltwelle erklärte Innenminister
Alejandro Poiré, die Regierung
werde »weder zurückweichen,
noch sich einschüchtern lassen«
im Kampf gegen »die irrationale
Gewalt der verbrecherischen Organisationen
«. Die Frage aber ist,
wie geht es nach dem 1. Juli weiter?
An diesem Tage wählt Mexiko
einen neuen Präsidenten.
Die Kandidatin der regierenden
konservativ-katholischen Partei
Nationale Aktion (PAN), Josefina
Vázquez Mota, unterstützt Calderón
in seinem Feldzug gegen die
Kartelle. Sie kündigte an, gegenüber
den Drogenbanden nicht
nachzugeben. Sie wolle einen
Bundesstaat Nuevo León »ohne
Zetas, ohne organisiertes Verbrechen
«, sagte sie Mitte des Monats
in Monterrey. Keine 24 Stunden
später wurden in Cadereyta in der
Nähe von Monterrey 49 verstümmelte
Leichen gefunden. Von einer
»Botschaft« an die Politik wollten
die Behörden dennoch nichts wissen.
Nach ihrer Lesart ist die Tat
Teil der blutigen Territorialkämpfe
zwischen den Kartellen.
Man müsste meinen, dass angesichts
der Situation die Frage um
die Sicherheitsstrategie einen
zentralen Platz im Wahlkampf
einnimmt. Doch andere Themen
überwiegen. Von den Kandidaten,
die sich um die Nachfolge von Calderón
streiten, gibt es allenfalls
Versprechungen, die Gewalt einzudämmen
und das Land zu befrieden.
Wie das geschehen soll,
bleibt vage.
Keiner der Bewerber glaubt,
die gegen die Kartelle eingesetzte
Armee bald in die Kasernen zurückbeordern
zu können. Der in
allen Umfragen führende Enrique
Peña Nieto, der die Partei der Institutionellen
Revolution (PRI) nach
zwölf Jahren zurück an die Macht
führen soll, die sie mehr als 70
Jahre uneingeschränkt inne hatte,
will das Militär weiter in den gewalttätigsten
Regionen des Landes
einsetzen und zur Unterstützung
eine militarisierte Polizei unter ziviler
Führung schaffen.
Vázquez Mota dagegen bekräftigt
immer wieder, nicht mit dem
organisierten Verbrechen zu paktieren.
Mehr als einmal hat sie angedeutet,
dass die PRI genau dies
getan habe, als sie die Regierung
stellte. Die Kandidatin der PAN will
die Armee in den Straßen belassen
und eine nationale Polizei mit
150 000 Einsatzkräften schaffen.
Auch müsste die USA mehr Verantwortung
übernehmen und den
Drogenkonsum dort reduzieren.
Mit einer versöhnenden Botschaft
wartet Andrés Manuel López
Obrador von der sozialdemokratischen
Partei der Demokratischen
Revolution auf. Er wolle
»mehr Umarmungen und weniger
Kugeln« (im Spanischen reimt sich
das »más abrazos y menos balazos
«). Man müsse bei den sozialen
Ursachen ansetzen, mehr Arbeitsplätze
schaffen. Zudem sprach er
sich für eine Legalisierung auch
harter Drogen aus, wenn dies
»Frieden garantiere«, eine Position,
die in Lateinamerika zuletzt an
Raum gewonnen hat.
Der Eindruck bleibt, dass alle
drei ein wenig hilflos vor dem von
Calderón losgetretenen »Krieg gegen
die Drogen« und der überbordenden
Gewalt stehen. Die Bevölkerung
dringt auf mehr Sicherheit.
Dafür aber sind mehr als nur gute
Vorsätze nötig.
* Aus: neues deutschland, Dienstag, 22. Mai 2012
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